Kurt Wallanders letzter Fall
Henning Mankells Wallander-Krimis ist es zu Recht schon seit längerem gelungen, einen wohlverdienten Kult-Status auch und gerade in Deutschland zu erlangen sowie, sehr erfolgreich, selbigen zu verteidigen. Besagte Schriften sind auf ihre spezifische und wenig vergleichbare Weise in erster Linie spannend, aber gleichzeitig auch unterhaltsam sowie multithematisch tiefgehend, was schlichten "Krimis" eigentlich so gut wie gar nicht zu gelingen vermag. Der Leser wird eingebunden in unterschiedlichste lebensalltägliche Dinge der Protagonisten, so dass das eine oder andere Identifikationspotential, gewollt oder nicht, für die sich selbstverständlich individuell unterscheidenden Rezipenten zu erkennen unausweichlich ist. Ende der 1990er Jahre endete die bisherige Wallander-Serie - dem lesenden Konsumenten wurde also eine recht lange Wartezeit zugemutet, erneut zu einem entsprechend neuen Titel greifen zu dürfen.
Nunmehr ist es soweit. Im aktuellen Band, welcher unter dem Titel "Feind im Schatten" in entsprechenden Regalen diverser Anbieter des Kaufes harrt, hat Kurt erneut die denkbar schwierigsten Ermittlungen zu übernehmen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit handelt es sich jedoch um seinen letzten Fall. Er ist altersbedingt angeschlagen - wie sein Erfinder auch - und bedarf gleichermaßen psychologisch als auch physiologisch der (vor-)letzten Ruhe. Soviel sei verraten: Mankell lässt seinem Protagonisten nach der Beendigung der komplexen Ermittlungen einen letzten, schweren Weg mit einer sehr schrecklichen Krankheit beschreiten: "Danach ist nichts mehr. Die Erzählung von Kurt Wallander geht unwiderruflich zu Ende. Die Jahre, die er noch zu leben hat, vielleicht zehn, vielleicht mehr, sind seine eigene Zeit, seine und Lindas, seine und Klaras, keines andern Menschen Zeit" (S. 588). Deutlicher ginge es wohl kaum!
Der Autor lässt dem tendenziell depressiv erscheinenden Polizisten, dem das Dunkel der Welt vermehrt zu schaffen macht und sich wie eine immer schwerer wiegende Wolke der Last auf seine Seele zu setzen vermag, in sehr schwierigen sowie geheimnisvollen Feldern der neueren schwedischen Geschichte tätig werden. Wer, der politisch interessierten und bereits deutlich betagteren Leser unter uns (also die Ü-40 Generation ist gemeint), erinnert sich nicht an die diversen U-Boot-Vorfälle der 1980er Jahre in besagtem skandinavischen Lande bzw. seinen sogenannten Hoheitsgewässern. Im NATO geprägten Westen wurde seinerzeit - natürlich -, nicht alleine dem Kalten Krieg geschuldet, immer unisono behauptet, ausschließlich die sowjetische Marine betreibe dort Spionage bzw. der unter mysteriösen, bis heute nicht aufgeklärten Umständen ermordete ehemalige schwedische Ministerpräsident Olof Palme sei in Wirklichkeit sozialistischer Spion gewesen und habe die Aufklärung der fremden Unterwasserfahrzeuge seitens des schwedischen Militärs aktiv verhindert. Doch alles war, zumindest in Wallenders Fall, viel, viel rätselhafter. Lassen Sie sich, werter Leser, einfach überraschen!
Ein auf etwa 600 Seiten sehr gelungener Abschied einer vielen Menschen liebgewordenen Kriminalfigur. Deshalb lohnen sich die zu bezahlenden 26,- Euro durchaus - oder man nutzt einfach mal wieder eine städtische Bücherei und leiht sich den "Schinken" aus, was der Verlag aufgrund geringerer Gewinnerwartungen sicherlich weniger gerne zu hören wünscht. Darauf Rücksicht zu nehmen, ist die meine Sache jedoch nicht. Das Prinzip von allgemein zugänglichen Bibliotheken sollte nämlich, so sei der an unerwarteter Stelle wider Erwarten doch erneut in Aktion tretende Zeigefinger nicht zu rügen, auch an dieser Stelle als unterstützenswertes Bestreben Erwähnung finden.
Die These übrigens, dass nicht alleine die Hardcorefans Kurts das eine oder andere Tränchen der Trauer ob des endgültigen Entschwindens Wallanders zu verdrücken haben werden, scheint bei weitem so gar nicht als unbegründet vertretbar. Mach" es gut, Kurt!
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