Die letzten Bilder des King of Grunge
Am 5. April 2021 jährt sich der ungeklärte Selbstmord vom "King of Grunge" zum 27. Mal, also schon mehr als ein Viertel Jahrhundert. Die vorliegende Hommage, "Kurt Cobain – Die letzte Session", ist mehr als nur einen Hingucker wert, enthält sie doch neben den beeindruckenden stilbildenden Fotos von Jesse Frohman nicht nur ein lesenswertes Interview, sondern auch zwei Texte von intelligenten Autoren und Rockjournalisten. Jon Savage wurde durch seine "England’s Dreaming"-Publikation zum englischen Punk weltberühmt. Glenn O’Brien wiederum ist einer der ersten Kolumnisten von Warhols "Interview"-Zeitschrift.
Teenage Spirit eines Club 27ers
Die komplette Photoserie des Shootings in NY im Jahre 1993, als Nirvana die absoluten Stars der Rockmusik waren, spricht ohnehin für sich. Im Juli desselben Jahres trat die Band im Roseland Ballroom in New York auf, um ihr Album "In Utero", produziert von Steve Albini, der Welt vorzustellen. Nach ihrem Welterfolg "Nevermind" die dritte Studio-LP des Trios infernale. Bereits neun Monate später war Kurt Cobain tot. Er hatte sich mit einer Schrotflinte selbst ins Gesicht geschossen. Seine Augen lugten nun nie mehr hinter der Jackie-O-Sonnenbrille hervor, die er bei den Fotosessions und auch beim Interview mit Jon Savage trug. Wahrscheinlich um seine Drogensucht zu kaschieren, die längst augenscheinlich und offensichtlich war. In dem sehr persönlich geratenen Interview spricht er u. a. auch darüber und erklärt sie sich mit seinen Magenschmerzen. Aber ob es sich nur um eine Ausrede handelte oder wirklich der Wahrheit entsprach, könnte uns wohl höchstens Courtney Love, seine Partnerin in crime, verraten. Seine Heroinsucht war ohnehin ein Selbstmord auf Raten, der Schuss ins Gesicht die Barzahlung seiner unverhohlenen Absicht, der Welt ins Gesicht zu sch... . Kurt Cobain, der wohl reichste und berühmteste Musiker seiner Zeit, wollte wohl ein Statement setzen. Es bleibt jedem selbst überlassen, dieses zu interpretieren.
Smells like... Pharmakon!
Mit Fliegermütze, Ozelotmantel und Jackie O-Brille, mit Zigarette und Wasserflasche, allein und mit seinen Bandkollegen Krist Novoselić und Dave Grohl: so zeigen ihn die Bilder in vorliegendem Großformat, das auf hochwertigen Papier gedruckt wurde. "Mr G Style" Glenn O’Brien erinnert sich in seinem Essay an den Befreiungsschlag, den Nirvana für die Rockmusik der Neunziger bedeutete. Denn ihre radikale Haltung hatte andere Bands wie alte Machos und Patriarchen dastehen lassen. Nirvana war der Punk der Neunziger-Jahre, der sich gegen altetablierte Bands der Rockkultur zur Wehr setzte und neue (feministische) Standards in der Rockmusik festlegte. Aber auch für die heute weit verbreitete Schwulen- und Queerkultur bedeutete Nirvana einen Quantensprung, spielte ihr Sänger doch selbst mit Sujets der bis dahin vernachlässigten und unterdrückten Lebenskultur der Schwulen und Lesben. "So sehen unsere Heiligen eben aus", schreibt etwa Glenn O’Brien in Anspielung auf Cobains Heroin-Chic, "diese Märtyrer vom 27. Jahr". "Pharmakos" nannte man – passenderweise - in der antiken griechischen Kultur die Sündenböcke der Gesellschaft, weiß O’Brien. Jenen wurde ein "pharmakon" verabreicht, vor ihrer Opferung, auch etwa in Mexiko in der Kultur der Inkas. Die Tradition des Opferns unserer Jüngsten und Besten an einen (symbolischen) Drachen kennt man aber auch aus den mittelalterlichen Geschichten unserer Hemisphäre. Wer sich abseits der Gesellschaft selbst findet, muss gerade in dem Moment, wo er sich selbst findet, geopfert werden. Für eine bessere Zukunft der Gemeinschaft. "Seinen Ruf höre ich noch heute. In meinem Kopf. Hello, hello, hello".
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