"Sie brauchte Liebe. Der einzig echte Drogenersatz..."
Bernard Minier, 1960 in Frankreichs Südwesten geboren und in den Ausläufern der Pyrenäen aufgewachsen, ist der Autor des ungemein spannenden "Schwarzer Schmetterling". Nun liegt mit "Kindertotenlieder" sein zweiter Roman auf Deutsch vor, mit weitgehendst denselben Personen, die bereits seinen Erstling bevölkerten.
Kommissar Martin Servaz erhält einen Anruf von Marianne, seiner Liebe aus Studienzeiten, über die er nie hinweggekommen ist. Ihr Sohn Hugo steht unter Verdacht die 32jährige Professorin Claire Diemar von der Eliteschule Marsac, dem"Cambridge Südwestfrankreichs", bestialisch ermordet zu haben. Der Tatort wirkt denn auch gespenstisch, der Mord inszeniert mit der Absicht, Hinweise auf den Täter zu geben. Und Servaz denkt denn auch unverzüglich an den Serienmörder Hirtmann, den Minier-Leser bereits aus "Schwarzer Schmetterling" kennen und der in der Folge auch in "Kindertotenlieder" immer wieder in Erscheinung tritt, dessen Rolle sich jedoch als eine ganz andere erweist, als der Leser vermuten würde.
Hugo hat sich regelmässig mit Claire getroffen, um über seinen im Entstehen begriffenen Roman, von dem Professorin sehr angetan war, zu sprechen. Hugo kennt auch Margot, Servaz' Tochter, die dieselbe Schule besucht. Servaz selber hat auch die Schule in Marsac besucht, er wollte damals noch Schriftsteller werden.
Ich schildere das so detailliert, um aufzuzeigen, wie Minier Bezüge zwischen den Protagonisten herstellt und nichts dem Zufall überlässt. Ja, so recht eigentlich macht er damit klar, dass alles mit allem nicht nur folgerichtig, sondern zwingend zusammenhängt.
Als Hugo von Servaz befragt wird, erinnert er sich, dass er, als er aufwachte, Musik gehört hatte, klassische Musik, und das sei ungewöhnlich gewesen für Claire. Es waren die Kindertotenlieder von Mahler gewesen, einem Komponisten, dessen Musik sowohl Servaz wie auch Hirtmann sehr schätzte.
"Servaz fragte sich manchmal, weshalb er diese Symphonien so sehr liebte. Wahrscheinlich weil es geschlossenen Welten waren, in denen er aufgehen konnte, weil er darin der gleichen Gewalt, den gleichen Schreien, Schmerzen, Wirren, Auseinandersetzungen und düsteren Vorzeichen begegnete, die auch da draussen auf der Strasse existierten. Mahler zu hören, bedeutete einem Weg zu folgen, der aus der Dunkelheit ans Licht führte und umgekehrt, von grenzenloser Freude in Stürme, in denen der Kahn des menschlichen Daseins ins Wanken gerät und schliesslich kippt."
"Kindertotenlieder" ist ein ungemein fesselndes Buch mit ganz unterschiedlichen Handlungssträngen, die von ganz verschiedenen Akteuren, doch hauptsächlich von Servaz' eigenständigen Mitarbeitern geprägt sind.
Was ich unter anderem so sehr mag an diesem Autor: er weist mich immer auf höchst Interessantes hin, das meine Weltsicht erweitert, etwa dass die Bergarchitektur vom Anfang des 20. Jahrhunderts von steinernen Mauern geprägt war und eine Zeit war, "in der man für die Ewigkeit baute, an die Zukunft glaubte." Oder, dass Madame Bovary, Anna Karenina und Effi Briest von Frauen handeln, die Ehebruch begangen haben, und dass diese drei Meisterwerke von Männern geschrieben wurden. "Was beweist, dass der Satz von Hemingway, wonach man über das schreiben muss, was man kennt, ausgemachter Blödsinn ist."
Bernard Minier zu lesen, bedeutet für mich, in einen Spannungssog zu geraten, die Welt um mich herum zu vergessen, in viel Französisches (von Landschafts- zu Wetterschilderungen zu intellektuellen Dialogen) einzutauchen und immer mal wieder auf sehr Wahres zu treffen: "Sie brauchte Liebe. Der einzig echte Drogenersatz...".
Ein exzellenter Thriller, der auch eine bewegende Liebesgeschichte ist.

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