Heilslehre Gemeinschaft
Um drei Bücher rund um das Thema Gemeinschaft als alternativen Lebensentwurf soll es hier gehen: Psychiater Scott Peck gibt Anleitung zur "Gemeinschaftsbildung", Ökodorfbewohner Michael Würfel gewährt Einblicke ins Leben in der Großgruppe und "eurotopia" gibt als Verzeichnis einen Überblick über derartige Gruppen in Europa.
Vorsicht: Weltretter
Ein Buch aus den 1980ern, das wohl bis heute den Alltag mancher Gemeinschaft prägt: Der US-amerikanische Psychiater Morgan Scott Peck gibt eine Anleitung, wie "authentische Gemeinschaft" ihm zufolge zu bilden sei. Besonders bekannt sind in diesem Zusammenhang seine "Phasen der Gemeinschaftsbildung": Pseudogemeinschaft, Chaos, Leere, Gemeinschaft. Deutsche Großgemeinschaften wie das Schloss Tempelhof und das Ökodorf Sieben Linden arbeiten mit diesem Konzept. In solchen Kreisen werden regelmäßig Seminare für Außenstehende angeboten, damit auch diese "Gemeinschaft erleben" können, denn dies gilt gerade Scott Peck als das Heilmittel schlechthin. Schon seine Einleitung beginnt er mit "Nur in und durch Gemeinschaft kann die Welt gerettet werden." (S. 16) In diesem Sinne ist seine Absicht der "Gemeinschaftsbildung" auch nicht auf ein paar Hippies in Ökodörfern beschränkt. Nebenbei erklärt er Nationalstaaten für obsolet, denn diese hätten zum Wettrüsten des Kalten Krieges geführt (vgl. S. 225), und fordert in diesem Zusammenhang eine Weltregierung, die er offensichtlich vollkommen unproblematisch findet. Überdies enthält das Buch kollektivistische (vgl. S. 228), kulturrelativistische (vgl. ebd.) und multikulturalistische Aussagen (vgl. S. 18, 227).
Unlesbares aus dem Selbstverlag
Nichts Ungewöhnliches ist mittlerweile leider das Deppenleerzeichen, das sich auch in den Titel des Buches "Öko Dorf Welt" eingeschlichen hat. Auch sonst experimentiert der Bewohner des Ökodorfes, Michael Würfel, der diese detaillierte Beschreibung seiner neuen Heimat verfasst hat, anscheinend gern mit der Sprache: Sein Text beginnt nicht nur mit "Liebe*r Leser*in", sondern ist durchzogen von solchen "Gendersternchen", weil die Bewohner seines Dorfes Sieben Linden "vielleicht (sic!) auch Menschen (sind), die sich nicht eindeutig dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zuordnen möchten" (S. 77), auch wenn er in "der Praxis […] praktisch (sic!) keinen Kontakt zu intersexuellen oder transsexuellen Menschen" (ebd.) hat. Auch dies trägt dazu bei, dass sein Buch leider nahezu komplett unlesbar ist. Gewichtiger ist an dieser Stelle jedoch die langatmige epische Breite, mit der Würfel auch kleinste Details beschreibt. Es wird leider nicht besser, sobald man sich durch die langweiligen Beschreibungen der Busfahrt nach Sieben Linden auf den ersten Seiten gequält hat. So kann es bestenfalls als punktuelles Nachschlagewerk für die Zustände in seinem Ökodorf dienen, denn glücklicherweise enthält das Buch ein Inhaltsverzeichnis. In einem normalen Verlag hätten es diese strukturlos ausufernden Textpassagen wohl nie bis zum Druck gebracht.
Verzeichnis auf Papier
"eurotopia" versammelt Gemeinschaften und Ökodörfer in Europa. Je nachdem, wie viele Angaben eine solche Gemeinschaft über sich gemacht hat, umfasst ein Eintrag etwa eine halbe bis ganze Seite. Neben einem Text, in dem sich die jeweilige Gemeinschaft selbst beschreibt, sind diese mit kleinen, übersichtlichen Symbolen markiert, die bspw. aussagen, ob mitarbeitende Gäste empfangen werden. Dabei ist zu beachten, dass die Angaben von den Herausgebern nicht überprüft werden – so sind auch offensichtlich falsche, weil nicht plausible Aussagen übernommen worden. Besonders auffällig ist dies bei der Mitgliederzahl. Inkonsequent erscheint es außerdem, dass einerseits "geschlechtergerechte" Wortungetüme wie "Macher_innen" (S. 5) von den Herausgebern benutzt werden, andererseits die Gemeinschaften augenscheinlich dazu angehalten sind, ihre Mitglieder in Frauen, Männer und Kinder auszuweisen. Naja, von Logik halten postmoderne Feministen ohnehin nichts.
Etwas altmodisch erscheint das papierne Verzeichnis angesichts moderner Online-Datenbanken. Die Herausgeber haben sich natürlich bewusst dafür entschieden: "Der wichtigste Grund ist ganz simpel: Wir mögen Bücher sehr. Viel mehr als Websites." (S. 8), wobei der wirtschaftliche Aspekt wohl nicht zu vernachlässigen ist, bangen die Autoren doch bei einer Umsetzung einer Online-Lösung um ihre Einnahmen. So versuchen sie, die Vorteile einer digitalen Suche mit dem Buch zu kombinieren: Auf einer Webseite lassen sich anhand bestimmter Kategorien wie z. B. "vegan" oder "ökologisch" Gemeinschaften suchen, auf die das Gewünschte zutrifft; es erfolgt ein Verweis auf die jeweilige Buchseite.
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