Wege zu Caspar David Friedrich
Der 250. Geburtstag des Malers Caspar David Friedrich – am 5. September 1774 erblickte er in Greifswald das Licht der Welt – bietet hinreichend Anlass für biographische Würdigungen, Festreden und Huldigungen. Friedrichs Kunst wird gerühmt, verehrt und gewiss auch verkannt. Zugleich dient sein Werk als Projektionsfläche für melancholisch gestimmte Romantiker, in Geschichte und Gegenwart. Eberhard Rathgeb begibt sich in einer behutsamen Annäherung auf Spurensuche, um den Lesern zu einem besseren Verständnis des Künstlers zu verhelfen.
Caspar David Friedrich sei es um das „Sehen“, um das „Sichtbare“ wie um das „Unsichtbare“ gegangen, der zugleich mit den Augen des Malers zu sehen vermochte, was die Menschen seiner Generation nicht oder nicht in derselben Schärfe wahrgenommen hätten. Er stellt die „Natur“ auf eine Weise dar, „als wäre die Geschichte der Menschen an ihrem Ende angelangt“. Rathgeb schreibt: „Er hat, als er sich um 1800 in der Natur umschaute, mehr wahrgenommen als andere, eine erhabene Leere und geheimnisvolle Reserviertheit. Seine Natur lächelt nicht, sie öffnet nicht die Arme, sie sagt kein Wort. Sie steht da wie ein letzter Zeuge, eine Erinnerung daran, dass die Geschichte mit dem Menschen einmal groß und gut gemeint gewesen war. Die Geschichte ist schlecht ausgegangen.“
Rathgeb sieht bei Friedrich Prägungen durch die protestantisch-pietistische Erziehung. Seine Bilder zeigten eine Welt, die in ein „absurdes Licht“ getaucht sei – eine Welt, in der der Mensch nicht mehr vorgesehen zu sein scheint: „Die Natur hat ihn von sich abgestoßen, sie hat sich von ihm gelöst. Es gibt keinen Weg zurück. Was bleibt, ist zu warten, darauf, was noch passieren könnte. Es liegt nicht mehr in der Hand des Menschen. Die Natur wird das letzte Wort haben.“ Rathgeb schreibt im Ton einer gewissen erhabenen Feierlichkeit, als hielte der Maler eine zwar christlich geformte, aber im Kern säkulare Predigt, in der die Endlichkeit vorherrscht, mit melancholischer Grundierung. Noch sei die Religion präsent, nun aber trete eine „florierende Innenwelt“ hervor: „Wie eine dünne Nebelschicht legt sie sich über die Wirklichkeit und macht sie unwirklich, als sei, was dort vorfällt, zwar notwendig, aber letztlich nicht wichtig, nur sekundär. Überall lauert eine andere, höhere Welt, deren protestantischer Stellvertreter auf Erden der Geist ist. Jeder Mensch trägt ihn mit sich herum. Von einem romantischen Furor gepackt, fängt der Geist um 1800 an, in der Natur nach seinem Spiegelbild zu suchen, nach einer verlorenen Einheit.“
Rathgeb würdigt und nimmt wahr, was Philosophie, protestantische Theologie und auch die Romantik um 1800 vermitteln, vergleicht insbesondere den Geist der Romantik mit einem „Sog aufs Meer der Einbildungskraft“. Über Caspar David Friedrich schreibt er: „Friedrich suchte in der Malerei eine Ordnung für die Gefühle. Doch damit allein war es nicht getan. Verachtung, Hass und Verzweiflung sollten nicht den Pinsel führen. Nur mit geläuterter Seele durfte der Maler vor dem Bild stehen.“ Friedrich wollte die „Einheit der Welt“ wahrnehmen: „Die Landschaften, die er zeichnete und malte, bestehen aus hohem Himmel, schweren Wolken und vollem Mond, gestaffelten Bergen und weitem Meer, auf dem Segelschiffe fahren, aus Küsten mit Fischernetzen und Tälern mit Ruinen von Klöstern, mit kargen Eichen, dickem Schnee und grünen Wiesen, mit Kirchtürmen und strikten Horizonten, und vielleicht dass einmal ein Pferd zu sehen ist, und wenn Menschen auftauchen, stehen sie da, als wollten sie nicht gestört werden, sie haben sich abgewandt und sind von hinten zu sehen, als hätte der Maler vermeiden wollen, dass es zu einer unmittelbaren Begegnung und Auseinandersetzung mit ihnen kommt.“
Rathgeb stellt Konturen des künstlerischen Schaffens von Caspar David Friedrich vor, die mögliche Zugangs- und Verständnisweisen zu seinem Werk bieten. Vielleicht bahnt er Wege zu den Bildern des Malers Friedrich. Wer sich aber der Kunst nähert, der sollte den frischen, freien Blick darauf sich bewahren, um – vielleicht ahnungslos, aber offen – sich anziehen, ansprechen und von innen her berühren zu lassen von der Schönheit der Kunst. Rathgeb nennt den „Vorgang des Sehens der Welt“ eine „komplizierte theoretische Angelegenheit“ und verweist auf Philosophen wie Kant und Schopenhauer. Der Besucher der Ausstellungen heute wird mit beiden Denkern wenig vertraut sein und das macht nichts. Vielleicht aber sieht der eine oder der andere, wie Caspar David Friedrich Natur und Welt sah und malte. Wer Melancholie in seinen Bildern sucht, wird fündig werden. Wer aber nichts sucht und nur schauen möchte, der wird schauen dürfen und könnte mehr entdecken, als er zu ahnen gewagt hat, weil nämlich der Blick des Betrachters vor dem Gemälde sich über das Kunstwerk hinaus sich weitet, ins Offene hinaus.

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