Wertvolles Finanzwissen für mittelständische Unternehmen
Die wesentliche Zielsetzung der drei nacheinander verabschiedeten Basler Eigenkapitalvereinbarungen und MaRisk ist die größere Risikoorientierung der Banken bei der Kreditvergabe. Abgesehen von den derzeitigen und noch zu erwartenden Regelungen des Finanzsystems drängen viele Banken von sich aus auf eine stärkere Risikoorientierung - dies nicht zuletzt wegen der hohen Abschreibungen auf ihre risikogewichtete Aktiva infolge der Finanzkrise. Dies alles wird auch Auswirkungen auf die Finanzierung mittelständischer Unternehmen, die im besonderen Ausmaß von Bankkrediten abhängig sind, haben. Hier knüpft die vorliegende Publikation von Stefan Müller (Professor an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg), Matija Denise Mayer-Fiedrich (Professorin an der HSU) und Kai Brackschulze (Kreditrisikocontroller in einer Bank) an. Das sachverständige Autorenteam aus Wissenschaft und Praxis der Unternehmensfinanzierung spannt dafür den Bogen von nötigem Fachwissen in der Finanzierung über die Abbildung im Rechnungswesen und Risikocontrolling bis hin zum entscheidungsorientierten, nachhaltig wirkenden Management mittelständischer Unternehmen.
Neue Erkenntnisse in der Wissenschaft und Praxis der Finanzierung mittelständischer Unternehmen, vor allem aber die jüngsten regulatorischen Änderungen und der Zusammenbruch vieler Märkte für Mezzanine-Kapital (mit entsprechenden Konsequenzen für die Bewertung von Finanzierungsalternativen) haben umfassende Neubearbeitungen des Buches erfordert. Hinzu kamen die Änderungen der Bilanzierungsnormen durch das BilMoG mit den daraus abzuleitenden Auswirkungen auf das Selbstratingtool, welche die Verfasser veranlasst haben, der erfolgreichen Erstauflage dieses Buches die überarbeitete zweite Auflage folgen zu lassen.
Im einleitenden Kapitel werden die aktuellen regulatorischen Vorgaben für die Banken erläutert. In diesem Kontext wird zuerst auf die Eigenmittelunterlegung von Basel II und auf die Schwachstellen dieser Regelung im Lichte der weltweiten Finanzkrise eingegangen (asymmetrische Unterlegung unterschiedlicher Anlageklassen mit Eigenkapital und prozyklische Wirkung). Danach werden die Ziele und Maßnahmen des in 2010 beschlossenen neuen Basler Eigenkapitalakkords referiert und es wird analysiert, welche Folgen von Basel III und MaRisk für die Finanzierung mittelständischer Unternehmen abzuleiten sind.
Der erste Schwerpunkt des Buches widmet sich der Optimierung der Risikoposition und dessen Darstellung gegenüber der Bank. Hierzu wird zuerst ein (auch als Excel-Tool auf der beiliegenden CD mitgeliefertes) Selbstratingsystem, das auf einer Analyse verschiedener bankinterner Ratingsysteme aufbaut, vorgestellt. Damit können zum einen Risiken im Unternehmen systematisch erkannt und bewertet werden und zum anderen wird ein Einblick in die Funktionsweise bankinterner Ratingsysteme geboten. Der Vorgang des Erkennens und Bewertens von Risiken ist kein einmaliges Vorhaben, sondern ein Prozess, der dauerhaft im Unternehmen zu implementieren und in ein ganzheitliches Risikomanagement einzubetten ist. Folgerichtig wird deshalb auch noch gezeigt, wie die Erkenntnisse des Selbstratings zur Analyse von Schwachstellen genutzt werden können und welche Veränderungen am betrieblichen Controllingsystem nötig sind, damit Risikoerkennung und -steuerung als dauerhafter Prozess verankert werden. Von besonderem Interesse für die Unternehmenspraxis ist dabei die Integration des vorgestellten Total-Return-on-Total-Assets-Kennzahlensystems in das RL-Kennzahlensystem und die Segmentführung sowie die Berücksichtigung der qualitativen Aspekte und Dimensionen mittels der Balanced Scorecard. Damit lässt sich aus der "Pflichtübung" der Ratingoptimierung zweifelsohne eine "Kür" ableiten, um die Stabilität des Unternehmens zu erhöhen.
Nicht alle Unternehmensrisiken können bzw. sollen eliminiert werden. Vielmehr gehört es zum Charakter unternehmerischer Tätigkeit, bewusst auch Risiken einzugehen. Für deren Absicherung ist es jedoch unabdingbar, mittels eines an der Risikosituation ausgerichteten aktiven Finanzmanagements einen ausreichenden finanziellen Spielraum zu schaffen. Damit befasst sich der zweite Schwerpunkt des Buches. Zuerst wird referiert wie Eigenkapital zur Absicherung unternehmerischer Risken beitragen kann. Danach erfolgt eine Diskussion verschiedener Finanzierungsinstrumente, auf welche von mittelständischen Unternehmen, alternativ zum nach wie vor dominierenden Bankkredit, zurückgegriffen werden kann. Derartige Alternativen sind z. B. Beteiligungsgesellschaft, Börsengang, stille Gesellschaft, Nachrangdarlehen, Genussrechte, Wandel- bzw. Optionsanleihen, Leasing, Factoring, Mittelstandsanleihen und Schuldverschreibungen. Jedes dieser Instrumente wird beschrieben und bewertet. Von besonderem Interesse für die Finanzpraxis sind abschließend die konkreten Finanzierungsempfehlungen in Abhängigkeit der Präferenzen mittelständischer Unternehmen, wie zum Beispiel Eigenkapitalverbesserung, Risikofinanzierung, Wahrung der Unabhängigkeit und kostengünstige Finanzierung.
Fazit: den Verfassern ist es hervorragend gelungen, den hybriden Ansatz des vorliegendes Buches deutlich zu machen: speziell kleine und mittlere Unternehmen müssen sich einerseits stärker als bisher mit Risiken im Unternehmen auseinandersetzen, um ein gutes Rating für die Bankkredite zu erhalten. Andererseits müssen diese Unternehmen ihre Finanzstrategie überdenken und Finanzierungsalternativen verstärkt in das Kalkül einbeziehen. Da es in diesem Buch und der beiliegenden CD nicht nur um Wissensvermittlung geht, sondern auch um eine Anregung zur aktiven kritischen Reflexion über die Risiko- und Finanzierungsverhältnisse in einem Unternehmen, eignet sich dieses Werk in erster Linie für Fach- und Führungskräfte im Rechnungs- und Finanzwesen mittelständischer Unternehmen sowie für deren Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Darüber hinaus kann das Buch auch allen Studierenden an Hochschulen und weiterbildenden Einrichtungen empfohlen werden, welche sich vor allem mit der Finanzierung von mittelständischen Betrieben fundiert befassen wollen.
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