Der außenpolitischen Denker der frühen Bundesrepublik
Die Außenpolitik in der Ära Adenauer stand und steht immer noch im Interesse der Forschung. Nur zu wenigen Themen ist so umfangreich publiziert worden. Schwerpunkte bildeten die Stalin-Note 1952 oder auch die zweite Berlinkrise 1958-1962. Weniger war bisher jedoch der Blick auf die Personen, von Adenauer selbst einmal abgesehen, gerichtet. Da die Bundesrepublik zunächst keine außenpolitische Souveränität besaß, gab es bis 1955 auch kein Außenministerium. Konrad Adenauer übte die Funktion des Außenministers in Personalunion aus. Erst mit dem Deutschlandvertrag und der damit einhergehenden Teilsouveränität der Bundesrepublik wurde in Bonn das Auswärtige Amt an der Koblenzer Straße neu aufgebaut.
Herbert Blankenhorn spielte schon vor der institutionellen Verankerung der Außenpolitik eine maßgebende Rolle auf dem Bonner Parkett. In der Nachkriegszeit hatte der als Generalsekretär der CDU in der britischen Besatzungszone und als persönlicher Referent Konrad Adenauers im Parlamentarischen Rat wichtige Posten inne. In den Jahren 1949 bis 1963 war Herbert Blankenhorn maßgeblich an der Gestaltung der deutschen Außenpolitik beteiligt. So lag es an Blankenhorn die Politik Adenauers den Mitgliedern der Alliierten Hohen Kommission zu vermitteln. Adenauer und Blankenhorn einte die unbedingte Überzeugung der Bindung an den Westen sowie "die Schlüsselfunktion des deutsch-französischen Verhältnisses für den Erhalt eines dauerhaften Friedens in Europa" (S. 396). Dennoch war Blankenhorn keineswegs unumstritten. Seine NSDAP-Mitgliedschaft führte zu heftigen Diskussionen, Adenauer stellte sich jedoch stets vor seinen wichtigsten Berater, wann immer dieser "öffentlich am Pranger" stand (S. 397). So verwundert es nicht, dass Blankenhorn nach dem Rücktritt Adenauers im Sommer 1963 an Rückhalt verlor. Darüber hinaus erzürnte Blankenhorn noch während der Amtszeit Adenauers durch seine außenpolitischen Vorschläge den Groll der Westmächte. So befürwortete er den EWG-Beitritt Englands, welcher von Frankreich blockiert wurde. Bei der Diskussion um eine engere Konsultation der USA in der NATO "überschritt Blankenhorn seine Kompetenzen" (S. 402).
Die Autorin arbeitet detailliert heraus, wie Blankenhorn nicht nur durch seine zeitweise widersprüchlichen politischen Ansichten unter Druck geriet, sondern vor allem auch aufgrund der in der Presse erhobenen Bestechungsvorwürfe im Zusammenhang mit den deutsch-israelischen Verhandlungen. Längere Krankenhausaufenthalte waren eine Folge dieses Drucks.
Brigit Ramscheid hat eine längst überfällige Arbeit über den wichtigsten Berater des ersten Bundeskanzlers Adenauer vorgelegt. Die breite Heranziehung von Quellen unterschiedlichster Provenienz lässt die Tätigkeiten Blankenhorns von allen Seiten sichtbar machen. Die Vorgehensweise ist beinahe klassisch, da streng chronologisch aufgebaut. Leider fehlt in der abschließenden Betrachtung eine eingehende Einordnung des Wirkens von Herbert Blankenhorn. Wie sah die Autorin, die sich Jahrelang mit Blankenhorn beschäftigte, dessen Vermächtnis bzw. seine Leistungen? Zudem wird zum Teil der Eindruck der Kritiklosigkeit bei bestimmten heiklen Themenfeldern erweckt. So ist es sicherlich legitim, die Positionen von Döscher bezüglich der Verstrickungen des Auswärtigen Amtes in der NS-Zeit zu kritisieren. Sie als reine Polemik abzukanzeln wird der Sache allerdings nicht gerecht. Insgesamt liegt nun eine stellenweise spannend zu lesende Darstellung über den außenpolitischen Denker der frühen Bundesrepublik vor.
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