Die Möglichkeit und Unmöglichkeit des Übersetzens
Literatur zu übersetzen, kann mit Andris Breitling als "eine Form der Verständigung" bezeichnet werden, welche "die Grenzen zwischen verschiedenen Sprachen und Kulturen zugleich anerkennt und überschreitet" (S. 106).
Einleitend verweisen in dem Sammelband Niklas Holzberg sowie Christiane Reitz und Andreas Fuchs in jeweils einem Aufsatz auf die klassischen Grundlagen des Übersetzens und zeigen die Übersetzungspraxis und die theoretische Diskussion zum Übersetzen in der Antike auf.
Im folgenden Teil "Theoretische und methodologische Fragen" führt Annette Kopetzki zunächst das Spektrum der Zugangsweisen von Übersetzern zum Text vor. Aus der eigenen Übersetzerwerkstatt weist sie einen Weg zur Lösung des problematischen Umgangs mit Dialekten in der Vorlage.
Andris Breitling diskutiert die These von der Unübersetzbarkeit in der Philosophie der Übersetzung, so bei Paul Ricœur, kommt aber zu dem Schluss, dass das Unübersetzbare "nicht das letzte Wort einer Philosophie der Übersetzung" sein kann (S. 97). Dass die Möglichkeit des Übersetzens bei bestimmten Problemen an ihre Grenzen stößt, zeigt andererseits auch, dass übersetzen doch auch möglich ist. Die Grundlage des Übersetzens identifiziert Breitling in der sprachlichen Kreativität des Menschen, nämlich in der Fähigkeit, "etwas einmal Gesagtes immer wieder anders zu sagen" (S. 102), sowohl innerhalb derselben, als auch in verschiedenen Sprachen. "So kann man sagen, dass die Lösung für das Problem der Übersetzung in demselben sprachlichen Vermögen liegt, in dem das Problem seinen Ursprung hat." (S. 104)
Das Buch versucht, den Graben zwischen Theorie und Praxis des Literaturübersetzens zu schließen, und doch wird genau dieser Graben in vielen Beiträgen dieses Sammelbands deutlich. Dorota Stroińska beklagt die reduktionistischen Ansätze bei der Theoriebildung, die "mit Totalitätsanspruch das Komplexe und das Individuelle einer literarischen Übersetzung aus dem Blick verlieren." (S. 139) Auch Albrecht Buschmann tritt für eine stärkere Praxisorientierung von Übersetzungstheorien ein, für eine "Kooperation und Integration" von Theorie und Praxis (S. 180). Thomas Brovot plädiert in seinem anschaulichen Beitrag dafür, sich auf die linguistischen Möglichkeit der Zielsprache - der eigenen Sprache - zu konzentrieren, anstatt an der Ausgangssprache zu kleben. Für ihn ist der Stil der wichtigste Punkt überhaupt.
Frank Heibert gibt eine praktische, anhand von Beispielen vorgeführte Anleitung, wie man sich mit Hilfe der richtig verstandenen Textanalyse Arbeitskompetenz zur Übersetzung von Wortspielen verschaffen kann.
Das praktische Übersetzen bedarf der Theorie, es kann sich ihr im Einzelfall aber nicht sklavisch unterwerfen; schließlich ist das Ziel die Schaffung eines Kunstwerks, und das erfordert Kreativität, die nur in künstlerischer Freiheit möglich ist.
Weitere, in dieser Rezension zu kurz gekommene Teile des Buchs befassen sich mit Bibelübersetzungen und mit der Übersetzung aus dem Mittelniederdeutschen, also vom Deutschen ins Deutsche.
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