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Jens Klose: Europäische Wirtschaftspolitik

Die europäische Fiskal- und Geldpolitik

"Europa ist einzigartig! Nirgendwo auf der Welt gibt es einen solch engen Staatenbund, bestehend aus so vielen Industrieländern. Darüber hinaus teilt sich ein Großteil dieser Staaten die gleiche Währung: den Euro. Dieses Konstrukt bringt den Bürgern der EU zahlreiche Vorteile……
Trotz all dieser Vorzüge steht die europäische Idee heute mehr denn je auf der Kippe. In zahlreichen Staaten Europas erhalten europakritische Parteien teilweise rasanten Zulauf, Großbritannien wird Stand heute als erstes Land die Europäische Union wieder verlassen, es gibt einen zunehmenden Dissens der Mitgliedstaaten in Fragen der Flüchtlingspolitik oder der Euro-Krisenpolitik." (Vorwort, S. VII)

Vor dem Hintergrund dieses Spannungsverhältnisses macht Jens Klose, Professor im Fachbereich Wirtschaft der TH Mittelhessen, deutlich, dass die Unzufriedenheit vieler Bürger und Politiker mit Europa zum einen darin begründet wird, dass Europa und die damit verbundenen Vorteile als selbstverständlich erachtet werden. Zum anderen aber besteht auch ein Kommunikationsdefizit der europäischen Institutionen mit den Bürgern. Hier knüpft die Zielsetzung der vorliegenden Publikation an. Der Verfasser - ein überzeugter Europäer, für den die Vorteile Europas die Nachteile weit überwiegen - will mit diesem Buch einen Beitrag dazu leisten, Europa und seine Institutionen darzustellen und dabei insbesondere den Blick auf die europäische Wirtschaftspolitik zu erweitern.

Kapitel 1 "Die europäische Wirtschaftsintegration" widmet sich der Entstehungsgeschichte der europäischen Wirtschaftspolitik: ausgehend von den Anfängen der europäischen Integration nach dem zweiten Weltkrieg über die Europäische Union (EU) und deren Institutionen bis hin zur Europäischen Währungsunion. Im Hinblick auf einen eventuellen Austritt aus der Währungsunion verweist der Autor am Beispiel Griechenlands auf die damit verbundene Problematik und bezweifelt, ob der Vorteil der nach einem Austritt möglichen Abwertung und der damit einhergehenden Wettbewerbsverbesserungen den Nachteil einer höheren Schuldenlast tatsächlich kompensieren wird. Den Vorschlag eines "Ausstiegs light" mittels Einführung einer Parallelwährung hält der Verfasser für zu kompliziert und befürchtet gleichermaßen die damit verbundenen gravierenden Nachteile für Griechenland.

Kapitel 2 "Die europäische Fiskalpolitik" führt zuerst in die Grundlagen der Fiskalpolitik ein und erläutert hierbei Basisbegriffe und fiskalische Wirkungsweisen, welche in den letzten Jahren auch im europäischen Kontext größere Bedeutung erhalten haben, etwa Staatsverschuldung, Defizit und Schuldenstandsquote. Danach wird der EU-Haushalt, also das Kernstück der europäischen Fiskalpolitik, näher beleuchtet und abschließend die Koordinierung der nationalen Wirtschaftspolitiken in der EU erörtert. Im Mittelpunkt dabei steht der Stabilitäts- und Wachstumspakt, gewissermaßen als das zentrale Koordinationsinstrument.

Kapitel 3 "Die europäische Geldpolitik" befasst sich anfangs eingehend mit den Grundlagen der Geldpolitik (u. a. Geldmengenaggregate, Geldschöpfungsprozess sowie Aufgaben, Ziele und Instrumente der Geldpolitik) und widmet sich danach den Besonderheiten des Eurosystems, einschließlich des Aufbaus des Eurosystems sowie der Ziele, Strategie und Instrumente der EZB.

Kapitel 4 "Zusammenspiel von Fiskal- und Geldpolitik in Europa" untersucht die Interdependenzen zwischen der Fiskal- und Geldpolitik, welche in einer Währungsunion mit immer noch nationalen Fiskalinstitutionen besonders stark sind. Dies geschieht anhand von vier Modellen, welche meist aufeinander aufbauen und verschiedene Anwendungsbeispiele innerhalb Europas finden.

Kapitel 5 "Die Europäische Fiskal- und Geldpolitik in der Finanzkrise" untersucht die aufgrund der Krisen ergriffenen Änderungen und deren erste Auswirkungen. Auf fiskalischer Seite geht es dabei u. a. um das breite Spektrum der Sixpack- und Twopack-Reformen, den Euro-Plus-Pakt und die Europa-2020-Strategie, den sog. "Fiskalpakt" und nicht zuletzt um den europäischen Krisenmechanismus (ESFM, EFSF und ESM). In geldpolitischer Hinsicht geht es um neue Maßnahmen im Bereich der Refinanzierungsgeschäfte und der Zinsen, d. h. um eine Ausweitung des "Standardinstrumentariums", sowie um Aufkaufprogramme verschiedener Anleihen (CBPP, SMP, OMT, APP mit vier Teilprogrammen) und um sonstige Maßnahmen. Zu diesen zählen u. a. die neu eingeführte Forward Guidance und die Veröffentlichung von Sitzungsprotokollen des EZB-Rates sowie die mit der Bankenunion verbundenen Elemente. Abschließend wird die mögliche Fortentwicklung Europas diskutiert und in diesem Zusammenhang vor allem der Vorschlag des Sachverständigenrats zum Konzept Maastricht 2.0, welches neben der auf nationaler Ebene verbleibenden Fiskalpolitik die Installierung eines Krisenmechanismus für Europa und die bereits weitgehend realisierte Finanzmarktregulierung umfasst.

Das vorliegende Werk ist in einer gut verständlichen Sprache verfasst und eine Vielzahl anschaulich aufbereiteter Abbildungen bzw. Tabellen unterstützt das Verständnis für komplexere Zusammenhänge. Multiple-Choice und etliche Übungsaufgaben am Ende eines jeden Kapitels ermöglichen eine individuelle Lernzielkontrolle sowie eine praxisnahe Anwendung der vermittelten Lehrinhalte. Entsprechende Lösungsskizzen können über die Internetseite zum Buch abgerufen werden.

Wer immer eine fundierte und kompakte Einführung in die grundlegenden Fragen und Themen der europäischen Fiskal- und Geldpolitik sucht, dem kann dieses gelungene Lehrbuch empfohlen werden.


von Bernd W. Müller-Hedrich - 20. März 2018
Europäische Wirtschaftspolitik
Jens Klose
Europäische Wirtschaftspolitik

Schäffer Poeschel 2018
318 Seiten, broschiert
EAN 978-3791040141