Josephine Baker
"Ich war nicht wirklich nackt. Ich hatte nur keine Kleider an", meinte die Amerikanerin, die als Französin starb, einmal kokett in einem Interview. Und obwohl sie viel mehr war als nur eine Vaudeville-Tänzerin ging sie gerade durch ihren Bananenrock in die Geschichte ein. Denn wenn es im Untertitel der vorliegenden Publikation "Weltstar – Freiheitskämpferin – Ikone" heißt, ist selbst das noch zu kurz gegriffen. Joséphine Baker war noch weit mehr als das: Sängerin, Schauspielerin, Darstellerin, Tänzerin, ja, aber auch aktive Widerstandskämpferin gegen Faschismus und Rassismus und auch Vorreiterin alternativer Familienformen, also das, was man heute Patchwork nennt.
La Revue Nègre
Mit afroamerikanischen und sogar indianischen Wurzeln in ärmlichsten Verhältnissen in eine furchtbare Zeit geboren, schaffte es Thumpie (so Freda Josephine McDonalds Spitzname) vom rassensegregierten St. Louis bis auf die besten Bühnen von Paris und der Welt. Schon mit acht (!) Jahren musste sie für ihre Familie ihr erstes Geld verdienen und mit 15 war sie schon das zweite Mal verheiratet. Von William Howard Baker stammte auch ihr Nachname, den sie zeitlebens behielt, obwohl noch viele weitere Ehen folgten. Alle übrigens kinderlos, dafür adoptierte sie später, als sie Geld wie Heu hatte, gleich elf Kinder. Mit den Dixie Steppers ging sie erstmals auf Tournee, was sich u. a. auch deshalb schwierig gestaltete, weil Hotels der Zwanziger Jahre keine Farbigen aufnahmen. Aber nicht nur dort hieß es bis in die Sechziger Jahre hinein sehr oft "whites only". Selbst im progressiven New York, wo das Bühnenstück "Shuffle Along" 1921 alle Rekorde brach. Es war die erste Show, in der Schwarze auch für Weiße auftraten, denn zuvor gab es nur Minstrel-Shows (Weiße mit schwarzer Gesichtsfarbe) für Weiße. Aufgrund der rassistischen Grenzen, die ihr die USA setzen, geht Baker 1925 nach Paris, wo sie als das "bestbezahlte Revuegirl aller Zeiten" weiter für Furore sorgt. Als Zeitgenossin von Eric Satie, Jean Cocteau, Paul Guillaume, Pablo Picasso und Henri Matisse, die ebenfalls "Negerkunst" propagieren schafft sie es ganz nach oben.
Paris – La Bakaire oder La Sirène des Tropiques
"Als die Freiheitsstatue am Horizont verschwand, wusste ich, nun bin ich frei", kommentierte sie damals ihre Situation, die sie anders als andere Einwanderer vom Westen nach Osten, ins gute alte Europa brachte, in dem zumindest Paris weniger rassistisch war als die USA. Denn schon in Berlin eckt sie wieder an, da in den Zwanzigern schon die sogenannten Braunhemden für antisemitischen und rassistischen Terror sorgten. Josephine ist erst 19 Jahre alt, als sie beinahe ganz Europa in ihren Bann gezogen hat. Mit ihr reist stets ein Zoo aus Kleintieren: Schlangen, Sittiche, Papageien, Affen, Hunde, Kaninchen, Meerschweinchen, Katzen und später der Leopard Chiquita oder das Schwein Albert und die Ziege Toutoute, so die Autorin. 1927, also mit 21 (!) erscheint bereits eine erste Autobiographie von ihr. Auch ein Techtelmechtel mit dem österreichischen Architekten Adolf Loos wird ihr nachgesagt, wie ein Exkurs im Buch belehrt: Er soll sogar ein Haus für sie entworfen haben, das allerdings nie realisiert wurde. Le Corbusier wiederum verkleidete sich für sie als "Negerpirat" und sah in ihr die Verkörperung einer neuen Musik. Als erste schwarze Schausielerin in einem Tonfilm verkörperte sie an der Seite von Jean Gabin ZouZou, ein Film der zum Kassenschlager wurde. Der Kult um ZouZou wird so groß, dass eine eigene Produktlinie gleichen Namens entworfen wird und Joséphine zur reichsten afroamerikanischen Frau der Welt wird. Auch als Markenbotschafterin verdiente sich die Bakaire also ihre Sporen und kann zweifellos als eine der einflußreichsten Frauen des 20. Jahrhunderts bezeichnet werden.
Die vorliegende Biografie ist reich bebildert und zeigt Joséphine in vielen Posen, aber auch wie sie ohne Schminke aussah. Eine Geschichte über eine Frau, die nicht nur sich, sondern eine ganze Generation befreite: vom Sexismus, Rassismus, Faschismus und den engen Fesseln der Familienbande. Auch wenn sie dabei vielleicht wenig privates Glück fand, hat sie es doch vielen Menschen dadurch erst ermöglicht: Josephine Baker, ein Weltstar, eine Freiheitskämpferin, eine Ikone.
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