Schuldig bei Verdacht?
Mathias Brodkorb übt Kritik am Verfassungsschutz und gibt sich als Verteidiger des Rechtsstaates und der liberalen Demokratie zu erkennen. Der Verfassungsschutz beobachtet Personen und Institutionen. Ist diese Behörde sinnvoll für eine wehrhafte Demokratie – oder eine Bedrohung derselben? Brodkorbs Buch macht sehr nachdenklich.
Der Autor benennt die "eklatante Ineffektivität des deutschen Inlandsgeheimdienstes", von einer Behörde, die in keiner anderen westlichen Demokratie existiere, um eine "Prüfung der politischen Gesinnung ihrer Bürger" vorzunehmen und sie "öffentlich an den Pranger stellen zu können": "Der deutsche Inlandsgeheimdienst ist aus der Sicht entwickelter Demokratien jener Geisterfahrer, der sich darüber wundert, warum ihm so viele Fahrzeuge entgegenkommen." Es genügt, unter Verdacht zu stehen, wenn ein unbescholtener Bürger "Kontakt zu einem offiziell Verdächtigen hält". Genannt werde dies "Kontaktschuld": "Ziel der Operation ist es, durch Öffentlichkeitsarbeit die Verdächtigen gesellschaftlich zu isolieren. Wenn man die Existenz von Extremisten schon nicht vollständig verhindern kann, sollen diese und ihr Denken zum Schutze der Demokratie zumindest vom Rest der Gesellschaft abgekapselt werden."
Der Verfassungsschutz agiert präventiv. Doch lässt sich von bloßen Indizien darauf schließen, dass eine Person ein Verfassungsfeind ist oder künftig ein solcher sein könnte? Der Verfassungsschutz könne auch ohne den "Status einer objektiven Gefahr" tätig werden. Doch keine Behörde kann in die Zukunft schauen, niemand vermag in die Seele des Menschen zu blicken: "Genau dieses Erkenntnisproblem macht die Arbeit des deutschen Inlandsgeheimdienstes so fehleranfällig. Er ist von Gesetzes wegen dazu verpflichtet, bereits aus Meinungsäußerungen, Personenkontakten und gewissen Handlungen auf angebliche oder tatsächliche Umsturzbestrebungen zu schließen." Betreibt der Verfassungsschutz also Kaffeesatzleserei? Es scheint nicht auszuschließen zu sein.
Brodkorb stellt zudem fest, dass die Behörde außerstande sei, über ihre Entscheidungskriterien Rechenschaft abzulegen. Die "Feinderklärung" falle "schwammig" aus, etwa der Extremismusbegriff wird nicht präzise geklärt: "Verfassungsschutzrechtlich kommt es nur darauf an, ob eine Person oder Organisation aufgrund eines bestimmten Denkens auch ein zielgerichtetes Handeln entfaltet und deshalb eine tatsächliche Gefahr für die verfassungsmäßige Ordnung darstellt oder nicht. Dies hätte selbst für Adolf Hitler gegolten, wenn er den Zweiten Weltkrieg überlebt hätte, und sein Denken zwar nicht verändert, aber sämtliche politischen Aktivitäten eingestellt hätte. Im rechtlich präzisen Sinne wäre dann selbst Hitler nur ein potenzieller Verfassungsfeind gewesen, aber kein Extremist. Der staatliche Versuch, bereits bloße Gedanken zu kontrollieren, wäre vielmehr das typische Erkennungsmerkmal einer totalitären, antidemokratischen Staatsordnung." Zudem sei "verfassungsfeindliches Denken" durch das Grundgesetz "ausdrücklich gedeckt", es dürfe nur nicht zu einem aussichtsreichen Handeln gegen dasselbe führen: "Das Bundesverfassungsgericht stufte die NPD im Jahre 2017 zwar als nachweislich rechtsextremistisch ein, verbot sie aber dennoch nicht. Da sie ihm als zu schwach erschien, die freiheitlich-demokratische Grundordnung tatsächlich gefährden zu können, hielt sie ein Verbot für unverhältnismäßig."
Mathias Brodkorb bezeichnet den Verfassungsschutz als "politische Behörde", damit sei sie auch parteipolitischer Einflussnahme ausgesetzt, was im "Zentrum der Demokratiesicherung" höchst problematisch sei: "Denn rechtlich ist es dem Staat verboten, seine Instrumente zum zielgerichteten Eingriff in den politischen Wettbewerb zu missbrauchen." Der Verfassungsschutz berichte heute nicht über Fälle von "erwiesenem Extremismus", sondern auch über "bloße Verdachtsfälle". Brodkorb fordert: "Da derartige Berichte nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine staatliche Sanktion darstellen, ergeht diese, ohne dass die tatsächliche »Schuld« der Betroffenen überhaupt als erwiesen gilt. Die Verdachtsberichterstattung des Verfassungsschutzes ist daher grundsätzlich gesetzlich auszuschließen."
Der Autor zweifelt daran, dass die gegenwärtige Praxis mit der "Idee des Rechtsstaates" im Einklang steht. Er schreibt: "Die Auslagerung des politischen Diskurses an den Verfassungsschutz bleibt für die Demokratie nicht folgenlos. Bei den etablierten politischen Kräften verhindert er die Ausbildung jener argumentativen Kraft, die man bräuchte, um Menschen von der Wahl und Unterstützung für gefährlich gehaltener Gruppierungen abzuhalten. Auch hierdurch beschädigt der Verfassungsschutz die politische Resilienz der Demokratie. Vielleicht ist das sogar der gewichtigste Grund, auf seine Dienste künftig besser zu verzichten." Mathias Brodkorb benennt dazu etliche Beispiele in seinem bemerkenswerten Buch – und ermutigt die Leserschaft zu einer kritischen Reflexion über die Verfassung und ihre möglichen Feinde, mehr noch aber über die "politische Behörde", die dem Verfassungsschutz dienen soll.
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