Wir Globalisierten
"Global Times" sei "die Geschichte von Frauen und Männern aus verschiedenen Kontinenten, die sich nicht gegen die Globalisierung wehren, sondern eine sinnvolle Rolle in ihr suchen und - mit einer Ausnahme - auch finden", lese ich auf der vierten Umschlagseite. Und auch, dass es sich um einen dokumentarischen Roman handle (ein Begriff, der mir bis dahin nicht bekannt war; gemeint ist wohl, dass die geschilderten Ereignisse und Personen - von Sergio de Mello zu Jan Ekengren - real sind), der eine Lanze breche "für das genaue Denken und Fühlen, für eine kraftvolle Weiterführung der Aufklärung also, im Westen, in China, und in der übrigen Welt."
Ich bin froh, habe ich diese Infos erst gelesen, als ich schon mitten in der Lektüre steckte, denn das Buch liest sich wesentlich besser, als diese unbedarften Worte. Aufklärung in China? Soll das ein Witz sein? Und in der übrigen Welt? Vielleicht in Saudi Arabien?
Sollten die Frauen und Männer in dieser Geschichte wirklich eine sinnvolle Rolle in der Globalisierung gesucht und gefunden haben, so liesse sich fragen, ob das finanziell abgesicherte Leben als internationale Bürokraten, Militärs, Banker, Ingenieure oder Ausstellungsmacher als sinnvoll gelten kann? Die Frage stellt sich ja bei internationalen Bürokraten nicht zuletzt deshalb, weil internationale Organisationen (wie Organisationen überhaupt) in erster Linie für sich selber, also für das Ansehen und das Wohl der jeweiligen Organisation und ihrer Mitarbeiter, da sind.
Marius B., ein wohlsituierter 45Jähriger ("Um 45 misst man sich an seinen erfolreichen Bekannten" - das scheint nicht ironisch gemeint), lädt am Ende eines Sabbatical am Genfersee zu einem Fest der Lebensmitte ein, zu dem natürlich, neben Kofi Annan und vielen Freunden und Freundinnen, auch Marius' persönlicher Fahrer, Übersetzer und Tennispartner im Irak eingeladen wird (Marius kommt überdies für des Fahrers Kosten auf; aufgeschlossener geht es kaum).
Die Welt dieser weltläufigen Privilegierten gelingt dem Autor ganz hervorragend. Die geschilderten Figuren sind intelligent und tolerant (gelegentliches LSD, offene Ehen, viel gepflegtes Geplauder) und haben sich im System nicht nur erfolgreich eingerichtet, sondern garantieren auch, aus Eigeninteresse und natürlich nicht unkritisch, das versteht sich, seinen Bestand. Wunderbar absurd fand ich das ausufernde Name-Dropping, das der Autor Marius B. im Traum unterschiebt: Dieser wähnt sich an Bord des im Juni 2009 abgestürzten Air France Fluges 447 von Rio de Janeiro nach Paris, wo er unter anderem auf Saddam Hussein, Jeffrey Sachs und Roméo Dallaire trifft.
Es ist eine geballte Ladung Bildungsbürgertum (Meinungen zu den Impressionisten, San Franciscos hippem Spiessertum, dem "Human Brain Project", der Drogenpolitik, Flugzeugtechnik, den vergangenen 2000 Jahren etc. etc.), die da auf einen niederprasselt; der Mut zur Lücke geht dem Autor eindeutig ab. Dafür entschädigt er einen immer wieder durch clevere Beziehungseinsichten: "Wer sich einmal nah war, ist schnell wieder dort." Oder: "Wer nichts begehrt, kann zärtlich sein."
"Global Times", das sich streckenweise als veritable Tour d'Horizon zu den Konfliktherden der letzten dreissig Jahre liest - von der thailändisch-kambodschanischen Grenze zu den Kurden im Irak zum zentralafrikanischen Bangui bis ins ruandische Kigali - , ist ein Dokument des lust- und freudvollen Nachdenkens über Alles und Jeden, quer durch alle sogenannten Wissensdisziplinen und mit dem Akzent auf der Globalkultur, deren Grundlage die Menschenrechte sein müssten, mit dem Zusatz: "Die Trennung von Religion und Staat, Gesetz statt Macht, gleiche Rechte für alle, gleiche Chancen für alle, und das weltweit."
Nicht zuletzt ist "Global Times" auch ein klares und deutliches Plädoyer dafür "mit dem Dogma Schluss zu machen, dass alles, was sich Kultur und Religion nennt, respektiert werden muss." Und wirbt dafür, den Grundgedanken der Aufklärung praktisch umzusetzen. "Ob Muslim, Christ oder Hindu: wer wörtlich an unveränderbare Bücher aus vergangenen Zeiten glaubt, muss dringend dazu eingeladen werden, sich seiner Vernunft zu bedienen."
Fraglich ist nur, ob so eine Einladung reicht. Faulheit und Feigheit hat Kant bekanntlich als die Ursachen bezeichnet, weshalb der Mensch es vorzieht, lieber nicht selber zu denken. Es ist zu befürchten, dass sich diesbezüglich seit 1784 wenig geändert hat.
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