Max Beckmann

Zäsuren und Kontinuität

Max Beckmann gilt als einer der Giganten der deutschen Moderne. Vom Impressionismus herkommend, wandte er sich gegen den Expressionismus, den er als dekorativ abtat. Er selbst knüpfte an die alten Meister wie Rembrandt und Tintoretto, aber auch Delacroix an und gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Neuen Sachlichkeit, obwohl der Maler letztlich einen eigenen Weg ging und auch kubistische und expressionistische Einflüsse aufnahm.

Das Buch ist weit mehr als ein Ausstellungskatalog, enthält es doch eine Reihe sehr tiefgründiger Analysen, aufgrund derer man Beckmanns künstlerischen Weg und sein Werk besser versteht.

Olaf Peters nimmt in seinem fundierten Einführungstext viele der folgenden Beiträge zusammenfassend vorweg. Sehr deutlich wird hier das Ringen des Malers um einen eigenen Ausdruck, bis er schließlich die Widersprüche in seinem künstlerischem Ansatz aufzulösen vermochte und zu seinem ganz eigenen Stil fand, der in der Farbgebung an mittelalterliche Bilderhandschriften erinnert. Ausführlicher schildert Anna Maria Heckmann den künstlerischen Werdegang des Malers, der noch 1914 in Berlin wegen seines traditionell-impressionistischen Stils von Adolf Behne als "beinahe geriatrisch" kritisiert wurde. Nach dem Ausbruch des I. Weltkriegs konnte sich Beckmann in Frankfurt künstlerisch befreien und zu sich selbst finden. 1919 wandte sich Beckmann endgültig vom Impressionismus ab und gelangte zur künstlerischen Reife.

Christiane Zeiller analysiert Beckmanns traumatische Erfahrungen während des I. Weltkriegs und deren Niederschlag in seiner Kunst anhand seiner Briefe und Zeichnungen aus dieser Zeit. Da der Maler zahlreiche Selbstporträts hinterließ, analysiert Dietrich Schubert diese im Kontext bekannter Selbstporträts alter Meister und von Zeitgenossen Beckmanns. Sich künstlerisch selbst zu finden, war für ihn eine lebenslange Aufgabe, eine Anstrengung, die in seinen unzähligen Selbstbildnissen zum Ausdruck kam, wie Olaf Peters schreibt.

Am Ende des Bandes findet sich ein Beitrag von Jürgen Müller, der Beckmanns Jugendwerke analysiert, in denen der Künstler einen Spagat zwischen Tradition und Moderne versuchte und nach Pathos und einer Monumentalität strebte, die den Betrachter überwältigt und die ästhetische Distanz eliminiert. Beeinflusst von der Philosophie Friedrich Nietzsches erfand Beckmann sich selbst – "an actor in search of a role suited to him" (S. 249) In seinen Tagebucheinträgen kommt die Suche, die Verzweiflung und ein Gefühl der Leere und des Versagens zum Ausdruck. Der Einfluss u. a. von Michelangelo, Max Liebermann und Ferdinand Hodler ist in Beckmanns frühen Bildern unübersehbar, doch nach Müller liegt der Schlüssel zum Verständnis dieser Arbeiten in Nietzsches Philosophie.

Der umfangreiche Katalogteil mit farbigen Abbildungen von Gemälden und schwarz-weißen Drucken enthält für einige Werke aufschlussreiche Erklärungen von Olaf Peters. Beckmanns Drucke aus der Mappe "Die Hölle" beschreibt Elisa Tamaschke in ihrer bedrückenden Radikalität, mit der sie dem Betrachter schonungslos die Grauen des Krieges und der Unruhen der Nachkriegszeit vor Augen führen. Auch hier taucht Beckmann selbst auf, im zweiten Blatt "Der Nachhauseweg" und im letzten "Die Familie".

Den Schlusspunkt setzt ein weiterer Beitrag von Olaf Peters, in dem er einen Ausblick auf Beckmanns spätes Werk gibt und nachzeichnet, wie die prägenden Jahre 1915 bis 1925 sich darin wiederfinden, weil Beckmann wiederholt auf Themen und Formen zurückgriff, mit denen er während dieser Zeit experimentierte.

Insgesamt ist der Katalog ein ebenso interessantes und aufschlussreiches wie schönes Buch geworden.

Max Beckmann
Olaf Peters (Hrsg.)
Max Beckmann
The Formative Years, 1915-1925
256 Seiten, gebunden
Prestel 2024
EAN 978-3791379944

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