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Werte schaffen Zukunftsfähigkeit

Ethik im Management

Das Thema ethisches Management hat klar an Bedeutung gewonnen. Dies zeigt bereits die Tatsache, dass eine beträchtliche Anzahl Bücher aus diesem Themenbereich in letzter Zeit erschienen ist. Allerdings besteht die Gefahr, dass mehr darüber geredet respektive geschrieben und wenig davon umgesetzt wird. Diese Gefahr ist auch deshalb gross, weil nicht immer klar ist, was denn unter Unternehmensethik zu verstehen ist. Spricht man beispielsweise von Ethik, wenn ein Unternehmen nach selbstauferlegten Regeln und Werten handelt oder müssen diese einem global gültigen Standard entsprechen?

Friedrich Kokot und Matthias Schmidt beantworten die Frage mit Ja und Nein. Sie plädieren in ihrem einführenden Kapitel für individuelle Lösungen, betonen aber, dass bei der Entwicklung einer eigenen Unternehmensethik Standards hilfreich sind und beachtet werden sollten. Diese Sicht ist vernünftig. Wenn ein Unternehmen sich zu irgendwelchen externen Ethikstandards bekennt, bleibt dies oft eine Alibiübung. Externe Standards erweisen sich schnell als sperrig und der Prozess der Auseinandersetzung mit dem Thema dürfte kaum stattfinden. Dieser Prozess aber ist besonders wichtig. Hierzu die Autoren: "Leider gibt es immer wieder Unternehmen, die im Sinne eines falsch verstandenen Benchmark-Denkens, oder um Zeit und Geld zu sparen, einfach aus den Broschüren anderer Unternehmen abschreiben. Die scheinbare Ersparnis wird aber nur von kurzer Dauer sein. Denn es geht weniger um die Wortwahl, als um die Auseinandersetzung mit den Werthaltungen und den damit verbundenen Reflexionsprozess." (s.17) Dieses Vorgehen hat auch seine Kehrseite. Was nämlich ein Unternehmen als ethisch bezeichnet, kann jemand anders als unethisch empfinden. Eine Chemiefirma und ein Umweltverband haben mit Sicherheit nicht dieselbe Vorstellung, wie ethisches Management auszusehen hat. Auch der kleine Angestellte manch eines Unternehmens dürfte die Lücke, die zwischen der Realität des Arbeitsalltags und dem, was wirkungsbewusst von der Unternehmensführung nach aussen kommuniziert wird, als Frechheit empfinden. Diese Lücke entsteht, wenn bei der Entwicklung einer Unternehmensethik der utilitaristische Ansatz, also die Überlegung, dass eine gute Reputation ein Wettbewerbsvorteil ist, den realistischen respektive ehrlichen überflügelt. So kommt es zu Statements wie: "Unsere Mitarbeiter sind unsere wichtigste Ressource", während Löhne bezahlt werden, die einem mit Ach und Krach den Lebensunterhalt abdecken, oder wie: "Mit der Gentechnik können wir den Hunger in der Welt besiegen", während Saatgut patentiert wird und Kleinbauern ihre Unabhängigkeit aufgeben müssen.

So kann die Rede von Ethik im Management einen unangenehmen Beigeschmack haben, wichtig ist sie trotzdem. Das gute an dem vorliegenden Interviewband ist, dass nicht in der Theorie - diese liefern die Herausgeber im einführenden Kapitel aus ihrer Sicht - verharrt, sondern aus der Praxis berichtet wird. Es kommen Unternehmer, Politiker und Manager aus Deutschland und der Schweiz zu Wort, die auf unterschiedliche Art und Weise mit dem Thema zu tun haben. Beispielsweise berichtet der Vorstand der Baer AG, Stephan Baer, über den Nachhaltigkeitsbericht, der seit dem Jahr 2000 von der Baer AG erstellt wird, oder Joachim Kölpien und Armin Zisgen von der KSB-Aktiengesellschaft erklären, weshalb sie entgegen dem Trend gezielt auf ältere Mitarbeiter setzen, und mit Petra Kachel, Referentin beim Deutschen Aktieninstitut, wird über das Thema ethisches Investment gesprochen. Die dreizehn Interviews zeigen einerseits auf, was ethisches Management alles beinhalten kann und andererseits wird ersichtlich, wie Praktiker die Entwicklung individuell aufgreifen. Interessant wäre als Ergänzung die Sicht der "Basis". Was der durchschnittliche Angestellte unter ethischem Management versteht, könnte auch für Manager interessant und aufschlussreich sein. Die Wechselseitigkeit der internen Kommunikation wird zwar gern als wichtig bezeichnet, in der Praxis aber kommt sie wohl eher zu kurz.


von Jan Rintelen - 23. Oktober 2005
Werte schaffen Zukunftsfähigkeit
Friedrich Kokot (Hrsg.)
Matthias Schmidt (Hrsg.)
Werte schaffen Zukunftsfähigkeit

mit Praktikern im Gespräch über verantwortungsbewusste Unternehmensführung
Rainer Hampp 2005
152 Seiten, broschiert
EAN 978-3879889136