Lichtspur der Kunst – Lichtspur des Glaubens
Zwischen Kunst und Glaube besteht eine lebendige Beziehung und eine lange Geschichte. Besonders St. Mariä Himmelfahrt, der Hohe Dom zu Hildesheim, erzählt auf stille Weise davon, durch die Gestaltung der Kirche selbst wie auch durch zahlreiche Kunstgegenstände aus dem mitten im Dom beheimateten Diözesanmuseum. Zu den besten Kennern der Domkirche gehört Heinz-Günter Bongartz, Weihbischof der Diözese und amtierender Domdechant. Er schreibt anschaulich, mit Herzblut und Leidenschaft, über Kunst, Vernunft und Glaube und spricht über das apostolische Glaubensbekenntnis anhand von ausgewählten Beispielen aus der Schatzkammer des Domes. Besonders anrührend und berührend an diesem schmalen Band sind auch die persönlichen Notizen von Bongartz, der von seinem eigenen Leben im Glauben bodenständig, nuanciert und glaubwürdig Zeugnis gibt.
Zu Beginn seines Buches erzählt Heinz-Günter Bongartz vom heiligen Godehard, dem ersten Bistumsheiligen, dem die "Erneuerung der Kirche" am Herzen lag. Zugleich wusste Godehard, der Benediktinermönch, der 1022 zum Bischof von Hildesheim geweiht wurde, dass diese Erneuerung nicht mit weltlichen Strukturreformen eng verwebt ist, sondern eine "Verwurzelung im Evangelium" besitzt: "Gleichzeitig gibt es keine Reform der Kirche ohne Gebet." Mit einfachen, klaren Worten schreibt Bongartz: "Godehard ist überzeugt, dass Gott lebt, dass Gott liebt, dass Gott sich zeigt, dass Gott wirkt, dass Gott bleibt, dass Gott das Leben trägt und lenkt, dass Gott Zusage und Heil ist." Von dieser Unmittelbarkeit und Glaubensfestigkeit erfüllt, sieht der Leser auch den Verfasser dieses Buches, der unverstellt seine Sympathie für den Heiligen bekundet und zugleich davon berichtet, wie der "Indikativ des Glaubens" künstlerisch umgesetzt wurde.
So stellt Bongartz den Himmelsglobus von Willem Janszoon Blaeu von 1603 vor und stellt Fragen, die Gläubige, Suchende und Ungläubige heute bewegen: Können wir von Gottes Allmacht sprechen – und nicht zugleich an die Kriege dieser Zeit denken, an die Bedrohung der Schöpfung und an den Klimawandel? Der Autor fragt: "Hat Gott uns eine unvollkommene Erde überlassen?" Diese Gedanken und Worte lesend, erinnerte ich mich an meine eigene Zeit als Student und Dozent der Philosophie und Theologie, an Fragen, von denen Studenten behelligt waren, die einfach im Raum standen und die nicht mit einer einfachen Antwort beschieden werden sollten. Bongartz widmet sich aufmerksam Fragen wie diesen, die er ernst nimmt und denen er nachgeht, die ihm selbst auch nachgehen.
Die Natur sei das "Lebenshaus des Menschen", das er liebevoll hegen, pflegen und schützen soll. Das ist keine abstrakte politische Forderung, kein moralischer Appell, kein plakatives oder plattes, anbiedernd zeitgeistliches Wort zum Sonntag – ganz im Gegenteil.
Gläubige Menschen würden "bewusst oder unbewusst" daran erinnert, "dass wir Verantwortung für eine Welt haben, die Gott gehört und nicht uns". Bongartz denkt mit dem Glaubensbekenntnis den Glauben an die Allmacht Gottes vom Ende her, aus der Perspektive der Hoffnung auf Vollendung: "Gott selbst wird vollenden, was er vor Urzeiten begonnen hat." Die Schöpfung ist dem Menschen anvertraut. Die Natur sei das "Lebenshaus des Menschen", das er liebevoll hegen, pflegen und schützen soll. Das ist keine abstrakte politische Forderung, kein moralischer Appell, kein plakatives oder plattes, anbiedernd zeitgeistliches Wort zum Sonntag – ganz im Gegenteil. Der Weihbischof erzählt aus seinem Leben: "Meine Eltern hatten einen großen Garten. Sie waren auf die Früchte der Erde durch das Jahr angewiesen. Und wir hatten Tiere: Hühner, Tauben, Fasane und eine Zeit lang Kaninchen. Ich musste mich um die Tiere kümmern. So zog ich mit der Schubkarre und der Sense jeden Abend los, um Grün an den Rändern der Wiesen zu holen, damit die Tiere frisches Futter bekamen. Noch wichtiger war meinem Vater allerdings, dass die Ställe jede Woche gesäubert wurden. Wehe, ich hatte das mal vergessen. So habe ich gelernt: die Tiere waren für meine Eltern keine Gegenstände. Sie gehörten zur Schöpfung Gottes und hatten deshalb ein Recht darauf, anständig und wohlwollend gepflegt zu werden."Heinz-Günter Bongartz stellt den sog. Fiesole-Altar vor, etwa 1410 in Florenz entstanden, der der Schule Fra Angelicos zugeordnet wird. Gezeigt wird der Engel Gabriel, der sich der Muttergottes zuwendet: "Das Bild ist geprägt von einer unglaublichen Sensibilität, Zärtlichkeit, Ruhe und Andacht. Der Engel und Maria stehen sich gegenüber. Und doch gibt es zwischen ihnen ein tiefes Miteinander. Hier geschieht schweigende Kommunikation." Ein schöner Gedanke, eine noch viel schönere Wirklichkeit: eine Kommunikation, die keiner Worte bedarf.
Wer vor der Schönheit der Kunst steht und diese anschaut, sich von den Werken großer Meister inwendig bewegen lässt, wird still und dankbar sein – und auch nachdenklich werden.
Das Altarbild, so Bongartz, gehöre inhaltlich "zur Mitte unseres Glaubens": "Wir sind Empfangende, Empfangende der Gnade. … Bevor wir geben, müssen wir empfangen. Empfangen braucht eine Haltung, eine innere, seelische, öffnende Grundhaltung." Nur wer von innen her für Gott offenbleibt, so zeigt das mittelalterliche Andachtsbild, kann zu einem Boten der Hoffnung werden in der Welt von heute, "in einer Welt, die Orientierung und Handeln nötig hat, damit die Welt menschenfreundlicher wird". Wer vor der Schönheit der Kunst steht und diese anschaut, sich von den Werken großer Meister inwendig bewegen lässt, wird still und dankbar sein – und auch nachdenklich werden.Heinz-Günter Bongartz schildert mit nur wenigen, aber eindrücklichen Worten seine Eltern. Er bezeichnet sie als "einfache, bescheidene Leute, geprägt wie viele durch das entsetzliche Unrecht eines menschenunwürdigen Krieges. In dieser Hingabe waren sie für uns Kinder ganz da. Als nun nach der Priesterweihe mein Vater mir gratulierte, war er bewegt und noch ganz eingenommen von der kirchlichen Feier. So etwas hatte er noch nicht erlebt. Er gratulierte, wie es bei ihm üblich war, mit wenigen Worten, doch in einer tiefen, herzlichen Geste. Und dann sagte er einen Satz, den ich bis heute gut im Gedächtnis habe: »Vergiss nie, von woher du kommst!«" Bongartz – so wie jeder andere von uns – soll Herkunft und Heimat nicht vergessen, die Mühsal der Arbeit, die vielen Formen von Hingabe, die wir kennen. Für den gläubigen Menschen hat dieser Satz auch eine geistliche Tiefe: "Vergiss nie, dass du bist, weil ein Schöpfer dich gewollt hat." Die Heimat ist das Elternhaus, doch die Heimat des Christen reicht weit über diese Welt hinaus. Vom Himmel erzählen auch die Künstler auf ihre Weise, von der "sichtbaren Leichtigkeit der Engel" etwa. Bongartz sagt, es gelte, auf Christus zu schauen, der aufgefahren ist in den Himmel und zur Rechten des Vaters erhöht, "der in meinem Herzen wohnt, zu begreifen, dass er mich hier auf Erden mit aufrechtem Stand und aufrechtem Gang braucht". Der Himmel, so Bongartz, sei "unverfügbar". Wir können ihn nicht machen, nicht planen, nicht erforschen oder erobern: "Der Himmel bleibt Geschenk." Gläubigen Christen ist "Hoffnung ins Herz gelegt".
"Es gibt in der Kirche Zerfall, Umbruch und Abbruch. Immer wieder. Doch Kirche ist auch der Raum, die Gemeinschaft derer, die darauf vertrauen, dass neue Schöpfung geschieht. Der Grund dafür ist der Glaube, dass Christus die Mitte seiner Kirche bleibt."
Der Weihbischof wirbt dafür, beherzt, glaubensfroh und dankbar, "die Hoffnung auf den Himmel nicht zu verlieren" – und formuliert ein Bild der Kirche, das in unsere Zeit spricht und vielleicht auch ein Gedanke ist, der Suchenden sinnreich Anregungen vermittelt. Die Kirche sei, so Bongartz, eine "weltweite Gemeinschaft", in der Jesus Christus mit seiner Botschaft erfahrbar werde: "Es gibt in der Kirche Zerfall, Umbruch und Abbruch. Immer wieder. Doch Kirche ist auch der Raum, die Gemeinschaft derer, die darauf vertrauen, dass neue Schöpfung geschieht. Der Grund dafür ist der Glaube, dass Christus die Mitte seiner Kirche bleibt."Heinz-Günter Bongartz verbindet ein glaubwürdiges Zeugnis des eigenen Lebens im Glauben mit kunstsinnigen, geistlichen Betrachtungen. Die zahlreichen Illustrationen zeigen Kunstschätze des Dommuseums und wecken vielleicht bei vielen Leserinnen und Lesern den Wunsch, einmal selbst nach Hildesheim zu fahren und die Domkirche wie das Dommuseum zu besuchen. Auch geistliche Vertiefungen sind möglich. Bongartz gelingt es, von der Schönheit der Kunst und zugleich – ohne jedes katechetische Schulmeistertum, sondern mit leiser Sympathie und persönlicher Dankbarkeit – über den Glauben an Gott zu sprechen. Sein neues Buch ist auf vielfältige, tiefgründige Weise anschaulich, ansprechend wie anregend – und verdient zahlreiche Interessierte, ob sie gläubig sind oder nicht, die diesen Spuren der Kunst und des Glaubens lesend, schauend und vielleicht auch staunend folgen möchten.
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