Frankfurt gnadenlos entdecken
Frankfurt am Main - könnte man sagen - lässt sich als Tourist schnell entdecken: Vom Hauptbahnhof aus immer geradeaus über die Kaiserstraße, am Roßmarkt einen kleinen Abstecher zum Goethe-Haus, dem Römer und der Paulskirche machen, dann die Einkaufsstraße Zeil weiter entlang bis zu ihrem Ende, von dort rechts über die Alte Brücke Richtung Sachsenhausen und am Schaumainkai entlang wieder in Richtung Bahnhof. Wenn man diese Tour als Besucher geht, nimmt man all die Dinge wahr, für die die Mainmetropole bekannt ist: Goethe, Banken und Apfelwein und ist doch, vorausgesetzt man geht etwas zügiger, in einem halben Tag mit dem Programm durch. Dass Frank Berger und Christian Setzepfandt, akribische Sammler geschichtsträchtiger Orte in Frankfurt, das anders sehen werden, liegt auf der Hand, haben sie doch mit "101 Unorte in Frankfurt" ein Buch herausgegeben, das genau solche Orte nicht beleuchtet.
Eines gleich vorweg: Ja, es ist ein Reiseführer, und Nein, es ist kein Buch, das mit Superlativen um sich wirft und Plätze zeigt, die man unbedingt oder keinesfalls gesehen haben muss. Zwar kommt das Buch mit seinem dunklen Cover und dem poppigen Titel genau so daher, ein Blick in den Inhalt verrät aber schnell etwas anderes. Der studierte Historiker und der Kunsthistoriker werfen einen Blick auf die unbekannten aber keineswegs uninteressanten Ecken der Stadt.
Da ist zum Beispiel die Adorno-Ampel. Mitten an der Senckenberganlage, einer der großen Ringstraßen der Stadt gelegen, trennt sie das geschichtsträchtige Institut für Sozialforschung von der Goethe-Universität, auf der anderen Seite der Straße gelegen. Und genauso inbrünstig wie Theodor Adorno auf die Zivilisation und die Kulturindustrie schimpfen konnte, konnte er sich für das Wohl seiner Studenten, oder wenigstens deren pünktliches Erscheinen zu Vorlesungsbeginn kümmern. Adorno befürwortete an dieser gefahrenträchtigen Stelle das Aufstellen von "Verkehrslichtern", heute auch Ampeln genannt, nachdem 1962 ein Passant beim Überqueren der Straße getötet und auch eine Sekretärin des Instituts schwer verletzt wurde. Eine fast schon soziologische Dimension hat sein Leserbrief in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in dem er Autofahrern anlastet, Fußgänger als störende Objekte wahrzunehmen und nur polizeiliche Maßnahmen einen Sinneswandel bewirken könnten. Eine Genugtuung sollte er jedoch nicht erfahren, 1987, 18 Jahre nach Adornos Tod, wurde eine Ampel aufgestellt und Studenten und Dozenten können seitdem an der nach dem geistigen Vater dieser Lichtzeichens benannten Ort sicher die Straßenseite wechseln.
Wenn die Adorno-Ampel eine schräge Anekdote in der Stadtgeschichte ist, dann ist der Ostbahnhof am Danziger Platz schlichtweg hässlich. Und genau so wie die Autoren manche Orte mit viel Elan beschreiben, bei dem Ostbahnhof und anderen Orten bleiben sie in ihrer Wertung seltsam zurückhaltend. Ein kurzer Abriss der Geschichte des Bauwerks und seiner Funktion ist alles, was die Schilderung des Eindrucks begleitet. Dem dokumentatorischen Prinzips ihres Buchs bleiben sie dabei treu, einen Ansporn, den Ort zu besuchen oder es sein zu lassen liefern sie damit allerdings nicht. Spätestens hier wird deutlich, dass das Buch weniger für Touristen gedacht ist, die eine Stadt meist nur stundenweise oder wenige Tage kennen lernen, sondern dass es sich an eingesessene Frankfurter richtet, die ihre Stadt kennen und Orte und ihre Geschichte entdecken wollen, die man leicht übersieht, weil sie unscheinbar oder unbedeutend erscheinen, oder einfach nur in einer Gegend liegen, in die man sonst nie kommt. 101 Frankfurter Unorte ist ein schönes und spannendes Buch, deren Verfasser eine Menge Wissen über ihr Sujet mitbringen, stehen doch ihre Namen auch auf anderen, eindeutig als Reiseführer identifizierbaren Büchern. Ein Stadtplan jedoch würde das aufwendige Recherchieren und Ausdrucken von Plänen unnötig machen.
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