Literarische Finanzkrisensoap
Die Finanzkrise hält Einzug in die Literatur. Unter dem Motto "eine Bank, ein Leben ist schnell ruiniert", tut sie dies zwar auf unterhaltsame Art und Weise, doch aber literarisch gesehen auf eher tiefem Niveau. Zu einfach und zu konstruiert sind die Geschichten der drei stereotypen Menschen, die in eine gegenseitige Abhängigkeit geraten. Da ist der erfolgreiche und auf Karriere bedachte Banker Jasper Lüdemann, der in einer grossen Investmentbank in Chicago auf bestem Weg nach oben ist. Gleichzeitig kämpft sich der in die Jahre geratene Erfolgsautor Henry La Merck mit seinem gross angekündigten Jahrhundertroman ab, findet dank eines Zeitungsbildes des Jasper Lüdemann endlich Inspiration und verliebt sich - einfach so, ohne Jasper jemals gesehen zu haben - in diesen. Dieser wiederum verliebt sich - ebenfalls auf den ersten Blick - in die Dritte im Bunde, Meike Urbanski, deutsche Übersetzerin der Werke von Henry La Merck, welche verzweifelt nach Chicago reist, um dort den Autoren um die Vollendung des Romans zu bitten.
Der 1976 in Hamburg geborene Autor Kristof Magnusson hat mit seinem Debütroman "Zuhause" (2005) auf sich aufmerksam gemacht. Da werden isländische Sagen mit Popkultur vermischt, der halbwegs deprimierte Larus schreibt an die Gesellschaft der Liebeskranken adressierte Briefe - durchaus originell und vielschichtig. Gleichermassen stimmig ist bei Magnussons Zweitwerk in erster Linie der Titel. "Das war ich nicht" passt sowohl äusserst gut zur Handlung des Buches als auch zum Wesen der Finanzkrise - niemand, der sich schuldig fühlt, geschweige denn Verantwortung übernehmen will. Auch die Verschachtelung der drei Geschichten und die verschiedenen Perspektiven sind über weite Strecken gelungen und unterhaltsam.
Die Charaktere der drei Protagonisten ähneln sich stark, alle - zeitweise mit Ausnahme von Meike - sind darauf angelegt, möglichst unsympathisch zu wirken. Das überhebliche Getue von Henry la Merck nervt mit der Zeit gewaltig: "Meine Millionen, die mich immer dran erinnerten, wie viele Leute meine Romane gekauft hatten, waren weg. […] Nun kam diese Stadt mir zum ersten Mal fremd vor. Die Restaurants, Taxis, Geschäfte waren auf einmal keine Möglichkeiten mehr, die mir offen standen" - da hilft auch die Freundschaft mit Elton John (was der genau im Roman verloren hat, bleibt bis zum Schluss rätselhaft) nicht weiter. Ebenso "Business-Boy" Jasper Lüdemann, der während der Arbeit Unmengen von Snickers verzehrt und anhand dessen dem Laien das Funktionieren der Börse erklärt werden soll, erstaunt gleichzeitig durch Unsicherheit und Arroganz. Immerhin beeindruckend ist, dass es Jasper innert kürzester Frist gelingt, ohne dunkle Absichten ein ganzes Wirtschaftssystem zum Erliegen zu bringen: "Ich wollte das Beste für die Bank. Immer. Ehrlich." Sätze, die man in den letzten Monaten vermehrt zu Ohren bekommen hat. Natürlich - auch das kennen wir bestens - kommt Jasper mit einem blauen Auge davon, ebenso Henry, der nach seiner Deutschlandflucht - Happyend lässt grüssen - fürs Nichtstun mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet wird.
Neben aller Kritik - es gibt auch lustige Szenen. Beispielsweise wenn Meike vor ihren ehemaligen Pärchenfreunden und deren Vorlieben für neue Bürgerlichkeit und Bio-Produkte aufs Land flüchtet oder in ihre einstige Hamburger Wohnung einbricht. Wahrscheinlich hat sie gar nicht so Unrecht, wenn sie sagt: "Ich war die wichtigste Person in diesem Dreieck. Aber das mussten die anderen ja nicht unbedingt wissen. Ich bestellte zwei Flaschen Sekt."
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