Western, Science Fiction und Meditation: "Erfinde was!"
Giotto, Pierro della Francesca und Caravaggio hätten einst alle denselben Ansatz verfolgt wie Jahrhunderte später, heute, Milo Manara, schreibt der Herausgeber im Vorwort. Gleich drei unabhängige und in sich abgeschlossene Geschichten des italienischen Meisterzeichners sind in der vorliegenden Ausgabe des Bandes 16 der Werkausgabe bei Panini comics versammelt und alle führen in eine mystische Zeit, der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. "Mann aus Papier" ist im klassischen Western-Genre angesiedelt, "Der Schneemensch" könnte in der Gegenwart spielen und "Flucht von Piranesi" in einer fernen Zukunft, gehört dem Science Fiction Genre an. Alle drei Geschichten eröffnen faszinierende neue Seiten auf die jeweilige Zeit und ermöglichen neue Perspektiven und Lesarten.
Weißer Hase liebt Mann aus Papier
Die Liebesgeschichte zwischen der Indianerin "Weißer Hase" und dem im Titel besagten "Mann aus Papier" fängt kokett mit Neckereien an, aber wird jäh unterbrochen durch einen abrupten unerwarteten Schuss aus einem Gewehr. Indianer wurden damals wie Vieh behandelt und so ist es ein Wunder, dass sich so etwas wie Romeo und Julia zwischen einem Weißen und einer Roten überhaupt entwickeln kann. Aber der Mann aus Papier verteidigt Weißer Hase so gut es geht, von Wirtshausschlägerei und Armeeüberfall. Auch die "Andersrum-Indianer", die man etwa aus der genialen Verfilmung des Romans von Thomas Berger "Little Big Man" (1970, mit Dustin Hoffman in der Titelrolle) kennt, kommen bei Manara vor.
"Erfinde was!"
Auf die Gipfel des Himalaya am Qomolanga (Mount Everest) führt hingegen die zweite Geschichte "L’uomo delle Nevi", der "Mann aus Schnee", obwohl es eigentlich sogar mehrere sind. Buddhistische Mönche leben hoch oben im Schnee und retten einem Weißen das Leben, als dieser auf einen geisterhaften Schneemann schießt und daraufhin in Ohnmacht fällt. Erstmals wurden diese Wesen 1913 gesehen, sie waren zwei Meter groß und hatten einen dichten Pelz, aber eine menschliche Körperhaltung "und aus ihrem Blick sprach eine unendliche Traurigkeit". Schon in "uralten Texten" von Herodot und Plinius wurden diese Kreaturen beschrieben, weiß Manara und der zigarrenrauchende Chefredakteur von Tobey verlangt von ihm nichts weiter als gute Reportagen und, wenn ihm nichts Interessantes begegne, solle er es einfach so machen wie seine prominenten Vorgänger Plinius und Herodot: "Erfinde was!". Als Gefangener des Klosters merkt Tobey bald selbst, was ihm die buddhistischen Mönche sagen: "Die Bibliothek ist in jedem von uns ... sie ist unser Geist, unser Verstand."
Personalisierte Werbung: Science Fiction?
"Flucht von Piranesi" spielt in einem Gefangenenlager oder einer Strafkolonie auf einem fernen Planeten, wo hässliche Rüsseltiere das Kommando haben und die "Resozialisation" auf ihre Art und Weise durchführen. Bis auch zu ihnen die Aufsicht kommt und sie überwacht. Auf dem Planeten wird auch "personalisierte Werbung" für diverse Produkte gemacht, das bedeutet, dass ein jeder jederzeit von einem Werbenden angesprochen wird, um ihn auf ein neues Produkt aufmerksam zu machen. Nur Prominente sind von dieser Pflicht ausgenommen, wer "berühmt" ist, braucht diesen Job nicht zu machen. Sogar Furzen wird auf diesem Planeten kommerziell ausgeschlachtet und als Melodie zu einem Instant-Jingle verarbeitet. Vielleicht ist diese allzu ferne Zukunft gar nicht mehr so fern?

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