Deutschland im freien Fall?
Der seit einigen Jahren laufende Reformprozess in Deutschland wird publizistisch in nahezu unüberschaubarer Fülle begleitet und kommentiert. Zu beinahe keinem Thema aus den unterschiedlichsten Ressorts fehlt es an Stellungnahmen von Politikern, Journalisten, Politologen oder Historikern. Die Qualität einzelner Darstellungen variiert dabei sehr stark.
Das vorliegende Buch der beiden SPIEGEL-Redakteure Stefan Aust und Gabor Steingart sowie dem ZDF-Frontal 21 Leiter Claus Richter reiht sich in die Flut von Veröffentlichungen über den Standort Deutschland und die Zukunft der Bundesrepublik nahtlos ein. Die Hauptaussage steckt dabei bereits im Untertitel: Der einstige Superstar hat einen seit 30 Jahren anhaltenden Karriereknick und könnte in den nächsten Jahren endgültig in die hinteren Reihen verschwinden, wenn sich nicht etwas Grundlegendes ändert in diesem Land. Wie diese Änderungen aussehen sollen bzw. warum es überhaupt zu dieser Fehlentwicklung kommen konnte, wird anhand von Zeitzeugenstatements verschiedener Politiker, Gewerkschafter, Unternehmer und Wissenschaftler dargelegt. Leider erfährt man nicht viel Neues. Zu einseitig ist die Auswahl der Zeitzeugen. Daher verwundert es nicht, wenn beinahe alle in das gleiche Horn blasen und die der Öffentlichkeit leidlich bekannten Thesen des "Weniger" immer wieder für die scheinbar gegenwärtig so miserable wirtschaftliche Situation herhalten müssen. Auch der Untertitel, "Abstieg eines Superstars", ist nicht zufällig gewählt. So lautete schließlich auch der Untertitel des Bestsellers von Gabor Steingart, Mitherausgeber auch dieses Bandes. Die Marschrichtung ist somit von vornherein klar. Besser wird das Buch dadurch nicht.
Das Gesamtkonzept der Autoren will nicht so recht aufgehen: Zu viel Raum wird den Beteiligten gelassen. So rechtfertigen ehemals führende Politiker ihr Handeln aus der Rückschau als alternativlos. Nachher weiß man es halt immer besser. Es stellt sich dem Rezensenten bei der Lektüre des Werkes ständig die Frage, was die Intention des "Fall Deutschland" sein könnte: Aufzeigen der gegenwärtigen Probleme? Ein Herausbringen aus der Krise anhand vernünftiger Lösungsvorschläge? All das vermag das Buch nicht einzulösen. Was bleibt, ist eine mitunter kurzweilige Lektüre, die manch spannendes und interessantes Detail über Politiker und Personen des öffentlichen Lebens enthält. Zur informativen Lektüre reicht es dann aber nicht. Zu oberflächlich bleiben die zu Wort kommenden Protagonisten. Der Laie wird vielleicht das eine oder andere Neue entdecken. Dem bereits vorgebildeten Leser wird jeder zweite Satz bekannt vorkommen. Für Letztere hält der Büchermarkt weitaus spannendere und vor allem ausgewogenere Werke bereit.
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