Wie das WEF zur globalen Dialogplattform wurde
Wo sich in der Schweizer Berggemeinde Davos sonst die Skisportler in Scharen tummeln, treffen sich jeweils im Januar eine Woche lang Spitzenmanager und führende Politiker, Wissenschaftler sowie Medienvertreter als Gäste des World Economic Forum (WEF). 2017 waren 3'000 Teilnehmer aus 99 Nationen anwesend, prominentester Gast war Chinas Präsident Xi Jinping. Wer immer schon wissen wollte, welche Themen in den Veranstaltungen diskutiert werden, aber auch einen Blick hinter die Kulissen dieses "Marktplatzes von Ideen und Eitelkeiten" werfen wollte, findet im vorliegenden Buch von Dr. Jürgen Dunsch eine Fülle interessanter Einblicke und Anregungen. Der Verfasser war lange Jahre Wirtschaftsredakteur, danach Schweizer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.) und berichtet seit 20 Jahren regelmäßig von der Jahrestagung des WEF. Kurz vor dem 47. Weltwirtschaftsforum im Januar 2017 hat Dunsch die erste umfassende Darstellung über die Institution WEF und dessen Gründer vorgelegt.
Auf was lässt sich der Leser ein? Zuerst erhält er einen Überblick über das Wesen des WEF und über die familiäre sowie berufliche Herkunft seines visionären Gründers aus Oberschwaben mit Schweizer Wurzeln. Danach beleuchtet der historische Teil, wie sich Weltpolitik in den Themen des Wirtschaftsforums niederschlägt und wie es sich von einer europäisch-amerikanischen Konferenz zu einer globalen Dialogplattform mit Teilnehmern aus vielen Lebensbereichen entwickelte. Dabei dürfen auch so manche Anekdoten von den Davoser Partys und sonstigen Events nicht fehlen. Es wird auch aufgezeigt, welche Akteure und welch großes Räderwerk sich hinter dem Forum verbergen. Abschließend gibt ein Interview mit Klaus Schwab Gelegenheit, diesen sehr persönlich und dessen Urteil über sein Lebenswerk näher kennenzulernen.
Das Thema des ersten Davoser Treffens im Januar 1971 lautete "Let's meet the American challenge" und befasste sich mit der Überlegenheit amerikanischer Managementmethoden. Dem Initiator dieses European Management Symposiums, Prof. Klaus Schwab, ging es darum, die Europäer mit einem Dialog über moderne Unternehmensführung aufzurütteln. Zweifelsohne war dieses erste Treffen ein unerwarteter Erfolg und bildete die Basis für die Gründung einer gemeinnützigen Stiftung sowie für spätere Veranstaltungen. Umso herber fiel der Rückschlag in 1972, in dem die Teilnehmerzahl von knapp 450 auf weniger als 300 absackte, aus. Und dies obwohl Wernher von Braun, Planungschef der amerikanischen Weltraumbehörde NASA und Erbauer der Mondrakete Saturn V, das Publikum im Kongresszentrum in seinen Bann gezogen hatte. Der Neuigkeitsgrad des hochkarätigen Treffens hatte sich vielleicht bereits schon wieder verflüchtigt und auch anderenorts gab es keinen Mangel an internationalen Wirtschaftskonferenzen, so dass sich Neider und Besserwisser bereits die Hände rieben. Vorübergehend konnte das Forum nur mit Bankkrediten und den eigenen Mitteln von Claus Schwab, der eine Teilzeitprofessur an der Uni Genf in Unternehmenspolitik annahm, über Wasser gehalten werden. Am dritten Treffen (1973) versammelten sich immerhin wieder 450 Teilnehmer. Schwab konnte hierzu u. a. Prinz Bernhard der Niederlande gewinnen und den Gründer des Club of Rome, den italienischen Industriellen Aurelio Peccei. Dieser sorgte mit seinem Vortrag über "Die Grenzen des Wachstums" inhaltlich für Furore. Die Teilnehmer verabschiedeten einen Ethik-Code, "The Davos Manifesto", in dessen Mittelpunkt das Stakeholder-Modell mit Berücksichtigung aller von Unternehmensentwicklungen Betroffenen steht. Seitdem gehört eine "gezähmte" Kapitalismuskritik zum guten Ton in Davos.
Die Mitte der 70er Jahre standen als Folge des Jom-Kippur-Krieges im Zeichen des von den großen Förderländer am Golf verhängten Öl-Boykotts und waren geprägt von Rezession und dem Zusammenbruch des Systems weitgehend fester Wechselkurse von Bretton-Woods. 1975 ist das Jahr der Globalisierung von Davos. Für jedermann sichtbar wird dies allerdings erst 1987, als sich das European Management Forum zum World Economic Forum (WEF) wandelte. Als erstes Land außerhalb Europas schickte 1975 die mexikanische Regierung eine offizielle Delegation, später folgten Brasilien, Indien und China.1983 war erstmals die US-Regierung vertreten und wenige Jahre später auch Regierungsvertreter der Sowjetunion. Neben den Treffen der Manager und Wissenschaftler wurde auch das Zusammentreffen von Spitzenpolitiker zur ständigen Einrichtung. Dem Verfasser gelingt eine eindrucksvolle Zeitreise durch die Weltgeschichte und er macht deutlich, dass sich in den Jahrestreffen des WEF oftmals die großen politischen und ökonomischen Themen der Welt spiegeln - sei es die mit der Aufhebung der Goldbindung des Dollars verbundenen währungspolitischen Verwerfungen, der Fall des Eisernen Vorhangs, die ersten freien Wahlen in Südafrika und deren Folgen für den afrikanischen Kontinent, der Konflikt zwischen Israel und Palästina, die Auswirkungen des Irakkrieges, die Weltfinanzkrise, Fukushima und Europas Schuldenkrise, die vierte industrielle Revolution sowie nicht zuletzt die Rückkehr des Nationalismus und Populismus, einschließlich des Brexit und der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten.
Zweifelsohne hat dieses interessante Buch vom guten Draht des Verfassers zu Klaus Schwab stark profitiert. Offensichtlich hatte der Autor auch Zugang zu internen Quellen des WEF und zu privaten Dokumenten von Schwab. Dennoch ist das Werk weit weg von jeder "Hofberichterstattung". Der renommierte Wirtschaftsjournalist Jürgen Dunsch macht zwar klar, dass sich das WEF vom kreditfinanzierten Managertreffen zur heute wichtigsten Dialogplattform im globalen Maßstab sehr erfolgreich entwickelt hat, was in erster Linie dem weitblickenden und durchaus auch zielstrebigen Gründer Klaus Schwab zu verdanken ist. Dem gelernten Maschinenbau-Ingenieur (ETH Zürich), der zusätzlich ein Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mit Doktortiteln in zwei Studienrichtungen abschloss und nach einem akademischen Jahr an der Harvard Business School in den Vorstand der Schweizer Industrie-Ikone Escher Wyss einrückte, ist es gelungen, durchwegs auf richtige und aktuelle Themen zu setzen. Schwab hat frühzeitig prominente Politiker und Wissenschaftler, wie Henry Kissinger, Nelson Mandela und John Kenneth Galbraith, für seine Ideen begeistern können und hat nicht zuletzt professionell moderne Kommunikationstechnologien zu nutzen gewusst.
Dennoch setzt sich der Verfasser wiederholt auch kritisch mit der Entwicklung des Forums, mit manchen Auswüchsen dieses Netzwerks und mit einigen seiner strategischen Partner und Gäste auseinander. Offen bleibt letztlich die Frage, wer dem bald 80jährigen Klaus Schwab nachfolgen kann, um dessen Lebenswerk erfolgreich weiterzuführen und dem Anspruch des WEF, "committed to improving the state of the world", auch zukünftig gerecht zu werden.
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