Kino der Verdammnis im Überblick
Eigentlich stamme der Begriff von französischen Kritikern des US-Films, wurde aber erst im Nachhinein als solcher definiert. Raymond Borde und Etienne Chaumeton prägten den Begriff erst 1955 für die Filme der 40er-Jahre, auch wenn bereits in den 1930er-Jahren einige Filme als noir bezeichnet wurden, wie Grob einräumt. Der Film Noir greife auf ein ästhetisches Reservoir zurück und sei ein "transnational cultural phenomenon" (Andrew Spicer) gewesen, das sich besonders durch die Erfahrung der Sinnlosigkeit des Krieges als eigene Kulturströmung neben Surrealismus, Existentialismus u. ä. langsam etabliert habe. Und wie Norbert Grob betont: das bis heute andauert. Denn die menschlichen Erfahrungen, die im Noir ausgedrückt werden, sind tatsächlich universell: Träume vom anderen, besseren Leben, einer neuen Frau, von einer Menge Geld, am Ende aber nur Fehlschläge und Enttäuschung, Kümmernis und Leid.
Das "Kino der Verdammnis" habe seine pessimistische, zynische oder nihilistische Sichtweise nicht immer der Realität verpflichtet, sondern nur im Ansatz, wie Grob betont. Es zeige oft Männer am Rande des Zusammenbruchs und wie es der Philosoph Josef Rauscher schon ausdrückte, liege die Zukunft nicht noch vor diesen, sondern in eigentümlicher Weise bereits in der Vergangenheit begraben. Ultimativ sei der Noir, Superlative und Absolutheitsansprüche wechselten sich ab, Paradigmen am Rande, auf Ergänzungen, Kontraste, Widersprüche. Im Zentrum steht selbstverständlich die Großstadt als das große Versprechen auf ein besseres Leben: nur hier könne sich von einem Augenblick zum anderen alles abrupt ändern. Darin liegt die Chance und das Unglück zugleich. Anders als in den Genres Western oder Gangsterfilm, die durch die Konventionen des Schauplatzes und des Konflikts definiert sind, sind beim Film Noir eher die subtileren Qualitäten des Tons und der Atmosphäre ausschlaggebend. Die Nacht und die damit verbundene Ausleuchtung sind entscheidend. "Noir ist keine Farbe, sondern eine Struktur", zitiert Grob Sabine Horst. Licht wird nicht für "exposure", sondern für "mood" benutzt, so Johan Alton, der Kameramann des Film Noir. Es gibt keine Zukunft, nur den melancholisch-schönen Schein des Scheiterns, künstlerischer Ausdruck für Protest und Widerstand, so Grob über den Film Noir.
Die rabenschwarzen Fantasien über Einsamkeit und Angst, Kriminalität, Fatalität und Tod stellen heimatlose Helden in den Mittelpunkt, die meist zerrissen sind zwischen dem Onirischen (Traumhaften) und dem Tragischen. Es seien "moderne Don Quichottes, die gegen die Windmühlen ihrer eigenen Träume anrennen", so Grob. "Im günstigsten Fall schaffen sie es, am Ende nicht mehr zu sein, was sie zuvor stets waren." Die schwachen, melancholischen Männer des Film Noir wirken wie Gegenbilder zu den ewigen Siegern des Kinos, Paul Schrader beschreibt ihn mit den Worten: "scheut sich vorwärts zu sehen und versucht statt dessen Tag für Tag zu überleben; falls er das nicht schafft, zieht er sich in seine Vergangenheit zurück". Auf die Frage ob man gewinnen könne, antwortet er: "Man kann auch langsam verlieren." Oft werden sie auch zu Spielfiguren kaltherziger Frauen, die sie für ihre Pläne mißbrauchen: die femmes fatales.
Das vorliegende Buch zum Thema Film Noir als Filmgenre beinhaltet neben der erwähnten Einleitung von Grob eine Vielzahl von Rezensionen zu Filmen des Genres von 1940 bis heute, darunter auch Memento, Se7en, Black Dahlia oder Bad Lieutenant. Ein Register der Filmtitel sowie ein Verzeichnis der Autorinnen und Autoren schließen den bebilderten Band ab.
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