Seelsorge mit Herz, Humor und Verstand
Ein einfacher Arbeiter im Weinberg des Herrn wie Winfried Henze, also ein katholischer Geistlicher mit Priesterkragen, das heißt mit „Kalkleiste“, geht nicht in den Ruhestand. Er bleibt nicht nur als Pastor nahe Hildesheim aktiv, bis heute, mit 95 Jahren, sondern auch als Autor von episodischen, amüsanten und nachdenklich machenden Betrachtungen, Reflexionen und Geschichten. Henze, langjähriger Redakteur der Hildesheimer Kirchenzeitung, schreibt verschmitzt, humorvoll und tiefgründig über Alltagsgeschichten aus dem Priesterleben und zugleich über Kirche und Welt heute.
Winfried Henze nimmt auch zeitgenössische Dialog- und Diskussionsveranstaltungen wahr, etwa den sogenannten „Synodalen Weg“. Dass dort und auch in kirchlichen Gremien ein erhebliches narkotisches Potenzial steckt, hat der erfahrene Seelsorger in seinem über 70 Jahre währenden Leben als Geistlicher hautnah erfahren, erkannt und pointiert dargestellt. Auch in diesem Buch beschreibt er knapp und anschaulich solche Schauveranstaltungen von Klerikern und laikalen Funktionären. Der „Synodale Weg“ etwa wurde eingerichtet, um den sexuellen Missbrauch in der Kirche aufzuarbeiten, und förderte doch nur ein Sammelsurium an kirchenkritischen Ideen aus der Nachkonzilszeit zutage, ergänzt um einige unklare soziologische Theorien aus dem Fundus der sogenannten „Humanwissenschaften“. Die Ausrichtung auf die geistigen Sphären des Philosophen Michel Foucault ersetzt dann den Glauben an den dreifaltigen Gott. So entkernt die Kirche mitten in der Öffentlichkeit nicht nur ihre Botschaft, sondern instrumentalisiert zugleich den sexuellen Missbrauch – wie unter anderem der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer mehrfach betont hat – für die Durchsetzung einer Agenda von beliebigen Reformvorhaben.
Völlig zu Recht bekennt sich Henze zur Aufklärung dieser Vorgänge und schreibt: „Niemals darf man Träger eines hohen Amtes und großer Verantwortung in einen Nebel der Unantastbarkeit hüllen, der genaues Hinsehen verhindert und Unterwürfigkeit erzeugt, im Staat darf man das nicht, beim Sport nicht, in der Publizistik nicht und am wenigsten in der Kirche.“ Kein Christenmensch und kein Agnostiker, der ernst genommen werden möchte, wird dem Pastor aus Adlum widersprechen. Der eine oder die andere wird sich aber fragen: Welche Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs findet eigentlich bei Institutionen wie Schulen oder Sportvereinen statt? Wer empört sich über den Machtmissbrauch in der Politik, in den Medien oder an Universitäten? Henze schreibt, in der Kirche sei Skandalöses „endlich aufgedeckt“ worden. Es werde „durchgegriffen“, und dies „vielleicht sogar mehr und besser als in anderen Bereichen der Gesellschaft“. Henze, der jegliches „klerikales Machtgehabe“ kritisch sieht, spricht damit eine anstößige Tatsache an – und vielen Gläubigen aus dem Herzen. Er berichtet launig zudem von eigenen Erfahrungen mit knorrigen, kantigen Geistlichen, die hoheitsvoll und selbstgewiss auftraten, Erlebnisse, die er als Schuljunge gemacht hat, aber ihn nicht das Fürchten lehrten, wohl aber lesenswert sind. Der Priester mit der „Kalkleiste“ trat und tritt als „Respektsperson“ auf, durchaus mit autoritären Zügen, aber auch als ehrfurchtgebietende Autorität. Doch auch Päpste mussten Spott ertragen, so sprachen Kardinäle über den greisen Papst Leo XIII. nicht von „Seiner Heiligkeit“, sondern von „Seiner Ewigkeit“. Über den ehemaligen Hildesheimer Bischof Joseph Godehard Machens, der die rhetorischen Schnörkel liebte, plaudert Henze ausnehmend schnörkellos, wie er dann in feierlicher Endlosigkeit bei der Beisetzung des Berliner Bischofs Nikolaus Bares zu predigen wusste und immer wieder fragte: „Noch einmal frage ich, wer ist der Tote, den wir heute bestatten?“ Ein anwesender Priester, der erhabenen Wortgirlanden müde geworden, bemerkte mitten in der Predigt hörbar: „Also, danach sollte man sich doch nun wirklich vorher erkundigen!“
Henze hält es zudem mit der Weisheit der Schulkinder. Der Osnabrücker Bischof Berning fragte, wer denn zum Papst gewählt werden könnte. Die Schulkinder zeigen sich wissend. Als der Oberhirte dann fragt, ob nicht auch er selbst gewählt werden könne, verneint dies ein Mädchen vernehmbar. Berning ist erstaunt und möchte erklärt bekommen, warum das denn nicht möglich sei. Das furchtlose Mädchen erwidert: „Dafür nehmen sie immer nur den Schlausten!“ Wer dies schmunzelnd liest, wird sofort wissen, wie unverzichtbar auch die Stimme der Kinder, erst recht die Stimme der freimütigen Mädchen und Frauen in Kirche und Gesellschaft ist. Dazu braucht niemand Gremienbeschlüsse oder endlose Synodalversammlungen, natürlich erst recht kein Weiheamt. Auch eine weise Antwort von Kardinal Hermann Volk ordnet Henze einem Kindermund zu. Vielleicht beide auch denselben Gedanken, wer weiß. Warum muss ein Priester eigentlich ein Messgewand tragen? Das wollte ein Priesteramtskandidat vom Mainzer Bischof wissen, der knapp erwiderte: „Damit Sie darunter verschwinden.“ Henze berichtet von einem kleinen Jungen, der Ähnliches sagte. Es geht nicht um die Person, und wer Priester ist, der steht am Altar an Christi Statt.
Winfried Henze präsentiert auch eine Reihe von antirömischen Episoden. Teutonisches Selbstbewusstsein und deutsche Selbstüberschätzung gab es schon früher. Auch „Berufskatholiken“ heute meinen mitunter: „Seid vor Rom auf der Hut!“ Stattdessen soll dann die römische Kirche nicht von Christus, sondern von deutschen Theologen, Bischöfen oder Laien etwas lernen. Dass die Weltkirche sich nicht an der Kirchenprovinz Deutschland, sondern am Evangelium ausrichten muss, versteht nicht jeder unmittelbar. Henze meint schmunzelnd, dass manche „katholischen Amtsträger“ es als „peinlich“ ansähen, „dass dieser Bonifatius die Donareiche einfach umgehackt hat, statt in einem Dialog auf Augenhöhe mit den alten Germanen einzutreten und um die Erlaubnis zu bitten, in gebührendem Abstand eine römische Zypresse daneben pflanzen zu dürfen“. Noch zahlreiche Anekdoten, Episoden und Geschichten stellt Winfried Henze in diesem Band vor, der so viel mehr über die katholische Kirche in Geschichte und Gegenwart zeigt als viele kluge intellektuelle Betrachtungen und ziselierte Studien, von den kirchenpolitischen Agenden der Akteure auf dem „Synodalen Weg“ ganz zu schweigen.
Erinnert werden darf daran, dass Winfried Henze mit „Glauben ist schön“ im Jahr 1987 einen echten nationalen und auch internationalen Bestseller vorlegte, der eigentlich ein Longseller hätte werden können und neu aufgelegt werden sollte. Mit Herzblut, Humor und Verstand schreibt der unverwechselbar römisch-katholische und bodenständige Pastor aus dem Bistum Hildesheim über den Glauben in der Welt von heute. „Kalkleistenträger“ wie Winfried Henze zeigen: Die Kirche ist jung, und sie lebt. Dieses erfrischende, ungemein lesenswerte Buch könnte Christen, ob katholisch oder protestantisch, heute viel Freude schenken – und für Agnostiker mehr als ein Geheimtipp sein.
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