Staatliche Eingriffe in den Markt
In der Einführung zum vorliegenden Lehrbuch geht der Verfasser von der folgenden Ausgangsüberlegung aus:
"Die Grundentscheidung für eine marktwirtschaftliche Ordnung der Wirtschaft beruht auf der Erkenntnis, dass die Koordination über Märkte zu besseren Ergebnissen führt als ein System staatlich-bürokratischer Lenkung. Dementsprechend werden in einer Marktwirtschaft die Entscheidungen über
- die Verwendung der zur Verfügung stehenden Produktionsfaktoren,
- die mittels dieser Ressourcen bereitzustellenden Güter und die entsprechenden Produktionsverfahren sowie über
- die Verteilung der hergestellten Güter auf die Nachfrager
durch dezentrale, freie Entscheidungen der Akteure gefällt. Die Koordination dieser Entscheidungen erfolgt über den Markt. Sieht man die Marktkoordination als den im Prinzip überlegenen Steuerungsmechanismus an, so folgt daraus, dass Eingriffe in den Markt zu rechtfertigen sind."
Entsprechend diesem Kalkül folgt das zentrale Anliegen des Buches mit der Rechtfertigung staatlicher Eingriffe auf der Grundlage der mikroökonomischen Theorie, in denen Bedingungen herausgearbeitet werden, die zu einer eingeschränkten Funktionsfähigkeit einzelner Märkte führt. Hingegen werden makroökonomische Ansätze, welche das Problem der Instabilität des privaten Sektors insgesamt bzw. die staatlichen Maßnahmen zur Sicherung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts untersuchen, in diesem Werk ausgeblendet.
Das Buch besteht aus insgesamt fünfzehn Kapiteln, welche in drei Teile gegliedert sind:
Teil I "Der Markt als Referenzsystem" behandelt die Funktionsweise des Marktes, indem anfangs vor allem die zentralen Kennzeichen von Markttransaktionen und die wesentlichen Anforderungen an einen funktionsfähigen Marktprozess herausgearbeitet werden. Da sich viele Ansatzpunkte der Theorie des Marktversagens aus der klassischen Preistheorie bzw. der paretianischen Wohlfahrtsökonomie herleiten lassen, setzt sich der Autor auch mit den einschlägigen Grundlagen auseinander. Abschließend werden die praktische Relevanz des Marktmodells der vollständigen Konkurrenz und verschiedene Nachteile bzw. Kosten aufgezeigt, welche mit staatlichen Eingriffen verbunden sind.
Teil II "Marktversagen: Ursachen und Therapiemöglichkeiten" gibt einen tiefen Einblick in die wichtigsten Ursachen von Marktversagen und thematisiert die grundsätzlich in Frage kommenden wirtschaftspolitischen Eingriffsmöglichkeiten. Dabei handelt es sich zum einen vor allem um externe Effekte (bspw. Umweltbelastungen durch das Handeln oder Unterlassen einzelner Wirtschaftssubjekte), zum anderen um Unteilbarkeiten und Marktmacht (bspw. bei sog. "natürlichen" Monopolen) sowie auch um Informations- und Anpassungsmängel (bspw. bei asymmetrischer Informationsverteilung). Abschließend wird auch das Phänomen der Nichtrationalität, d. h. die Problematik der Identifikation nichtrationalen Handelns der Menschen (bspw. unzureichende Alters- und Pflegevorsorge), kurz erörtert.
Teil III "Ökonomische Theorie des Staates und der Politik" untersucht die Bedeutung der Theorie des Marktversagens für politische Entscheidungen. Dabei wird u. a. deutlich, dass die eigennützigen Interessen von Politikern, Bürokraten, Verbänden und Wählern die Art und Weise der staatlichen Eingriffe sowie der konkret ergriffenen Maßnahmen entscheidend prägen können. Das letzte Kapitel widmet sich den verschiedenen Möglichkeiten, wie man die Gefahr eines Bürokratie- und Politikversagens – bspw. durch Begrenzung des eigennützigen Verhaltens mit Hilfe entsprechender Regeln – eindämmen könnte.
Michael Fritsch, Professor für Volkswirtschaftslehre (Unternehmensentwicklung, Innovation und wirtschaftlichen Wandel) an der Uni Jena sowie Forschungsprofessor am Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), verknüpft die Mikroökonomie und staatliche Wirtschaftspolitik auf eine überzeugende Art und Weise. Er geht dabei nicht nur systematisch und fundiert auf die Ursachen des Marktversagens sowie auf die alternativen wirtschaftspolitischen Maßnahmen gegen derartige Defizite ein, sondern setzt sich auch mit den möglichen Gründen für ein "Politikversagen" auseinander und desillusioniert vermutlich damit so manche Zeitgenossen, welche auch heute noch an die Allmacht des Staates und dessen Eingriffe glauben.
Nicht nur inhaltlich, sondern auch methodisch-didaktisch ist das Werk gut gelungen. Zum besseren Verständnis der Materie setzt der Verfasser grundlegende Kenntnisse der mikroökonomischen Theorie (Haushaltstheorie, Theorie der Unternehmung, Modell der vollständigen Konkurrenz) voraus, wie sie üblicherweise in den entsprechenden Einführungsveranstaltungen der VWL vermittelt werden. Unter dieser Voraussetzung lassen sich die wesentlichen Argumentationsstränge, u.a. auch wegen des verständlich geschriebenen Textes sowie aufgrund der zahlreichen Abbildungen und des weitgehenden Verzichts auf mathematische Beweisführungen, gut nachvollziehen. Jedes Kapitel wird mit einer Reihe von Übungsfragen abgeschlossen und ausführliche Lösungen hierzu werden über eine Website angeboten. Weiterführende Literaturhinweise erleichtern die Vertiefung in die einzelnen Themenbereiche der jeweiligen Kapitel.
Damit ist dieses aufschlussreiche und interessante Buch fortgeschrittenen VWL-Studenten gut zu empfehlen. Darüber hinaus kann es auch für die Vorbereitung auf die Diskussion einschlägiger Themen im Rahmen von Lehrveranstaltungen in Fortbildungseinrichtungen bzw. Akademien der Wirtschaft und Verwaltung genutzt werden. Des Weiteren kann es auch als Nachschlagewerk für ökonomisch vorgebildete Praktiker in Politik und Verwaltung eine sinnvolle Verwendung finden.
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