Menschen mit Macht
Gleich vorneweg: "Macht" von Katja Kraus ist ein beeindruckendes Buch: ungeheuer dicht, sehr gut geschrieben, höchst differenziert. Allerdings: Es ist zwar nicht notwendig, dass man mit Namen (und den dazugehörigen Geschichten) wie Thomas Hitzlsperger, Peter Kabel, Ron Sommer, Hartmut Mehdorn etc. vertraut ist, doch wen das Schicksal dieser Leute nicht sonderlich beschäftigt, wird das Interesse an der Lektüre wohl über kurz oder lang verlieren. Okay, ich spreche von mir. Und trotzdem will ich das Buch empfehlen.
Katja Kraus ist eine ganz wunderbar talentierte Schreiberin mit einem Händchen für Dramaturgie. Das zeigt sich schon auf der ersten Seite des Vorworts. Hier eine Kostprobe:
"Ich mochte dieses Leben. Ich mochte es, morgens in mein Büro zu kommen. Jeden Tag aufs Neue die bei einem Fussballclub üblichen, aufgewühlten Nachwirkungen des vergangenen Wochenendes zu spüren (...) Nun mag ich ein anderes Leben. Eines, das mich fordert und manchmal straucheln lässt. Das mir mehr Zeit gibt, aber weniger Sicherheit (...) Ich habe mit dem Einschnitt die Chance gehabt, die Leidenschaft für das Schreiben, für den Blick auf Menschen in mir zu wecken. Aufzurütteln vielmehr ...".
Es sind einfühlsame Porträts, die Katja Kraus in diesem Buch präsentiert. Und das hat auch mit Kraus' eigener Geschichte zu tun: sie kennt Erfolg und Misserfolg und die Mechanismen von deren Verarbeitung aus eigener Erfahrung.
Als den kleinsten gemeinsamen Nenner der Erfolgreichen bezeichnet sie "die Bereitschaft, für den Erfolg einen Preis zu zahlen, der über das natürliche Quantum dessen, was das Leben an jedem Tag an Handel verlangt, hinausgeht". Und woher kommt diese Bereitschaft? Katja Kraus gibt darauf keine eindeutige Antwort, sondern macht klar, dass diese ganz verschiedenartige und unterschiedliche Gründe hat. Meine (zugegeben: wenig reflektierte) Auffassung, erfolgreiche Menschen seien allesamt mit ganz grossen Egos ausgestattet, mithin so recht eigentlich nur rücksichtslose, anerkennungsbedürftige Süchtige, die ein psychisches Defizit kompensieren müssten, hat jedenfalls ein paar Dellen bekommen.
Nicht, dass Erfolg zu haben, kein Motiv wäre und in nicht wenigen Fällen auch drogengleiche Wirkung zu entfalten vermag, allerdings, so Kraus: "Keiner meiner Gesprächspartner erzählte mir von einem Karriereplan, der dem eigenen Weg als Motor oder Leitlinie diente." Das ist wenig überraschend, offenbart jedoch meines Erachtens den Schwachpunkt dieses klugen Buches: Die Autorin geht davon aus, dass ihre Gesprächspartner ihre eigenen Motive und Antriebe kennen. Und diese auch offen preisgeben. Angesichts neuerer sozialpsychologischer und neurobiologischer Studien (Freud wusste das übrigens schon vor hundert Jahren) darf jedoch mit Fug und Recht daran gezweifelt werden, dass der Mensch weiss beziehungsweise wissen kann, was ihn wirklich treibt.
Der Macht auf die Spur gekommen, ist Katja Kraus nicht. Das Buch habe ihr die Möglichkeit gegeben, den Fragen nachzugehen, die ihr am Herzen liegen, schreibt sie. "Und es gab mir die Chance, besondere Menschen zu treffen, um mit ihnen über ihre Erfolge und Brüche zu sprechen." Erfahren hat sie dabei auch, dass "die Reaktionen der Menschen nach einem Rücktritt, einem Scheitern, im persönlichen Kontakt viel freundlicher sind als die medialen Urteile."
"Macht" ist auch ein sehr persönliches Buch. Seine grosse Stärke liegt darin, dass Katja Kraus offen und ehrlich beschreibt, worin die Herausforderung besteht, wenn man einen neuen Lebensabschnitt in Angriff nimmt beziehungsweise nehmen muss: "Nicht dem Reflex nachzugeben, rasch auf vertrautes Terrain zurückzukehren. Das Gefühl zuzulassen, im reissenden Fluss zu schwimmen, die Baumstämme zu sehen, greifbar zu haben und doch vorbeitreiben zu lassen."
"Macht" ist ein Buch, das Mut aufs Leben macht.
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