Die Blumen des Bösen neu übersetzt
"Ohne Rücksicht auf die Schranken der Moral die Gesamtheit der physischen und sozialen Wirklichkeit ungeschminkt zur Darstellung bringe", hieß es in der Anklageschrift der Pariser Staatsanwaltschaft von 1857, die den Text von Baudelaire daraufhin teilweise sogar verbot. Erst in einer zweiten Auflage von 1861 konnten alle seine Gedichte dieser Sammlung in einem Band erscheinen, aber dennoch um sechs Gedichte zensiert. Die vorliegende Ausgabe enthält in ihrer ersten Abteilung sämtliche Gedichte in Reihenfolge und Nummerierung der Seconde Édition von 1861, die um 35 Gedichte erweitert, aber um die verruchten 6 Gedichte gekürzt ist. Diese 6 Gedichte sind aber in der zweiten Abteilung, den Épaves, der vorliegenden Ausgabe enthalten und außerdem bringt die dritte Abteilung auch alles das, was an Text nach Baudelaires Tod in der dritten Ausgabe von 1868 hinzugekommen ist.
Der "deutsche" Baudelaire endlich im Original
Simon Werle hat nicht modernisierend in die Schreibung eingegriffen, da diese keine Auswirkung auf die Aussprache hätten. Denn was die wenigsten wissen: die Texte Baudelaires sind vor allem auch für das laute Vorlesen gedacht, nicht zuletzt deswegen hat er ja auch Reime in seine Gedichte eingebaut, was das Übersetzen ins Deutsche um so schwieriger machte. Einer der bekanntesten deutschen Übersetzer sei Stefan George gewesen, der "zahlreichen nachfolgenden Verdeutschungen der Fleurs du Mal den Stempel aufgedrückt" habe, schreibt Werle im Nachwort zur vorliegenden Ausgabe. Er zitiert dort auch eine Doktorarbeit über den "deutschen" Baudelaire, die davon ausgeht, dass es mehr als hundert Namen von Übersetzern Baudelaires gibt und deswegen folgert Werle, dass nicht von einem einzigen "deutschen Baudelaire" ausgegangen werden könne, sondern "deren viele". Diese Pluralität spiegele natürlich auch "das sich im Lauf der Geschichte stark wandelnde und auch in Deutschland von widersprüchlichen Deutungen geprägte Baudelaire-Bild, aber auch die Tatsache, dass keine der bislang deutschen Übertragungen dieses zentralen Werkes der modernen europäischen Lyrik autoritativen oder gar kanonischen Status erlangt" habe, so Werle.
Halbreime und Assonanzen
Baudelaires Lyrik sei nicht nur bestimmt, durch "ihre berühmte formale Virtuosität und ihre lyrische Evokationskraft, sondern auch durch die starke Ausrichtung auf den mündlichen Vortrag", schreibt Werle und so hat er - zur Linderung des Leidens im Prokrustesbett des Übersetzers - das Reimarsenal des Deutschen durch Halbreime, also um unreine Reime und Assonanzen, erweitert. Auf diese Weise ist eine Übersetzung entstanden, die schon von vielen Kritikern gelobt wurde und anlässlich des 150. Todestages des Schriftstellers in einer wunderschönen gebundenen Ausgabe bei Rowohlt erschienen ist.
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