Familienhorror sui generis
"Are you Henry?" ist der erste Satz, der nach zehneinhalb Minuten schieren Terrors in Eraserhead fällt, dem Skandal- und Kultfilm der 1970er-Jahre. Er durchbricht die Atmosphäre eines Atomkriegs, die stilistisch mit Planetenaufnahmen und düsteren S/W-Aufnahmen hergestellt wird. "Eraserhead is a slideshow of nothing but the brain of David Lynch", schrieb der englische The Guardian zum 40-jährigen Jubiläum des Films 2017. Jetzt hat Studiocanal den wohl "letzten Avantgardefilm der Filmgeschichte" neu aufgelegt. Im Zentrum: the terror of procreation.
Vatersein ist schwer
Henry, der junge Protagonist mit wildem hairdo, kommt zu seinem Baby wie die Jungfrau zum Kind. Bei einem Abendessen mit den Eltern seiner Freundin Mary erfährt er, dass er der Vater sei. Aber sexuelle Berührungen und Annäherungen konnten eigentlich noch keine beobachtet werden. Henry nimmt das Kind aber als seines an, auch wenn es Mary und ihn die ganze Nacht wach hält. Mary verschwindet, da sie nicht schlafen kann und so ist Henry bald alleine mit dem Balg. Nach unterschiedlichen Tag- und Nachtträumen, die tief in das Innere des Lynch’schen Universums führen, beschließt er aber das Baby zu töten. Alan Splets bewegendes Sounddesign, das hauptsächlich aus industriellem Maschinenstampfen besteht und die außergewöhnliche Schwarzweißfotografie von Frederick Elmes und Herbert Cardwell machen aus Eraserhead ein Monument der Filmgeschichte sui generis, an dem sich auch viele andere Regisseure noch bedienten. Aber auch der Schweizer Künstler und Alien-Schöpfer HR Giger dürfte von dem Film zumindest "inspiriert" gewesen sein.
Muttersein noch mehr
Wenn die Frau hinter dem Radiator das Lied "In Heaven" intoniert oder Henry der Kopf abfällt und darunter ein Alien-Baby zum Vorschein kommt, glaubt man sich zuerst in einem Albtraum wiederzufinden, aus dem es kein Erwachen zu geben scheint, werden doch aus Henrys Gehirn Radiergummis hergestellt. Die wohl berühmtesten Szenen aus Eraserhead dürfen hier durchaus verraten werden, da sie zum Allgemeingut der Cinematographie geworden sind, den Film selbst sollte man sich aber unbedingt wieder einmal ansehen, um sich mit der eigenen Vaterschaft oder pränatalen Erfahrungen vertraut zu machen. Der "terror of procreation" wird dadurch zwar nicht erträglicher, aber ein Trost ist es doch, wenn es dann nicht ganz so schlimm kommt. Ein Film für junge Väter/Mütter und werdende Familien, damit sie wissen, was noch alles auf sie zukommt. Absolut empfehlenswert.
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HR Giger