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Tiroler Burgenbuch

Denkmäler aus einer anderen Zeit

Der zehnte Band des Tiroler Burgenbuchs führt die Tradition des 1972 begründeten "opus magnum" der Burgenforschung fort.

An dieser Stelle soll auf eine vermeintliche Nebensächlichkeit hingewiesen werden, die aber äußerst wohltuend auffällt, nämlich die seit dem ersten Band weitgehend unveränderte Gestaltung des Umschlags: Er wurde nur minimal einer "Modernisierung" unterzogen, und der Verlag hat - im Gegensatz zu vielen anderen - der Versuchung widerstanden, um jeden Preis dem Zeitgeist zu huldigen.

27 Burgen werden auf über 400 Seiten behandelt, und neben weitgehend unbekannten Anlagen finden sich hier auch so herausragende Objekte wie Hocheppan, Boimont, Sigmundskron und die Haderburg. Der Band ist durchgehend farbig bebildert, und zwar sowohl mit historischen Ansichten als auch mit aktuellen Aufnahmen. In aller Regel sind den einzelnen Artikeln auch Grundriss- und Bauphasenpläne zugeordnet. Am Beginn jedes Abschnitts werden die bekannten historischen Ansichten und Fotos sowie die Pläne mitsamt Herkunftsangabe aufgelistet. Die Artikel sind weitgehend identisch aufgebaut und behandeln neben Angaben zum Namen und der Lage der Burg die Geschichte und Baugeschichte derselben. Dass aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Autoren aus verschiedenen Fachbereichen Schwerpunkte und teilweise auch die Qualität der Beiträge schwanken, liegt in der Natur eines solchen Sammelbands.

Interessant scheint der Vergleich mit mehr oder weniger zeitgleichen Publikationen zu hier ebenfalls behandelten Burgen:

Laimburg: Bereits im Jahre 2006 wurde über die Laimburg eine Monographie publiziert (Waltraud Kofler Engl u. Gustav Pfeifer (Hrsg.), Die Laimburg. Geschichte, Archäologie, Restaurierung (Forschungen zur Denkmalpflege in Südtirol 2), Bozen 2006). Die Autoren der beiden Abschnitte über Geschichte und Archäologie der Burg in jenem Band, Gustav Pfeifer und Christian Terzer, zeichnen auch für den Artikel über die Laimburg im Tiroler Burgenbuch verantwortlich, so dass es sich im Großen und Ganzen um eine Zusammenfassung des vorher ausführlich publizierten Forschungsstandes handelt. Ärgerlich ist aber, dass der Grundrissplan der Laimburg wohl mit (unbeschrifteten) Höhenlinien, nicht aber mit einem Maßstab versehen wurde. War dies in der Publikation von 2006 ärgerlich, aber aufgrund beigefügter detaillierter Faltpläne noch mit Magengrimmen zu akzeptieren, so ist diese Unterlassung im Burgenbuch schlicht unverständlich, da der Plan für weitere Arbeiten schlicht unbrauchbar ist.

Sigmundskron: 2006 erschien, herausgegeben von der Ferrari-Auer GmbH in Bozen, der Band "Sigmundskron - Revitalisierung 2003-2006". War der Rezensent seinerzeit froh, dass über diese bedeutende Burg wenigstens ein nett bebildertes Coffeetable-Book mit einem (überschaubaren) Maß an Informationen erschienen war, hat die Burg Sigmundskron im Tiroler Burgenbuch endlich eine ihr angemessene wissenschaftliche Würdigung erfahren.

Haderburg: 2010 erschien ein Führer von Walter Landi: "Haderburg. Die Feste an der Salurner Klause (Burgen 5)", Regensburg 2010. Da Walter Landi auch den Artikel über die Haderburg im hier besprochenen Band verfasst hat, ist der Inhalt - wenig verwunderlich - deckungsgleich. Doch nicht nur aufgrund zusätzlichen Bildmaterials sollte der interessierte Leser diesen Burgführer zusätzlich zum Tiroler Burgenbuch zu Rate ziehen: In beiden Bänden wird der gleiche Bauphasenplan wiedergegeben, doch wurde im Tiroler Burgenbuch offenbar hinsichtlich der Farben eine (unfreiwillige) "Angleichung" vorgenommen - die drei jüngsten Bauphasen verschwimmen zu praktisch nicht mehr voneinander zu unterscheidenden Rottönen, und auch die Trennung von Bauphase 2 und 3 erfordert schon ein gewisses Maß an Fingerspitzengefühl (respektive: gute Augen) seitens des Lesers. Dies erscheint umso erstaunlicher, als der Plan im Burgenbuch im Maßstab 1:500 abgedruckt ist, und es sich bei der Version im Burgführer offensichtlich um den leicht verkleinerten Plan handelt, er also wohl fürs Burgenbuch entworfen wurde. Dieses scheinbar nebensächliche Manko mindert den Wert des Artikels in bauhistorischer Sicht leider nicht unerheblich, was gerade für den Autor des Artikels äußerst ärgerlich sein dürfte.

Hocheppan: Selten kommt es vor, dass praktisch zeitgleich zu einer Burg (noch dazu einer so bedeutenden, für die man sich seit Jahren eine Monographie wünschte) zwei wissenschaftliche Abhandlungen erscheinen. Walter Landi, Helmut Stampfer und Thomas Steppan haben 2011 einen Burgenführer mit dem Titel "Hocheppan. Eine Grafenburg mit romanischen Kapellenfresken" im Verlag Schnell und Steiner herausgegeben, während kurz darauf im Tiroler Burgenbuch ein Artikel über diese Burg von Waltraud Palme-Comploy erschienen ist. Wie viel Raum für Forschungen die Burg Hocheppan (immer noch) bietet, zeigt auf beeindruckende Weise ein Blick auf die Baualterpläne in den beiden Publikationen, die so stark voneinander abweichen, dass der Leser fast schon ein wenig irritiert zurückgelassen wird. Unabhängig von einzelnen Detailfragen, die der Leser aufgrund der relativ knappen Texte und der fehlenden Bauaufmasse und Befundvorlage schlicht nicht beurteilen kann, fällt aber doch auf, dass für den Burgführer ein Plan aus den 1940er Jahren wenigstens umgezeichnet, übersichtlich gestaltet und mit einem Maßstab versehen wurde, während er im Tiroler Burgenbuch lediglich mit vier verschiedenen Farben für vier Bauphasen koloriert wurde - ohne Maßstab! Im Führer werden im Übrigen acht Bauphasen unterschieden. Hier hätte man sich bei einem renommierten Projekt wie dem Tiroler Burgenbuch durchaus etwas mehr versprochen!

Es bleibt festzuhalten, dass in manchen Bereichen bedauernswerte und unverständliche Mängel auftreten, insbesondere was Plandarstellungen anbelangt - redaktionelle Schwächen, die gerade in Ansehung der Qualität der Texte schmerzen. Andererseits sollten diese Mängel, die hoffentlich in einer zweiten Auflage behoben werden, nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um ein wichtiges Werk der Burgenforschung handelt. Den Herausgebern, aber auch dem Verlag, gebührt höchster Respekt und aufrichtiger Dank, dass sie dieses Projekt über so viele Jahre hinweg fortgeführt haben, bietet es doch einen exzellenten Einstieg für jeden an der Burgenregion Tirol Interessierten. Man kann den Verantwortlichen nur wünschen, dass das Buch positiv aufgenommen wird, und dass es ihnen ein Ansporn sein mag, das Projekt "Tiroler Burgenbuch" fortzuführen.


von Olaf Wagener - 30. Mai 2012
Tiroler Burgenbuch
Magdalena Hörmann (Hrsg.)
Tiroler Burgenbuch

Überetsch - Unterland
Athesia 2011
400 Seiten, gebunden
EAN 978-8882667801
Band 10