Erziehung - gestern und gewaltfrei, Theorie und Praxis
Zwei Bücher, die sich mit Erziehung beschäftigen: Ein Sammelband zur historischen Bildungsforschung und eine Monographie vom Begründer der gewaltfreien Kommunikation.
Erziehungsgeschichte spezial
Aus wissenschaftlicher Perspektive beschäftigt sich der Sammelband in einzelnen Aufsätzen mit Einzelaspekten der Geschichte der Erziehung und den Verhältnissen, in denen Kinder und Jugendliche lebten. Die Herausgeber orientieren sich in ihrem Verständnis von Erziehung an Kant, der davon ausgeht, dass "der Mensch erst durch Erziehung zum Menschen wird" (S. 7).
In drei Kapiteln gliedern sich die Aufsätze: Das Kapitel "Kindheiten" beinhaltet drei Aufsätze, die sich der Kinderladenbewegung der 1970er Jahre (bei der es sich mehr um die "Selbstthematisierung der Erwachsenen", S. 30, gehandelt haben soll), der Geschichte eines Kinderbuchs und den Tagesablauf einer Neunjährigen im Jahr 2000, dessen Abschnitte die Autorin Sinn zu- oder abspricht. In den "Selbstzeugnissen" geht es anschließend um "Starke Frauen im Kloster" im 17. Jahrhundert, Kommunikation von Frauen im 18. Jahrhundert, eine deutsche Lehrerin in Brasilien im 19. Jahrhundert und anderes mehr. In den "Reflexionen" wird es in zwei Beiträgen richtig theoretisch. Der letzte Aufsatz hat eine Karteikarte von Joseph Beuys und deren "verschiedene objektive Sinnschichten" zur Grundlage, anhand derer "metatheoretisch" nachgedacht wird.
Der Sammelband bietet somit Beiträge zu speziellen Forschungsthemen in der historischen Erziehung. Eingefleischte universitäre Pädagogen haben sicher ihre Freude daran. Und die Beiträger freuen sich über einen weiteren publizierten Aufsatz.
Für einen reibungsloseren Schulalltag
Ebenfalls an Pädagogen, allerdings an die in der Praxis tätigen, richtet sich Rosenbergs Buch der gewaltfreien Kommunikation (GfK) im Schulalltag. Das macht sich schon in der viel einfacher verständlichen Sprache bemerkbar. Überhaupt nimmt Sprache in der GfK eine große Rolle ein, ist sie doch ein Mittel der Kommunikation. Prinzipien der GfK sind unter anderem, in der Kommunikation nicht zu werten oder zu moralisieren, Bedürfnisse zu hören und zu erfüllen sowie Gefühle auszudrücken. Es geht um ein schöneres Leben und friedliches Miteinander zwischen allen Beteiligten.
Was sich gut anhört, ist bis zu einem gewissen Grad auch sehr sinnvoll. Vertreter der GfK tendieren jedoch meist dazu, die Ursache aller zwischenmenschlichen Probleme und Konflikte in einer nicht-gewaltfreien Kommunikation zu sehen. Festgebackene Strukturen und Rollen, die Menschen funktionell ausfüllen, haben jedoch einen wesentlichen Anteil, der sich nicht auf einer Ebene lösen lässt, auf der nach den Bedürfnissen gefragt wird, um sie anschließend erfüllen zu können.
Erfreulich ist es daher, dass es im Kontext der Schule heißt "Das System verändern" (S. 28) - denn es geht eigentlich nicht nur um eine neue Lehrmethode. Aber auch hier hat die GfK ihre blinden Flecken, die überraschen: Es stehen nicht die Schüler im Mittelpunkt, wonach sich die Schule und die Lehrer ausrichten müssten, sondern die Bedürfnisse von Schülern und Lehrern. Letztere haben doch tatsächlich das "Bedürfnis zu lehren" (S. 38), dem Rechnung getragen werden müsse. Das hat letztlich zur Folge, dass es doch einen Unterricht gibt, bei dem das passiert, was die Lehrer wollen. Wenn es deren "Anliegen" ist, dass die Schüler nach ihrer Pfeife tanzen sollen, dann heißt es in der GfK nicht "du musst", sondern "ich möchte, dass".
Trotz aller Kritik Rosenbergs an "dominanzbasierten Systemen" läuft es schließlich auch nicht viel anders als sonst: Die Lehrkraft dominiert das Geschehen und die Schüler machen, was sie sollen. Nur läuft der Betrieb geschmierter, weil plötzlich Verständnis füreinander da ist. Was gelernt wird, ob es die Schüler interessiert oder ob es irgendeinen Bezug zu ihrer Lebenswelt hat, ist in diesem Konzept schlicht egal. Schade um den guten Ansatz.
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