Best-Practice des Fundraising
Die Finanzierung des Sozialwesens in Deutschland erfolgt primär durch die öffentliche Hand. Dennoch bemüht sich der sog. Nonprofit-Sektor auch um die Unterstützung aus dem privaten und dem unternehmerischen Bereich, um seine Aufgaben noch effektiver erfüllen zu können. Die Beschaffung der nötigen Mittel ist jedoch alles andere als ein Selbstläufer, sondern bedarf immer mehr eines fachkundigen Vorgehens, zumal der Wettbewerb zwischen den Nonprofit-Organisationen immer intensiver wird. Hinzu kommt, dass auch am Gemeinwohl orientierte Organisationen, die nicht formal steuerlich begünstigt sind, z.B. zahlreiche nicht eingetragene Vereine und Initiativen, immer öfter ebenfalls auf dem Spendenmarkt aktiv werden. Nicht zuletzt ist festzustellen, dass auch (halb-)staatliche Institutionen in den Bereichen Bildung, Kultur und Gesundheit – z.B. öffentliche Hochschulen und Schulen, Kindertagesstätten, Theater, Museen sowie Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen – teilweise erhebliche Mittel einwerben.
An diese Entwicklung knüpft die neueste und deutlich erweiterte Auflage des vorliegenden Werks, das sich in den letzten Jahren zum deutschsprachigen Klassiker für das Thema Fundraising entwickelt hat, an und setzt sich mit dem aktuell verfügbaren Wissen über professionelles Fundraising und seinem systematischen Management fundiert auseinander. "Da Fundraising eine spezielle Ausprägung des Marketing einer gemeinwohlorientierten Organisation darstellt" hat der Verfasser sein sieben Teile umfassendes Buch konsequent der Marketing-Logik und -Systematik untergeordnet:
Der erste Teil befasst sich mit dem Begriff "Fundraising" und dessen charakteristischen Merkmalen. Bei der Begriffsbestimmung werden vier Gruppen von Ressourcenbereitstellern unterschieden. Da sich das Vorgehen im Fundraising gegenüber diesen Gruppen deutlich unterscheidet, werden weitere Teile des Buchs nach den entsprechenden Adressaten gegliedert.
Folgerichtig widmet sich der zweite Teil dem Fundraising bei Privatpersonen, welche die wichtigste Gruppe der Ressourcenbereitsteller ausmachen. Zuerst werden die Grundlagen des "Fundraising durch Beziehungsaufbau" ("Relationship Fundraising"), einschließlich der Thematik Fundraising-Software bzw. Fundraising -Datenbank, referiert. Danach steht im Mittelpunkt dieses umfassenden und zentralen Teils "die Frage, wie es gelingen kann, Privatpersonen zu gewinnen, zu (Geld-, Sach- und/oder Zeit-)Spendern zu werden?" Die hierbei einzusetzenden Instrumente werden, analog zu den klassischen "vier P" des Marketing-Mix, systematisch aufgezeigt und geschickt auf den gemeinnützigen Bereich übertragen. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei dem Online-Fundraising. Schließlich bietet das Internet mannigfache Möglichkeiten sowohl als Vertriebs- als auch als Kommunikationskanal, so dass dem Online-Fundraising aufgrund seiner zentralen Zukunftsbedeutung für die Akquise von Spenden ein eigenes Kapitel gewidmet wird.
Der dritte Teil beschäftigt sich mit dem Fundraising bei Unternehmen, das in Deutschland noch großes Potenzial besitzt und von der Entwicklung zu vermehrter Wahrnehmung von gesellschaftlicher Verantwortung durch die Unternehmen (Corporate Social Responsibility (CSR)) profitiert. Es werden vor allem die wichtigsten Unterstützungsformen, wie Unternehmensspende, Sponsoring, Cause Related Marketing sowie Bereitstellung von Infrastruktur und Unternehmensstiftung (Corporate Foundation), vorgestellt.
Im vierten Teil geht es um Fundraising bei Stiftungen, das jedoch nicht mit dem Fundraising für Stiftungen zu verwechseln ist. Hierzu werden die verschiedenen Erscheinungsformen von Stiftungen präsentiert und danach die wichtigsten Schritte bei der Durchführung eines systematischen Stiftungs-Fundraising erläutert.
Während beispielsweise in den USA die öffentlichen Zuwendungen nur ein Drittel der Einnahmen gemeinnütziger Organisationen ausmachen, sind es in Deutschland derzeit noch zwei Drittel, jedoch mit rückläufiger Tendenz. Im Mittelpunkt des fünften Teils steht deshalb auch das oftmals unverzichtbare, obwohl nicht selten mit vielen bürokratischen Hürden verbundene Fundraising bei öffentlichen Ressourcenbereitstellern. Vor allem geht es um einen Überblick über die unterschiedlichen Fördermittel der EU, von Bund, Ländern und Kommunen sowie Hinweise auf sonstige öffentliche Ressourcenbereitsteller (etwa Richter, Staatsanwälte, ausgewählte Finanz- und Hauptzollämter) und nicht zuletzt auf Fördermittel aus Kirchensteuern.
Der sechste Teil befasst sich mit dem Fundraising-Management. "Im Sinne einer funktionalen Betrachtung wird Management als ein Komplex von Aufgaben und Prozessen verstanden". Die spezifischen "Überlegungen basieren im Wesentlichen auf dem Freiburger Management-Modell für Nonprofit-Organisationen" und umfassen vor allem Analyse, Planung, Controlling, Qualitäts-Management, Organisation und Führung im Fundraising.
Das Buch wird mit einem Service-Teil abgeschlossen, der weitere Informationsquellen zum Fundraising, etwa zu Anbietern einschlägiger Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie zu Dienstleistern in Deutschland, Österreich und der Schweiz, aber auch Hinweise auf Fachzeitschriften, Informationsquellen im Internet und wichtige Adressen für Fundraiser, enthält.
Im Vorwort macht der Verfasser deutlich, dass sich seit Erscheinen der ersten Auflage vor 25 Jahren der Professionalisierungsprozess des Fundraising im deutschsprachigen Raum in großen Schritten entwickelt hat und längst Anschluss an die Entwicklungen im führenden, angloamerikanischen Bereich gefunden hat. Dieser Entwicklung trägt die achte vollständig überarbeitete, aktualisierte und nochmals erweiterte Auflage Rechnung. So kamen beispielsweise Kapitel zu neuen Themen wie Donor Journey, Automatisierung, Influencer (Blogger, Vlogger, Gamer), kontaktlose Spenden (über NFC und QR-Code) und neuen Zahlungsverfahren (Twint, Kryptowährungen) hinzu. Auch das große Potenzial, das in den vielfältigen Angeboten und Möglichkeiten des Online-Fundraising steckt, wird noch ausführlicher dargestellt und anhand von 40 Beispielen anschaulich erläutert.
Dem Autor ist der Mix aus Theorie und Praxis bestens gelungen. Die wichtigsten Aspekte eines erfolgreichen Fundraising werden nicht nur systematisch entwickelt und gut verständlich beschrieben, sondern es wird anhand von 300 Best-Practice-Beispielen sowie mithilfe von über 300 Abbildungen und Tabellen praxisnah veranschaulicht, wie das Fundraising für gemeinwohlorientierte Organisationen effektiv und effizient eingesetzt werden kann. Zahlreiche Querverweise erleichtern eine leserfreundliche Navigation ebenso wie ein nochmals erweitertes Schlagwortregister. Hinzu kommt, dass nationale Besonderheiten des Fundraising in Österreich und der Schweiz noch deutlicher herausgestellt werden.
Michael Urselmann, Professor für Sozialmanagement mit dem Forschungsschwerpunkt Fundraising an der TH Köln und daneben als freiberuflicher Berater gemeinnütziger Organisationen tätig, verfügt über eine mehr als 30-jährige Praxiserfahrung aus ca. 100 Beratungsprojekten zum Aufbau und Ausbau von Fundraising in großen und kleinen Einrichtungen. Zu speziellen Themen wurden von ihm zahlreiche Experten aus unterschiedlichsten Bereichen des Fundraising, welche ihr Wissen und ihre Erfahrung zu neuesten Entwicklungen eingebracht haben, befragt. Auch dadurch basiert das Werk auf einem breiten Fundament und ist wieder rundherum auf aktuellem Stand.
Fazit: Dieses vortreffliche Buch gibt den state of the art des Fundraising wieder und kann sowohl als Lehrbuch von Studierenden dieses Fachgebiets, als auch als Hand- und Nachlagewerk von Praktikern des Fundraising bestens genutzt werden.
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