Raues Leben
Hemingways "männlichster" Roman wurde 1937 veröffentlicht und handelt von Großfischfang, Rum- und Menschenschmuggel vor der kubanischen Küste. Die Romanverfilmung von Howard Hawks 1944 mit Laureen Bacall und Humphrey Bogart ging aufgrund seiner spritzigen Dialoge in die Filmgeschichte ein.
Buch, Film, Vision
Anders als in der weltberühmten und sehr gelungenen Verfilmung spielt Hemingways zweiter Roman (nach "A Farewell to Arms", 1929) in Key West Florida resp. an der Küste Kubas. Der im Film von Humphrey Bogart verkörperte Protagonist des Romans Harry "Steve" Morgan hat eine Frau Marie und drei Töchter in Key West, verdient sein Brot aber in Havanna auf Kuba. Marie, die im Film von Laureen Bacall verkörpert wird, ist eine völlig andere Frauenfigur. Eigentlich stammen nur die Anfangssequenz des Films und ein paar weitere Namen aus dem Roman. So etwa auch der "Süffel" genannte Eddy. "Haben und Nichthaben" ist aber gerade auch deshalb ein Lesevergnügen, weil die teilweise raue und auch rassistische Sprache seiner Protagonisten Hemingway als Chronisten seiner Zeit zeigt. Einer Zeit, in der noch nichts geschönt wurde oder politisch korrekt sein musste. Ganz am Rande: Hawks gab Bogart/Bocall die Spitznamen, die seine Frau und er pflegten: "Steve" und "Slim", wie man auch in der knisternden Whistle Scene hören kann.
Das Innenleben der Frauen
Außerdem findet Hemingway durchaus auch feministische Töne, wenn er am Ende des Romans in das Seelenleben von Marie Morgan blicken lässt. "Wie kommt man durch die Nächte durch, in denen man nicht schlafen kann. Wahrscheinlich lernt man das genauso, wie man lernt, wie es ist, wenn man seinen Mann verliert. Wahrscheinlich lernt man das. Wahrscheinlich lernt man alles, in diesem Gott verfluchten Leben. Wahrscheinlich lernt man alles, aber sicher. Wahrscheinlich lerne ich es gerade jetzt schon. Man wird einfach tot innen. Dann ist alles leicht. Man wird einfach innen so tot wie die meisten Leute fast immer sind. Wahrscheinlich ist es so. Wahrscheinlich ist es das, was einem passiert. Wahrscheinlich muss man das tun. Wahrscheinlich ist es das. Wahrscheinlich läuft es darauf hinaus. Schön. Also dann bin ich auf dem besten Wege. Ich bin allen andern weit voraus."
Hemingway, der Feminist
Aber auch Revolutionäre kommen zu Wort. Während es im Film die Resistance-Kämpfer gegen das Vichy-Regime sind, ist es in der Romanvorlage die bevorstehende kubanische Revolution, die ihren Schatten wirft. Aber Harry hält nichts von den selbsternannten Revolutionären und kommentiert: "Ich habe Durst, dachte Harry. Was zum Teufel noch mal geht mich seine Revolution an?" Die kubanischen Revolutionäre, die sein Boot anheuerten, um nach einem Banküberfall nach Kuba gebracht zu werden, bringen seinen Freund um, der selbst Arbeiter ist. Aber für wen manchen sie die Revolution dann? Auch die Liebe kriegt ihr Fett ab: "Liebe ist auch nur eine schmutzige Lüge. Liebe sind Erapiolpillen. Damit ich meine Periode kriege, weil du Angst hattest, dass ich ein Baby bekommen würde. Liebe ist Chinin und Chinin und Chinin, bis ich taub davon bin. (...) Ich weiß über Liebe Bescheid. Liebe hängt immer hinter der Badezimmertür sie riecht nach Lysol. Zum Teufel mit der Liebe. Liebe, d. h. dass du mich glücklich machst und dass du mit offenem Mund einschläfst, während ich die ganze Nacht durch wachliege und Angst habe zu beten, weil ich weiß, dass ich kein Recht mehr dazu habe. Liebe, das sind all die schmutzigen kleinen Tricks, die du mir beigebracht hast, die du wahrscheinlich aus irgendwelchen Büchern hattest. Gut ich bin fertig mit dir und ich bin fertig mit der Liebe. Deine Art von popliger Liebe, du Schriftsteller."
Hemingway zeigt also durchaus auch die Sicht der Frauen in seinem Roman, wie obiges Zitat zeigt. Man könnte das fast schon Feminismus nennen? Aber auch wenn es zu verwegen erscheint, Hemingway deswegen als Feministen zu bezeichnen, der Regisseur Howard Hawks war es bestimmt. Denn die Sätze, die er oder die Drehbuchschreiber Jules Furthman/William Faulkner Laureen Bacall in der Romanverfilmung sagen lassen – und im Roman gar nicht vorkommen – sind so spritzig, dass sie tatsächlich in die Filmgeschichte eingingen. Und auch heute noch günstige Munition liefern, die erotische Spannung zwischen den Geschlechtern aufrecht zu erhalten. Der Roman "Haben und Nichthaben" zeigt Ernest Hemingway einmal von einer anderen Seite und gerade wenn man den Film schon kennt, muss man das Buch unbedingt gelesen haben.
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