Fontane in Italien
Der "Nordlandsmensch" Theodor Fontane bevorzugte zwar Reisen in den Norden, etwa nach England oder Schottland, Dänemark, Frankreich, Belgien, aber dennoch besuchte er gleich zweimal das südliche Nachbarland Italien, was auch große Spuren in seinem Werk hinterlassen hat, wie Dieter Richter in dieser amüsanten und lesenswerten Lektüre nachweisen kann. Außerdem sind den entzückenden Betrachtungen Richters von Fontane in Italien noch zwei erstmals vollständig publizierte Städteportraits Fontanes hinzugefügt, die lange als verschollen galten.
Romam quaero
Mit seiner Frau Emilie machte er 1874 eine siebenwöchigen Tour durch Verona, Venedig, Florenz und Rom bis zum Golf von Neapel, gefolgt von einer zweiten Städtereise ein Jahr später, auf der er alleine durch Mailand, Genua, Pisa und Bologna kam ("In diesem Alleinsein schwelge ich ordentlich."). Das besondere an seinen Reisebeschreibungen ist sicherlich, dass sie fern von jeder Schwärmerei geschrieben sind und er dem Italien-Idealismus seiner Zeitgenossen skeptisch wenn nicht sogar mit Spott gegenüberstand. Die Floskel "Hat mich kalt gelassen", schreibt Richter, sei etwa ein wiederkehrendes Notat. Es fehlt also weder an trockenem Humor noch an Witz und Komik und Richter versteht es, die richtigen Zitate unterzubringen. Zudem ist durch die Aufzeichnungen von Fontanes Frau Emilie die Reise des Ehepaars die wohl bestdokumentierte zeitgenössische Italien-Reise des neuen, modernen Typus geworden, schreibt Richter.
"den Trouble und die Hetzjagd, in der wir leben"
Fontane war wohl einer der ersten Massentourismuskritiker in einer Zeit, in der diese Form der Landnahme gerade erst im Entstehen begriffen war. Schon früh mokierte er sich über die "Weltunterhaltung" Reisen: "Viele Menschen betrachten elf Monate des Jahres nur als eine Vorbereitung auf den zwölften, nur als die Leiter, die auf die Höhe des Daseins führt. Um dieses Zwölftel willens wird gelebt, für dieses Zwölftel wird gedacht und gedarbt". Aus einem Privileg für wenige sei fast ein Allgemeingut geworden. Als Inbegriff des oberflächlichen, ungebildeten und mit dem Baedeker von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit jagenden Touristen galt damals der Engländer. Carl Spitzweg hat ihm in seiner Ölstudie "Der Engländer in der Campagna" ein Denkmal gesetzt: statt in die Landschaft schaut er in seinen Reiseführer. Die Geburtshelferin dieser modernen Erscheinung, des Massentourismus, sei zweifellos die Eisenbahn gewesen, die die "Vernichtung von Raum und Zeit" bedeutete, wie Wolfgang Schivelbusch vermutete. "Entsetzliche Schnelle" bedeutete damals noch 25 bis 50 Kilomeeter in der Stunde. Eine Reise mit dem Berlin-Neapel-Express dauerte um 1900 38 Stunden. Soviel zum oben bereits angedeuteten "Trouble und die Hetzjagd, in der wir leben".
Die Fontanes genossen das Rundreisebillett, Baedeker, Gepäckträger, Grandhotel und Absinth im Café. In Notizbüchern und Briefen hielten sie ihre Beobachtungen fest, die großen Sehenswürdigkeiten in den Museen und die flüchtigen Begegnungen mit den Menschen. Obwohl Fontane dem Süden gegenüber skeptisch blieb, finden sich doch viele seiner Italien-Eindrücke in seinen großen Romanen wieder. Eine vergnügliche Lektüre mit vielen Abbildungen und zwei erstmals vollständig publizierten Stadtbeschreibungen Fontanes aus dem Nachlass.
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