V. S. Naipaul, John Steinbeck, Rabindranath Tagore: Reihe Literaturnobelpreisträger

Grosse Schriftsteller zum Hören

V. S. Naipaul - "Des Nachtwächters Stundenbuch"

Die sieben auf diesem Hörbuch enthaltenen Kurzgeschichten handeln überwiegend von Menschen aus den unteren Gesellschaftsschichten Trinidads. Dabei ist ihnen allen gemeinsam, dass sie einen völlig unterschiedlichen Blickwinkel auf ihre kleine Welt haben. Die geschilderten Tragödien führen nicht zum Untergang, sondern werden phantasievoll in Herausforderungen umgemünzt. So wird z. B. aus einem Schwarzen ein Asiate, da nur Asiaten als Bäcker arbeiten dürfen. Ein Nachtwächter nimmt die Anweisungen seines Vorgesetzten dermaßen ernst, dass sich dieser letztendlich in eine Krankheit flüchtet, um seinem Peiniger zu entgehen. Reihenweise erfindet Naipaul skurrile Personen, die sein Trinidad bevölkern - alle auf liebenswürdige Weise Schildbürger und "Max und Moritz" zugleich.

Sylvester Groth folgt dem fließenden Rhythmus dem an den hellen, zarten, aber auch kraftvollen Klang der Steel-Drums erinnernden, mal gemächlichen, mal schnell pulsierenden Erzählfluss. Dabei verfällt der Sprecher niemals in Pathos oder Karikatur, sondern tanzt mit seinen Stimmbändern über des Messers Schneide und holt sich dabei keinen Bruch.

John Steinbeck - "Das rote Pony"

"Das rote Pony" erzählt von Jody Tiflin, einem Knaben auf einer Ranch in Kalifornien. Der wortkarge Vater schenkt ihm unversehens ein sehr junges Pony. Jody, noch ein halbes Kind, übernimmt die Aufgabe der Aufzucht und des Abrichtens. Dabei hilft ihm der Vorarbeiter Billy Buck, der im Umkreis von 50 Meilen als bester Pferdekenner gilt, "der kann Pferde besser kurieren als jeder Tierarzt" heißt es einmal von ihm. Doch bitter ist die Erkenntnis von Jody, dass auch "Halbgötter" Fehler machen: Billy verharmlost eine Erkrankung des geliebten Ponys und verursacht so den Tod des Tieres. Jody steht den Ereignissen sprach- und hilflos gegenüber und vermag seiner Wut nur dadurch Ausdruck zu verleihen, dass er einen Bussard tötet.

Diese Desillusionierung des Knaben beim Heranwachsen vom Jungen zum jungen Mann zieht sich durch die gesamte Erzählung. Dabei bewahrt sich Jody ein offenes Ohr und einen wachen Blick für seine Umgebung. Ungerechtigkeit ist für ihn ein rotes Tuch. Beschämt muss er zum Beispiel miterleben, wie sich sein Vater über den Großvater lustig macht. Für Jody bedeuten diese einschneidenden Erlebnisse einen weiteren Schritt in die eigene Unabhängigkeit, weg vom "Anhimmeln" der Erwachsenen hin zu seinem eigenen Weg, mit der Wirklichkeit umzugehen.

Steinbeck erzählt seine Geschichte wie ein weit über dem Ganzen thronender Betrachter und lässt dabei kein Mitgefühl, weder für das Schicksal des Tieres noch des Jungen, erkennen. Seine Wirkung erzielt er größtenteils durch die kraftvolle Beschreibung der Umstände und die Bildhaftigkeit seiner Sprache. Diesem Umstand trägt der Sprecher Andreas Pietschmann mit seiner jungenhaften Stimme Rechnung und bleibt damit dem Werk und der Intention Steinbecks treu.

Rabindranath Tagore - "Das goldene Boot"

1910 verfasste Rabindranath Tagore den Lyrikband "Gitanjali", der 157 Gedichte und Lieder umfasst. Diese ranken sich größtenteils um Mythen des Vishnuismus, die Gottheiten Krishna und Radha und das Streben der Menschen nach Spiritualität. Dabei konzentrierte er sich jedoch entgegen der hinduistischen Tradition weniger auf das jenseitige Leben, sondern mehr auf die diesseitigen Freuden, die das Dasein bereithält. Besonderes Augenmerk legte er dabei auf die Einheit des Menschen mit der Natur, verweigerte sich der Askese und fügte eine erotische Komponente, die Sehnsucht des Menschen nach Liebe in all ihren Facetten, hinzu.

Die Stimmung der ein wenig melancholisch klingenden Gedichte und Lieder reicht dabei von romantisch bis geheimnisvoll-religiös, der Stil ist schlicht, jedoch kunstvoll.
1913 erhielt er für diesen Band den Nobelpreis.

Das Audiobuch enthält stimmungsvoll vertonte Lieder, Aphorismen, Gedichte und die beiden Erzählungen "Der Postmeister" sowie "Der Mann aus Kabul". Der Sprecher Otto Mellies liest mal traurig, mal euphorisch, jubelnd, jauchzend oder Lebensfreude versprühend aber auch nüchtern, sachlich oder ermahnend - immer trifft er den Grundton der Geschichte, die er gerade vorträgt. Dies und die gelungene Auswahl der Episoden durch den Verlag ermöglichen dem Hörer einen exklusiven Einblick in das immense Werk des bengalischen Autors.


Allen drei Hörbüchern gemeinsam sind das außergewöhnliche und sehr ansprechende Cover-Design, die Qualität und der Umfang der beigefügten Informationen sowie die absolut sichere Unterbringung der CDs. Diese Reihe ist wie ein Aperitif: sie weckt die Lust nach mehr!

Reihe Literaturnobelpreisträger
Reihe Literaturnobelpreisträger
Des Nachtwächters Stundenbuch / Das rote Pony / Das goldene Boot
2 CDs, 138 min / 3 CDs, 221 min / CD, 78 min
Patmos 2005

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