Die Junge Rechte in der SPD
Jede große Ideologie oder politische Strömung hat ihre linken und rechten Ausläufer. So auch die Sozialdemokratie. Stefan Vogt hat sich in seiner Dissertation nun eingehend und erstmals umfassend mit der Rolle der sozialdemokratischen Jungen Rechten auseinandergesetzt. Diese Junge Rechte, deren Mitglieder zumeist um 1890 geboren wurden, verstand sich als Erneuerer der Sozialdemokratie und positionierte sich gegen die linke innerparteiliche Opposition.
Im ersten Kapitel untersucht Vogt die geistigen Wurzeln der erst in den 1920er Jahren in Erscheinung tretenden Organisation. Er kann überzeugend herausarbeiten, dass die Wurzeln deutlich vor 1914 zu finden sind, "in der sich im Zeichen des Revisionismus und der nationalen Integration der Arbeiterschaft die sozialistische Ideologie und Politik grundlegend veränderte" (S.12). Stefan Vogt fragt in den darauf folgenden Kapiteln wie eine offensichtlich widersprüchliche Position wie die der Jungen Rechten "ideologiegeschichtlich entstehen konnte" (S. 14) gab es doch einerseits eine ideologische Affinität zum Nationalsozialismus, andererseits wurde dieser mit allen Mitteln bekämpft. Nationaler Sozialismus als spezifische Form des Nationalismus verstehend, dient dieser als Leitbegriff "für die Analyse der Jungen Rechten" (S. 22), da er sowohl die Verortung in der sozialdemokratischen Theoriegeschichte erlaubt, als auch in der ideologischen Kontinuitätslinie "aus dem im 20. Jahrhundert der Faschismus erwuchs".
Nachdem im ersten Kapitel die ideologischen und organisatorischen Wurzeln der Jungen Rechten analysiert wurden, wendet sich Vogt der organisatorischen Entwicklung der Bewegung in der Weimarer Republik zu. Die verschiedenen Konjunkturen dieser Jahre spiegeln sich auch in der Entwicklung der Organisation der Jungen Rechten deutlich wider. In der krisenhaften Anfangsphase "mit dem Ruhrkonflikt als Höhepunkt" bildeten sich die ersten ideologischen "Blüten" der Jungen Rechten aus und mit der Konstituierung des Hofgeismarkreises konnte die "erste feste organisatorische Form der Jungen Rechten" gedeihen (S. 154). Es war wiederum eine große Krise der Weimarer Republik, die die Junge Rechte voranbrachte. Während der sog. Goldenen Jahre stagnierte die organisatorische Ausformung, wenngleich der Mitgliederzuwachs anhielt. Erst in der Weltwirtschaftkrise kam es zu neuen auch organisatorischen Gestaltungen. Stefan Vogt hat nachvollziehbar beweisen können, dass "die Junge Rechte ... innerhalb der Sozialdemokratie bereits in der Mittelphase der Weimarer Republik" als eigenständige Strömung anzuerkennen sei.
Im nächsten Kapitel beleuchtet Vogt die ideologischen Leitmotive der Jungen Rechten. Auf der ideologischen Ebene gibt es gewichtige Gründe, diese Strömung als Teil der Konservativen Revolution zu verstehen. Allerdings lassen sich auch gewichtige Gegenargumente finden. Wo lagen also die Unterschiede zur, keinesfalls homogenen, Konservativen Revolution? Die Junge Rechte der SPD war zu keinem Zeitpunkt bereit "die Demokratie ganz preiszugeben" (S. 256). Zudem bestand Sie "auf der führenden Rolle der Arbeiterschaft und damit der Sozialdemokratie bei einer sozialen und nationalen Revolution" (S. 256). Da sich die meisten Mitglieder der Jungen Rechten aktiv in der Sozialdemokratie und somit in der praktischen Politik engagierten, schreckten Sie vor den ideologischen Konsequenzen zurück. Viele radikale Rechte setzten ihre ideologischen Gedanken bedenkenlos in die Tat um. Diese Verankerung in der Politik ist der entscheidende Unterschied zwischen den Jungen Rechten und der Konservativen Revolution (S. 257).
Nachdem nun auf die organisatorischen und ideologischen Grundlagen der Jungen Rechte eingegangen wurde, beleuchtet der Autor im nächsten Kapitel die inhaltliche Auseinandersetzung der Jungen Rechten mit der Politik der Weimarer Republik. Es wird ersichtlich, dass der "Immobilismus der Jungen Rechten" diese selbst blockierte. (S. 354). Das Beispiel der Wirtschaftspolitik verdeutlicht dies: Frühere Grundsätze wie der Schutz des Einzelnen vor der "ökonomischen Herrschaft" wurden durch die Propagierung des Freiwilligen Arbeitsdienstes zur Überwindung der Wirtschaftskrise preisgegeben.
Einen besonderen Stellenwert nahm die Diskussion um den Faschismus ein. Die Junge Rechte gehörte zu den Ersten, "die vor der tödlichen Gefahr des Nationalsozialismus warnten" (S. 355). Dennoch kam es zur sympathisierenden Haltung "gegenüber den ideologischen Motiven des nationalsozialistischen Massenanhangs" (S. 355).
Im letzten Kapitel über den Widerstand gegen den Nationalsozialismus wird der ideologische Immobilismus wiederum deutlich. In den Konzeptionen der Jungen Rechten für ein Nachkriegsdeutschland bzw. für ein "anderes Deutschland" finden sich nur wenige Stellen, die "demokratischen und emanzipatorischen Ansprüchen" genügten (S. 454). Mit dem Kriegsende 1945 endet auch die Geschichte der Jungen Rechten, die in den politischen Kontext der Weimarer Republik zu verorten ist und für deren Vorstellungen in der SPD der Nachkriegszeit kein Platz mehr war.
Stefan Vogt hat auf anschauliche und anspruchsvolle Weise die Entwicklung dieser interessanten Strömung der SPD analysiert. Der sachthematischen Ansatz anstatt einer chronologischen "Nacherzählung" ist ebenfalls zu begrüßen. Innerhalb der langen Geschichte der Sozialdemokratie ist dieses Werk ein wertvoller Mosaikstein.
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