Karl Marx, der Mensch
Zehn Wochen verbrachte Karl Marx im Frühjahr 1882 in Algier und ließ dabei mächtig Haare. Eine der 17 Abbildungen der vorliegenden Publikation zeigt den Dichter und Denker, wie er mutmaßlich nach einem Barbierbesuch in Algier ausgeschaut hat. Ein anderes zeigt ihn kurz davor: Er lächelt.
Marx auf Sommerfrische
Der Schriftsteller und Journalist Uwe Wittstock hat sich auf die Spuren des Gründervaters des Marxismus und Kommunismus begeben und versucht, ihn vor allen Dingen als Privatmenschen zu zeigen. Es wurden ihm sogar zwölf bislang unveröffentlichte Briefe seiner Töchter vom Russischen Staatsarchiv zur Verfügung gestellt. Vor allem stützt er sich aber auf Hinweise und Anregungen aus Marlene Vespers Buch "Marx in Algier" (1995) und natürlich viele andere Quellen. Nach Algier hatten Marx vor allem seine diversen Erkrankungen getrieben: Pleuritis, Bronchitis, Tuberkulose. Das mildere Klima sollte ihn genesen lassen, von seiner Rippenfellentzündung, aber vielleicht auch von seinem aufregenden Leben als Revolutionär, das Wittstock in Rückblicken nochmals Revue passieren lässt. Von seinem bürgerlichen (jüdischen) Elternhaus in Trier bis hin zu seinen Studentenjahren in Berlin reichen die Informationen der ersten Kapitel, in denen der Historiker, Philosoph und Ökonom noch düstere Gedichte schrieb und in Wirtshäusern hockte, statt zu studieren. Wittstock bezeichnet ihn an einer Stelle sogar als "verbummelten Studenten", der als Bürgerlicher der vier Jahre älteren Adeligen Jenny von Westphalen huldigte.
Mitte 50: Pauper
"Das sey Gott geklagt!!! Ordnungslosigkeit, dumpfes Herumwschweben in allen Theilen des Wissens, dumpfes Brüten bey der düsteren Oehllampe; Verwilderung im gelehrten Schlafrock und ungekämmter Haare statt der Verwilderung bey dem Bierglase; zurückscheuchende Ungeselligkeit und Hintansetzung alles Anstandes und selbst aller Rücksicht gegen den Vater", so klagt der Vater, nachzulesen in der Marx-Engels-Gesamtausgabe (kurz: MEGA). Schon als Student begann er sich übrigens zum Schnorrer zu entwickeln, machte Schulden, stellte Wechsel aus und bat Freunde um kleine Kredite, die er dann als Geschenke betrachtete. Was im Haushalt nicht niet- und nagelfest war, kam in die Pfandleihe. Das Rauchen zum nächtelangen Lesen musste finanziert werden! In der Mitte seines Lebens schreibt er wohl nicht ganz ohne Selbstironie: "In ein paar Tagen werde ich 50. (...) Ein halbes Jahrhundert auf dem Rücken und immer Pauper!"
Alles Brouillon!
Aber auch viel Humor soll er gehabt haben, der Student Marx. So ritt er mit einem Kommilitonen am Palmsonntag auf einem Esel in Godesberg ein. Der Kollege verlor seine Stelle, er seine Möglichkeit zur Habilitation. Von seinem Konkurrenten in der Arbeiterbewegung, Ferdinand Lassalle, schrieb er als "jüdischem Nigger Lassalle". Seinen Schwiegersohn Paul Lafargue nannte er "Negrillo" und "Abkömmling eines Gorillas", da dieser aus Kuba stammte. Antisemitismus und Rassismus sind selbstverständlich nicht als schlechter Humor abzutun, aber sie gehörten damals, Mitte des 19. Jahrhunderts, einfach zum Grundton der Gesellschaft. Selbst das Kommunistische Manifest lieferte der Schlendrian Marx zu spät ab und provozierte damit eine Klage. Aber wie schreibt Wittstock so schön: "Sein Engagement für eine humane, gerechte Gesellschaft war (eben, JW) intellektueller, nicht emotionaler Natur". Trotz seiner Armut in London hielt Karl Marx die bürgerliche Fassade aufrecht, beschäftigte ein Dienstmädchen, das er schwängerte und ging aus im Gehrock mit Monokel. Unterhaltsam ist auch seine Ausdrucksweise. So schreibt er etwa "Ich fühle mich broken down" als sein mit Jenny gemachter Sohn im Kindbett stirbt und er sieht, wie sehr seine Frau leidet. Oder zuvor: seine Frau habe leider ein Mädchen und keinen "garcon" entbunden, den er sich so sehr wünschte. Bei der nächsten Revolution habe er die "engine" in der Hand, schwor er 1867. Nur diese kam bedauerlicherweise nicht. Alles Brouillon (dt.: Entwurf)!, so Engels über die Hinterlassenschaft Marxens.

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