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Bernhard Swoboda, Thomas Foscht, Hanna Schramm-Klein: Handelsmanagement

Klassiker des Handelsmanagmenents

Der Umbruch in der "Handelslandschaft" ist in vollem Gange. Die weiter zunehmende Globalisierung, der rasante technologische Wandel in Verbindung mit der fortschreitenden Digitalisierung und Entwicklung neuer Medien, tief greifende Veränderungen im Einkaufsverhalten u.v.a.m. stellen vielseitige und immense Anforderungen an Unternehmertum, Kreativität und Innovationsbereitschaft für alle Bereiche des Handels. Handelsunternehmen bauen infolgedessen ihre Wertschöpfungstiefe sowohl "up-stream" als auch "down-stream" aus, aber auch Industrieunternehmen gestalten ihre Wertschöpfungsarchitekturen zunehmend um. Durch absatzmarktorientierte Vertikalisierung werden auch sie zu "Händlern". Beispielsweise ist schon seit etlichen Jahren in der Fashion-Branche zu beobachten, dass immer mehr Industriefirmen in ein eigens Retail-Geschäft investieren, während Händler zugleich zu Produzenten werden.

Vor diesem Hintergrund verfolgt das Autorentrio, bestehend aus Bernhard Swoboda (Professor insb. für Marketing und Handel der Uni Trier), Thomas Foscht (Professor und Vorstand des Instituts für Marketing der Uni Graz) und Hanna Schramm-Klein (Professorin insb. für Marketing und Handel der Uni Siegen) mit dem vorliegenden Lehrbuch eine mehrfache Zielsetzung. Zum einen geht es darum, die vielfältigen Facetten der Unternehmensführung darzustellen, zu analysieren und sie zugleich in einen ganzheitlichen Bezugsrahmen zu setzen. So werden bspw. nicht nur die neuen Systeme und Prozesse im traditionellen (offline) und elektronischen (online) Handel im Hinblick auf die Geschäftsmodelle, Strategien und des Supply Chain Managements behandelt, sondern auch die Wechselbeziehungen zwischen diesen Dimensionen aufgezeigt. Zum anderen wird auch ein unternehmensübergreifender Ansatz angestrebt, der den gesamten Wertschöpfungskreislauf erfasst und Interaktionen mit der Umwelt einbezieht. Der Darstellung, Analyse und Evaluation wichtiger Entwicklungen im Umfeld der Handelsunternehmen wird Raum gewidmet und politisch-rechtliche, sozio-ökonomische, kulturelle und technische Einflüsse werden, im Sinne einer interdisziplinären Ausrichtung, einbezogen.

Das Werk behandelt in erster Linie Handelsmanagement vom Standpunkt institutioneller Unternehmen des Einzelhandels in den Food-, Near Food- und Non-Food-Bereichen. Auch die spezifischen Aspekte aus der Perspektive von Großhandelsunternehmen, ausgenommen Außenhandelsunternehmen, werden diskutiert. Das Buch beschränkt sich auf die Darstellung handelsmanagementrelevanter Aspekte und verzichtet – im Unterschied zu vielen anderen handelsbezogenen Lehrbüchern – bewusst auf die Vermittlung eines betriebswirtschaftlichen Grundwissens. Praxisbeispiele und Fallstudien werden in die einzelnen Kapitel integriert, in denen exemplarisch aufgezeigt wird, wie in der Handelspraxis Good- bzw. Best-Practice-Lösungen gehandhabt werden. Zugleich werden methodische Aspekte der jeweiligen Fragestellungen den einzelnen Kapiteln zugeordnet. Aufgrund der fundamentalen Veränderungen im Handel und in der Distribution sowie wegen der Berücksichtigung neuester Studienergebnisse wurden in der vorliegenden neuesten Auflage, auf der bislang bewährten Grundkonzeption des Buches aufsetzend, wesentliche Neuorientierungen vorgenommen, so dass die vierte Auflage nahezu ein neues Buch geworden ist. Gut gelungen ist jetzt auch das Layout des Buches, einschließlich der Aufbereitung der Beispiele und der Gestaltung der zahlreichen Abbildungen.

Die Schwerpunkte des Lehrbuchs werden in fünf Kapiteln behandelt:

Kapitel I "Grundlagen, Abgrenzungen und Sichtweisen" geht davon aus, dass ein Verständnis für Handelsmanagement die Kenntnis der Gegebenheiten im Handel sowie der relevanten Rahmenbedingungen voraussetzt. Dementsprechend werden insbesondere ausgewählte Erscheinungsformen und Daten zum Handel referiert, das Umfeld des Handels vorgestellt und die wesentlichen Theoriebausteine, Ansätze und Konzepte des Handelsmanagements erörtert. Den Abschluss des Kapitels bildet die Fallstudie "Amazon", welche die Komplexität der Entscheidungen und Kernkompetenzen im Online-Handelsmanagement behandelt.

Kapitel II "Dynamik der Be- und Vertriebstypen" untersucht die Kernaufgabe des Handelsmanagements, welche in der Wahl von Be- und Vertriebstypen besteht, denn diese bedingen dominant was angeboten und wie die Supply Chain gestaltet wird. Nach der Untersuchung der entsprechenden theoretischen Grundlagen wird somit ein Überblick über die wichtigsten Betriebstypen des Großhandels und der Handelsvermittlung sowie schwerpunktmäßig über die Betriebsformen des Einzelhandels gegeben. Im Fokus stehen Offline-Betriebstypen und Online-Vertriebstypen, ergänzt u.a. um Entwicklungen bezüglich neuer Standorte und Konkurrenz zum Handel. Die Fallstudie der "Coop" (Schweiz) illustriert die Situation diverser Be- und Vertriebstypen sowie die Tendenz zum Ausbau der Multi- und Omnichannel-Strategie durch Stärkung und zunehmende Integration der Online-Kanäle im Food- und Non-Food-Bereich.

Kapitel III "Das Spektrum wettbewerbsorientierter Strategien" klärt zu Beginn den Begriff und die Sichtweisen von Strategien. Da im Handel die Kunden- und Wettbewerbsorientierung dominieren, werden zuerst die Positionierungs- und Profilierungsstrategien behandelt. Dem folgen Gesamtunternehmensstrategien (Diversifikation/Spezialisierung, Internationalisierung und vertikale Integration), welche auf TOP-Ebene entschieden werden und die Basis für Wettbewerbsstrategien bilden. Die Fallstudie "Parfümerie Douglas" zeigt u.a. sehr deutlich, dass Strategien alleine den Erfolg nicht bestimmen, sondern dies nur in situativen Umweltkontexten, die sich über die Zeit verändern, der Fall ist.

Kapitel IV "Die Optionen des Handelsmarketing" umfasst das Standort-, Sortiments-, Marken-, Preis-, Kommunikations-, Store- und Servicemanagement. In diesem umfassenden Kapitel wird wiederholt und nachdrücklich die Notwendigkeit herausgestellt, dass es vor allem darauf ankommt alle diese Instrumente eines Offline-/Online-Handelsunternehmens aufeinander abzustimmen und zwar spezifisch für bestimmte Be- und Vertriebstypen und/oder für bestimmte Wettbewerbsstrategien im Hinblick auf die Ansprache ausgewählter Zielgruppen. Anhand der Fallstudie von "Blue Tomato", ein ehemals Online-Handelsunternehmen, das sich zum Omnichannel-Unternehmen in einer Nische der Snow-/Surfboardangebote und -accessoires entwickelte, werden die Wechselwirkungen zwischen den spezifischen Zielen und den strategisch/operativen Entscheidungsoptionen demonstriert. Nicht zuletzt wird dabei auch die erfolgreiche konsequente und authentische Ausrichtung aller Unternehmensbereiche auf die festgelegte Zielgruppe deutlich.

Kapitel V "Die Gestaltung der Supply Chain" betrachtet den handelsbetrieblichen Kernprozess Supply Chain Management. Nach dem Blick auf relevante Ströme und Partner in der Supply Chain stehen zunächst die Prinzipien und Konzepte der Supply Chain-Prozesse, einschließlich der Enabling Technologies im Vordergrund. Danach werden die Beschaffungs-, Logistik- und warenwirtschaftlichen Informationsprozesse, die oft simultan ablaufen, behandelt. In der abschließenden Fallstudie "Zara" wird die erfolgreiche Gestaltung einer integrierten Fashion-Wertkette durch das Unternehmen Zara, eine Tochter der spanischen Inditex-Gruppe, des größten Fashion-Händlers Europas, verdeutlicht. Zaras Supply Chain-Strategie kann als ein Konzept charakterisiert werden, das "agility" und "leanness" miteinander verbindet und das sich durch drei zentrale Prinzipien, die als Benchmarks angesehen werden können, auszeichnet: "close the communication loop", "stick to a rhythm across the entire chain" und "leverage your capital assets to increase supply chain flexibility".

Kapitel VI "Die Konzepte der Führung" befasst sich mit den unterschiedlichen Konzepten der Steuerung des Gesamtsystems eines Unternehmens sowie der Gestaltung und Abstimmung (Koordination) der Unternehmens-Umwelt-Interaktion. Da auf die Strategien bereits im zweiten Kapitel eingegangen wurde, werden in diesem Kapitel die drei weiteren zentralen Teilsysteme der Unternehmensführung, das Organisationssystem, das Prozess- bzw. Controllingsystem und das Personalsystem (Human Resource Management), fokussiert. Wiederholt wird hierbei herausgestellt, dass die Teilsysteme auch im Handel in enger Beziehung zueinander stehen und sich der gewünschte Unternehmenserfolg nur bei Berücksichtigung der Interdependenzen einstellen wird. Dieses Kapitel wird mit der Fallstudie "dm-drogerie markt" abgeschlossen. Schon seit langem verfolgt das Unternehmen die auf den Firmengründer, Prof. Götz W. Werner, zurückgehenden Ansätze des sozialen Engagements und der transparent gelebten CSR. Von besonderem Interesse ist infolgedessen die spezifische Ausrichtung und Ausgestaltung des HRM. Neben überzeugenden monetären Erfolgen, zeigt die positive Unternehmensentwicklung auch auf dem Arbeitsmarkt Wirkung. In zahlreichen Rankings, welche sich mit Themen wie Arbeitnehmerzufriedenheit oder Arbeitgeberattraktivität befassen, hat sich dm Top-Platzierungen erarbeitet.

Alles in allem überzeugt das Lehrbuch durch eine systematische und fundierte Auseinandersetzung mit den wichtigsten strategischen und operativen Entscheidungen des Handelsmanagements. Auch aufgrund des gelungenen Mix aus Praxis und Wissenschaft sowie wegen der geschickten didaktisch-methodischen Gestaltung und Aufbereitung hat sich das Werk in den letzten Jahren zu einem Klassiker entwickelt. Es ist zwischenzeitlich auch gemäß der Verkaufszahlen das führende Lehrbuch im Bereich Handel im deutschsprachigen Raum. Damit kann es sowohl Bachelor- und Masterstudenten der Studienrichtung Handel an Hochschulen und an den diversen branchenbezogenen Fortbildungsakademien, als auch Handelsmanagern, uneingeschränkt zur Lektüre bzw. als Nachschlagewerk empfohlen werden.


von Bernd W. Müller-Hedrich - 22. Januar 2019
Handelsmanagement
Bernhard Swoboda
Thomas Foscht
Hanna Schramm-Klein
Handelsmanagement

Offline-, Online- und Omnichannel-Handel
Franz Vahlen 2019
935 Seiten, gebunden
EAN 978-3800653515