Wie Tabak, Kaffee, Tee und Schokolade zur Selbstverständlichkeit wurden
Genussmittel wie Tabak, Kaffee, Tee oder Schokolade waren lange Zeit der Oberschicht vorbehalten. Heute gehören Sie zum Alltag von allen. Diese Entwicklung zeigt die Autorin auf. Eine sehr leserliche wissenschaftliche Arbeit.
Genuss im kulturellen WandelChanteh: die persönliche Kunst der Nomadinnen im Iran
Ein Buch über das Leben der Nomadinnen und die Kunst des Teppichknüpfens im Iran.
JayranHütten bauen
"Ich habe 18 Hütten gebaut, in die ich die Kinder einlade", sagt Peter Stamm über sein erstes Kinderbuch, das er zusammen mit der bekannten Kinderbuchautorin und Illustratorin Jutta Bauer gestaltet hat. Die beiden nehmen uns mit auf eine fantasievolle Reise von Wohnort zu Wohnort und lassen uns die verschiedensten sinnlichen und gedanklichen Abenteuer erleben. Warum wir vor der Stadt wohnen erfüllt zumindest vom ästhetischen Standpunkt aus die höchsten Ansprüche: Die tiefgründigen, bisweilen witzigen Zeichnungen, von liebevoller und künstlerisch begabter Hand gestaltet, laden zum Betrachten, Staunen und Schmunzeln ein. Eigentlich vermögen die Bilder sogar mehr zu erzählen als der Text, der daneben nicht nur optisch etwas einsam wirkt. Ob originelle Strichzeichnungen oder farbige Gemälde, man "liest" das Buch vor allem in den eindrücklichen Bildern! In diesem Sinne betrachtet man vielleicht weniger eine traditionell illustrierte Geschichte, als vielmehr ein mit Kurztexten ergänztes Bilderbuch. Die inhaltliche Idee mit den "18 Hütten" ist allerdings ganz nett. Da zieht eine muntere Familie mit Sack und Pack durch die halbe Welt und macht etwa auf dem Dach der Kirche, im Hut des Onkels oder auf dem Mond Station. Einige Orte und Erlebnisse sind wirklich verrückt, und die Vorstellung, was die Familie dort alles erlebt, macht Spass. Andere Wohnorte sind etwas konventioneller, und man ist nicht wirklich überrascht, wenn sich die Familie im Kino vor allem von Eis und Popcorn ernährt, oder wenn beim nächtlichen Aufenthalt im Schnee "alles still und weiss ist". Manchmal ärgert Stamms sprachliche Nonchalance den pädagogisch geschulten Leser; etwa dann, wenn er zu grosszügig mit Komma- oder Grammatikregeln umgeht oder wenn er sich in belanglosen Erzählungen verliert: "Der Grossvater verlor noch einmal drei Zähne" zum Beispiel, oder: "Die Mutter sah sich vierzig Mal den selben Film an". Der wirkliche Wert des Buches liegt wohl vor allem darin, dass es dazu anregt, eigene Fantasien zu entwickeln und immer neue Kapitel und Fortsetzungen zu erfinden. So könnte es unter anderem einen wertvollen Beitrag zum schulischen Sprachunterricht in seinen unzähligen Formen und Variationen leisten. Die einzelnen Geschichten lassen sich lesen, spielen, pantomimisch darstellen, erweitern, nacherzählen, verändern oder mit kleinen Requisiten oder selbst gebauten Bühnenbildern als Theaterstücke aufführen. Eingang in die Klassenbibliothek sollte es allemal finden, und mit seinem auffallend attraktiv gestalteten Einband wird es als attraktives Geschenk auch manchen Kindergeburtstag verschönern. Warum wir vor der Stadt wohnen gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Samuel Weiss.
Warum wir vor der Stadt wohnenIdentifizierung im Mittelalter
Valentin Groebner untersucht in diesem Buch die Anfänge der Identifizierung von Personen im Mittelalter und deren weitere Entwicklung im Verlauf der Frühen Neuzeit.
Der Schein der PersonHöfliche Paparazzi - ein Widerspruch in sich?
Höfliche Paparazzi - ein Widerspruch in sich? Nein, denn die Berichte des Internetprojekts hoeflichepaparazzi.de, von denen hier einige in Buchform vorliegen, wurden nicht von professionellen Treibjägern, sondern von ganz normalen, netten Bürgern verfass
Wie Franz Beckenbauer mir einmal viel zu nahe kamWeniger bekannte Rezepte aus Italien
Knapp an der Kitschgrenze bebildert, führt Scicolone in die italienische Küche und Lebensart ein, mit einem Schwerpunkt auf "urchigen" Rezepte.
Geniesser unterwegs - Italien100 Jahre Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund SIG
Am 27. November 1904 schlossen sich 13 jüdische Gemeinden zum Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund SIG zusammen. Aus Anlass seines hundertjährigen Bestehens ist eine Festschrift erschienen. In den Beiträgen wird zurück geblickt, werden aktuelle Fragen aufgegriffen und wird über Themen reflektiert, die das Judentum in der Schweiz betreffen. Schächtverbot in der Schweiz Der Anstoss zum Zusammenschluss der jüdischen Gemeinden war das Schächtverbot. Eine Volksinitiative zur verfassungsrechtlichen Verankerung des Schächtverbots, lanciert von den deutschschweizerischen Tierschutzvereinen, wurde 1891 angenommen und ist trotz verschiedener Anläufe zur Aufhebung heute noch in Kraft. Von einem Zusammenschluss versprachen sich die jüdischen Gemeinden ein stärkeres politisches Gewicht als Interessensgruppe. Nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen Die Zusammenarbeit der Schweizer Juden gestaltete sich oft schwierig. In den ersten Jahrzehnten traten vor allem die Gegensätze respektive Animositäten zwischen einheimischen und aus dem Osten zugewanderten Juden zu Tage. Ausserdem bestand nicht immer Einigkeit darüber, wie mit dem Erstarken des Antisemitismus nach dem Ersten Weltkrieg umgegangen werden sollte. Ist Zurückhaltung oder Aktionismus die bessere Reaktion? Konnte sich der SIG angesichts des weiteren Anschwellens des Antisemitismus in der Schweiz Anfang des Zweiten Weltkrieges zu Vorstössen auf politischer Ebene entscheiden, versandeten diese jeweils oder wurden gar klar von den Behörden abgelehnt. Es hatte sich in der Schweiz eine "diskrete Form des Antisemitismus" gebildet. Darüber hinaus bemühte sich der SIG, "die patriotische Gesinnung der Schweizer Juden und ihre Solidarität der offiziellen Schweiz gegenüber zum Ausdruck zu bringen", wie im einführenden Artikel festgehalten wird. Auch dieses Vorgehen war innerhalb des SIG umstritten. Zerreissproben gab es auch in jüngerer Zeit. Das Aufnahmegesuch der 1978 gegründeten Liberalen Gemeinde in Zürich führte zu Austrittsdrohungen orthodoxer Gemeinden und wurde schliesslich abgelehnt. Heute eine feste Institution Will man eine Bilanz ziehen, fällt als erstes auf, dass das Schächtverbot - das ursprünglich zu dem Zusammenschluss der jüdischen Gemeinden geführt hatte - heute noch besteht und wohl noch länger bestehen wird. Insofern kann nicht von einer Erfolgsgeschichte gesprochen werden. Auf der anderen Seite ist der SIG inzwischen eine feste Institution, die sich durchaus Gehör verschaffen kann. Was das Wirken gegen Antisemitismus, der offenkundig nach wie vor vorhanden ist, betrifft, kann gesagt werden, dass wenigstens die Gesetze mehr Reaktionsmittel zur Verfügung stellen (Antirassismusgesetz). Ein latentes Problem innerhalb der meisten jüdischen Gemeinden, die dem SIG angehören, ist die Überalterung. Demgegenüber erfreut sich die Jüdische Liberale Gemeinde Or Chadasch in Zürich einer guten altersmässigen Durchmischung. Eine Öffnung des SIG gegenüber liberalen Strömungen dürfte von daher in Zukunft ein Thema bleiben. Der vorliegende Jubiläumsband greift zurückliegende und aktuelle Themen, die das Judentum in der Schweiz betreffen, auf und bietet damit einen guten Überblick. Im Anhang werden die Jüdischen Gemeinden, Institutionen und Organisationen in der Schweiz aufgeführt. Ein Stichwortverzeichnis wäre für ein solch umfassendes Werk angebracht gewesen, soll es doch - wie es im Vorwort heisst - als Nachschlagewerk dienen. Die eingestreuten Bildteile mit Fotografien und Kunstwerken lockern die Festschrift wohltuend auf.
Jüdische Lebenswelt Schweiz - Vie et culture juives en SuisseÜber die Geschichte und Bedeutung des Blues
Der bekannte amerikanische Schriftsteller über die Geschichte und Bedeutung des Blues.
Blues PeopleRobert Walser: Wie sein Werk wiederentdeckt wurde
Die Geschichte der Wiederentdeckung des Werkes von Robert Walser.
Robert Walser - ein Aussenseiter wird zum KlassikerDas Verstehen
Emil Angehrn untersucht die drei wichtigsten philosophisch-literaturwissenschaftlichen Schulen, die sich mit dem Problem des Verstehens auseinandersetzen
Interpretation und DekonstruktionEs lebe der Nonsens!
Die Idee zum taktischen Wahnsinn kam René Schweizer 1972 in Cadaqués an der Costa Brava. Er wollte unbedingt den "Meistersurrealisten" Salvador Dalí treffen. Schweizer schickte Dalí eine Postkarte mit folgendem Inhalt: "Mon cher Dalí, j'ai l'honneur de vous informer de mon arrivée. René Schweizer." Das Ergebnis: Dalí lädt das Ehepaar Schweizer zu sich nach Hause ein. Dazu der Autor im Vorwort: "Für mich war das Erlebnis trotz falschem Ergebnis [Schweizer bat Dalí um Unterstützung für die Idee von ASS, seine Organisation zur Verblüffung des Erdballs] eine Quelle der Inspiration. Ein unverschämter Einfall, dachte ich, und einer der berühmtesten Künstler der Gegenwart macht sich auf die Socken." Bereits 1977 kam Schweizers groteske Korrespondenz erstmals in Buchform heraus. Bis 1993 erschienen drei weitere Bände. Der vorliegende Band versammelt nun die besten Briefwechsel der letzten 30 Jahre. Das erstaunliche ist, Schweizers absurde, bisweilen freche Anfragen an Bundesräte, Theaterdirektoren, Staatsanwälte, Firmenbosse, Pfarrer oder einfache Beamte landen nicht in den Papierkörben der Büros, sondern werden meist beantwortet. Schweizers Frage an das Theologische Seminar St. Chrischona, "Am Anfang war das Wort, heisst es. Was ist dann ein Vor-Wort?", wird ebenso (übrigens recht interessant) beantwortet, wie der Brief an den Basler Regierungsrat Arnold Schneider, in dem Schweizer schreibt: "ich habe in Künstlerkreisen gehört, Sie seien ein Idiot. Ist das wahr?". Schneiders Antwort ist recht "unkonventionell", wie Schweizer dann in seinem nächsten Brief bemerkt. Schweizers Briefe scheinen für einige ein willkommener Anlass zu sein, aus dem biederen Büro-Alltag auszubrechen. Die Antworten fallen oft ausführlich und nicht minder witzig aus und es sind ab und zu rege Briefwechsel entstanden, die sich über einige Wochen hinziehen. Schweizers Bücher waren stets schnell vergriffen und Nachahmer gibt es viele. Das spricht für die Idee, etwas Nonsens zu verbreiten.
Ein SchweizerbuchDie Alpen - Eine Kulturlandschaft
Werner Bätzing, Professor für Kulturgeographie an der Universität Erlangen-Nürnberg, hat sich mit diesem Buch wahrhaft interdisziplinär mit dem Kulturraum Alpen befasst. Einleitend macht er auf einen wichtigen Aspekt aufmerksam, der meist vernachlässigt wird: das spezifische Bild, das man - unbewusst - im Kopf hat, wenn man mit Hinblick auf Ökologie, Tourismus, Landwirtschaft oder Politik von den Alpen spricht. Der Autor weist dabei drei historische Alpenbilder nach, die typisch sind für die Naturwahrnehmung der jeweiligen Epochen: als Erstes die schrecklichen, gefährlichen Alpen, die "montes horribiles" der Römer; diese Wahrnehmung der Natur als bedrohlich wird lange aufrecht erhalten. Ab dem Mittelalter entsteht eine neue Sicht, die sich mit Aufklärung, Herausbildung der modernen Naturwissenschaften und schließlich Industrieller Revolution am Ende durchsetzt: die ästhetische Naturwahrnehmung, die schönen, idyllischen Alpen mit ihren scharfen Kontrasten zwischen lieblicher Kulturlandschaft und schroffen Bergen. Im 20. Jahrhundert wandeln sich die Alpen zur Freizeitarena, zur imposanten Kulisse für Bergsteiger und Skifahrer. Heute dominiert nicht mehr ein Alpenbild, sondern jede einzelne der zahlreichen unterschiedlichen Aktivsportarten hat ihre eigene Wahrnehmung der Alpen, und zwar als ideales Sportgerät. Viele Umweltschützer dagegen erheben das romantische Alpenbild des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts - die Alpen als Idylle - zur Norm und aktualisieren das antike Bild der schrecklichen Berge neu, jetzt allerdings, um die Gefahren der Umweltzerstörung auszumalen. Ihr Ideal spiegelt aber nicht die Realität, sondern ist ein Alpenzerrbild, "das alle wirtschaftlichen Aktivitäten in den Alpen ausblendet und verdrängt" (S. 18). Folgenreich ist, dass sprunghafte Naturprozesse, also Bergstürze, Muren, Hochwasser, Lawinen oder Stürme, die man gemeinhin als Naturkatastrophen bezeichnet, aus geographischer Sicht geradezu typisches Charakteristikum des Naturraums Alpen sind. Diese Dynamik ist die zentrale Eigenschaft junger Hochgebirge wie den Alpen und direkt verantwortlich für viele typische Hochgebirgsformen und charakteristische Vegetationsentwicklungen. Denn: "Auf Grund labiler Gesteinsschichtungen, steilem Relief, hohen Niederschlägen, kurzer Vegetationszeit und ausgeprägten Temperaturextremen laufen viele Naturprozesse in Form einer sprunghaften Dynamik [...] ab." (S. 42) Die Alpen wären ohne solche "Katastrophen" nicht die Alpen. Der Sachverhalt fordert allerdings besondere Sorgfalt bei Eingriffen in die Natur. Die Alpen sind in ihrer gegenwärtigen Erscheinung keine Natur-, sondern eine Kulturlandschaft, so beispielsweise die Almen. Die Waldobergrenze entspricht fast in den gesamten Alpen nicht mehr der natürlichen Baumgrenze; sie wurde vom Menschen um ca. 300 Höhenmeter nach unten gedrückt, um die wirtschaftlich wichtigen Almen zu vergrößern. Da aber diese wirtschaftliche Bedingtheit der Kulturlandschaft Alpen auch von engagierten Umweltschützern oft nicht gesehen wird, erhalten "viele richtige Kritikpunkte [...] eine falsche Stoßrichtung" (S. 18). So wiederlegt Bätzing die verbreitete Ansicht, Subsistenzwirtschaft sei natürlicher als die spezialisierte Landwirtschaft mit Produktion für den Markt, extensive Nutzungsformen seien verträglicher für die Natur als intensive, eine Ausweitung der Nutzung gehe automatisch mit einer zunehmenden Umweltzerstörung einher. Die entscheidende Frage ist, wie der Mensch die Alpen nutzt. Ein Schlüsselbegriff ist dabei die "Reproduktion", also Reparatur- und Pflegearbeiten, die zur Stabilisierung jeglicher Kulturlandschaft geleistet werden müssen. Gerade die Natur eines Hochgebirges verlangt dem Nutzer ein großes Maß an Ausgleichs- und Schutzmaßnahmen ab wegen der erwähnten Sprunghaftigkeit. Es gibt also keine an die Natur angepasste oder ihr gemäße Nutzung, sondern jede Nutzung bedeutet einen Eingriff in die Natur und erfordert einen gewissen Aufwand an Stabilisierungsarbeit, um ihre eigenen Ressourcen nicht zu zerstören. Sehr eindrücklich schildert der Autor die verschiedenen Maßnahmen und Regelungen, welche die alpinen Agrargesellschaften trafen, um ihre eigene Subsitenzgrundlage zu erhalten, und die letztlich erst die von uns heute als "Alpennatur" so hoch geschätzte, abwechslungsreiche und teils liebliche, kleinräumige und artenreiche Kulturlandschaft hervorbrachte. Mit dem Niedergang der Landwirtschaft werden vormals genutzte Flächen aufgegeben. Überlässt man diese Flächen nun sich selbst, stellt sich nicht automatisch und schnell "Wildnis" oder gar der frühere Naturzustand wieder her. Je nach Lage können nach Schätzung des Autors die Sukzessionsprozesse Jahrhunderte dauern, bis wieder ein stabiles Ökosystem entstanden ist. Lässt man auf diesen vom Menschen gestalteten Arealen eine ungestörte Naturentwicklung zu, entsteht nach einer vorübergehenden Zunahme der Artenvielfalt für lange Zeit eine sehr artenarme Ersatzgesellschaft, die zugleich ökologisch labil ist. Da einerseits Intensivierung der Landwirtschaft in günstigen Lagen, andererseits Extensivierung oder Aufgabe unrentabler Flächen inzwischen weit vorangeschritten sind, ist eine flächenhafte Labilisierung der Landschaft festzustellen. Nach Ansicht des Autors ist daher eine "Zunahme von menschlich verursachten Naturkatastrophen in den Alpen" unvermeidlich (S. 248). Durch die veränderte bzw. eingestellte Nutzung der Alpenlandschaft ist ihr Ökosystem gegenüber der Vergangenheit deutlich instabiler geworden. Die globale Klimaveränderung kommt hinzu; und so zieht Bätzing das beunruhigende Fazit, "dass die ökologische Stabilität der Alpen in Zukunft nicht mehr gesichert ist." (S. 252). Der besondere Artenreichtum der Kulturlandschaft Alpen wurde vom Menschen im Laufe von Jahrhunderten geschaffen, kann aber bei Verbrachung innerhalb von 5 bis 20 Jahren verloren gehen. Und hier liegt der eigentliche Verlust. Der Autor gelangt zu der deprimierenden Gesamtbilanz: "Die Alpen verschwinden" (S. 314). Nicht in dem Sinn, dass das Gebirge verschwände, aber die Alpengebiete verlieren ihren Charakter als eigenständiger Wirtschafts- und Lebensraum. Die Alpenrandregionen und großen Haupttäler werden "vervorstädtert", die unzugänglichen Gebiete entsiedelt, die bäuerliche Kulturlandschaft verbuscht, die zuvor kleinräumige und vielfältige Landschaft wird eintönig und abweisend, ihre Biodiversität nimmt ab. Natürlich schlägt Bätzing auch Lösungswege vor, sie sind in diesem Buch allerdings nicht detailliert ausgearbeitet. Die wichtigste Botschaft ist hier: Die Alpen brauchen eine gesunde ökonomische Grundlage, die aber keine Monostruktur sein darf. Und: Verschiedenen Alpenregionen der Staaten Österreich, Deutschland, Schweiz, Liechtenstein, Frankreich, Italien, Monaco und Slowenien müssen ihre Interessen in Europa gemeinsam vertreten und untereinander kooperieren, am besten im Rahmen der Alpenkonvention, anstatt sich auf die nächste außeralpine Metropole auszurichten. Beispiel für eine derartige Fehlentscheidung sind die Schweizer Kantone Graubünden und Glarus, die beschlossen haben, enger mit der Stadt Zürich zusammenzuarbeiten, anstatt miteinander und den übrigen angrenzenden Alpenregionen. Dies wird nur die beklagte Vervorstädterung beschleunigen. Alpenorte und -täler sollten nicht untereinander konkurrieren, sondern sich über ein gemeinsames Konzept einigen. Bätzing nennt als Beispiel den Ausbau der Transitstrecken durch die Alpen. "Die Konkurrenz zwischen Tirol (forcierter Autobahnbau) und der Schweiz (Bevorzugung der Schiene) sorgte dafür, dass die sinnvolle und vernünftige Schweizer Transitverkehrspolitik immer mehr zum inselhaften Phänomen wurde", anstatt dass man sich gemeinsam in Europa stark gemacht hätte (S. 341). Heute beklagen ja gerade die Tiroler die verfehlte Politik der Vergangenheit, sehen aber nicht, dass man das Verkehrsdesaster selbst verursacht hat. Das Buch von Werner Bätzing beleuchtet die Alpen aus den unterschiedlichsten Richtungen und ermöglicht so einer breiteren Öffentlichkeit, das Gebirge als das wahrzunehmen, was es ist: eine Kulturlandschaft, die als Hochgebirge zwar nicht in weltweiten Dimensionen, aber innerhalb Europas einmalig ist. Bätzing vermittelt so vielfältige Einsichten und Ansichten der Alpen, dass es unmöglich ist, in einer Rezension auch nur annähernd auf alle wichtigen Aspekte einzugehen. Man kann das Werk nur allen Liebhabern dieses Gebirges wärmstens ans Herz legen. Sowohl Menschen, die sich für die Umwelt engagieren, als auch Politiker können hier Denkanstöße finden. Aber auch der Tourist wird Aspekte entdecken, die ihm ein tieferes Verständnis der bereisten Region vermitteln, als das konventionelle Reiseführer vermögen.
Die AlpenÜber Vorurteile
Eines stellt Sir Peter Ustinov gleich zu Beginn klar: Ein Freund von Georg W. Bush und seiner Machtpolitik ist er nicht. "Ich frage mich, wie schläft eigentlich ein Georg W. Bush? Wie schläft ein solcher Mann bei dem Gedanken, dass diese Kinder [Kinder, die bei den Bombardements auf Bagdad umkamen] ohne seine Befehle noch leben würden. Schreckt er auf, quälen ihn Albträume? Oder ist sein christliches Gewissen derart Show, dass er diese Gedanken gar nicht kennt? Ich vermute es." (s. 18f). Auch wenn Ustinov in seinen zahlreichen Geschichten immer wieder zu einem Seitenhieb gegen Bush ausholt, hat er auch Heitereres zu bieten. Heiter ist dabei weniger das Thema, als viel mehr Ustinovs Art darüber zu schreiben. Er stellt nicht den Anspruch, möglichst differenziert die Rolle des Vorurteils in der Gesellschaft zu analysieren. Hierfür existieren bereits an drei europäischen Universitäten Stiftungslehrstühle (Durham, Budapest und Wien), die dank der Initiative von Ustinov geschaffen wurden. In seinem vorliegenden Werk lässt er seinen Gedanken freien Lauf. Den Zwiespalt, den das Thema Vorurteile birgt, bringt Ustinov gleich selber auf den Punkt: "Über kleine Gaunereien und Kavaliersdelikte, die auf das Konto des Vorurteils gehen, amüsiere ich mich. Über die Kapitalverbrechen, die es anrichtet, schreibe ich in einem anderen Ton. Diesen Perspektivenwechsel, der nicht nur einer in meinem Kopf, sondern auch in meinem Gemüt ist, möchte ich von Anfang an markieren: Das grösste Verbrechen des Vorurteils ist Auschwitz." (s. 22). Hierin findet sich auch die Antwort auf die Frage, weshalb Ustinov erstmals auf Deutsch schreibt. So erzählt Ustinov - mit Witz, wo immer angebracht - von Begegnungen mit Prominenten wie Michail Gorbatschow, Charlie Chaplin, Georges Simenon, Indira Gandhi oder Jimmy Carter, macht sich seine Gedanken über des Deutschen Humorlosigkeit, des Japaners Höflichkeit und des Schweizers Langsamkeit und fragt sich, ob Reisen tatsächlich bildet, was Segeln und Religionen gemein haben und wie man ein Kamel durchs Nadelöhr bringt. Dies und anderes greift Ustinov in den gut 100 Anekdoten, Geschichten und Essays auf. Dann und wann flechtet er das eigentliche Thema vielleicht etwas gar gewollt ein, doch das verzeihen wir ihm gerne, denn Langeweile kommt bestimmt nicht auf.
Achtung! VorurteileDramatikerinnen des 20. Jahrhunderts
Eine leider nicht gelungene Rundschau deutschsprachiger Dramatikerinnen.
Was für ein Schauspiel!Einladung zu einem Fest
Wer sich die rund 450 Seiten zu Gemüte führt, darf selbst in der sinnlichen Atmosphäre schwelgen, die sich auf der Reise durch zweitausend Jahre Christentum entfaltet.
Die Urkraft des Heiligen