Sebastian Marx: Episcopus emeritus Ecclesiae Romanae

Über Päpste im Ruhestand

Der Amtsverzicht von Papst Benedikt XVI., am 11. Februar erklärt und zum 28. Februar 2013 wirksam geworden, war ein außerordentliches öffentliches Ereignis von Kirchen-, Zeit- und Mediengeschichte. Sebastian Marx untersucht in einer subtilen, differenziert erarbeiteten Studie die Rolle des Nachfolgers Petri. Er berücksichtigt die kirchenrechtlichen Vorschriften und legt zugleich eine theologische Arbeit über das Werk Joseph Ratzingers vor. Zugleich stellt er Reflexionen zu künftigen Regelungen für den Ruhestand von Päpsten an.

Vor Benedikt XVI. trat Coelestin V.  1294 nach einem kurzen Pontifikat aus freiem Entschluss zurück, in ganz anderen, kirchlich wie geschichtlich höchst schwierigen Zeiten. Benedikt lebte nach dem Rücktritt noch knapp 10 Jahre im Vatikan, stets loyal gegenüber seinem Amtsnachfolger Franziskus, den er stärkte und stützte. Öffentlich umstritten war, so Marx, die „Weißgewandung“ des ehemaligen Pontifex. Die deutlichen Unterschiede der Soutanen von Benedikt und Franziskus waren zwar weithin sichtbar, aber in vielen Medien wurde auch der Ruheständler noch als Papst wahrgenommen. Zudem führte er den Titel „Papa Emeritus“, also emeritierter Papst. Nach Marx‘ Auffassung sollte eine solche Bezeichnung künftig vermieden werden. Der Bischof von Rom ist Papst der Weltkirche, tritt aber der Bischof in den Ruhestand, so ist er künftig emeritierter Bischof von Rom, nicht aber ein emeritierter Papst. Dieser Titel sollte dem alleinigen Amtsträger vorbehalten sein. Marx argumentiert nicht nur kirchenrechtlich, sondern zieht auch Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils hinzu. Zudem stellt er Reflexionen über die Rolle und Aufgabe eines Diözesanbischofs an, der in den Ruhestand tritt und dann als Altbischof weiter der Diözese angehört, bischöfliche Aufgaben, die mit der Weihe verbunden sind, wahrnimmt, aber nicht mehr das Amt des Oberhirten seines Bistums innehat.

Bemerkenswert sind die Darlegungen über die „Fremdlingssituation der Kirche“, die Marx mit Ratzinger auch für Rom anstellt. Jede Kirche ist in eine „heidnische Umwelt“ gestellt, die als „Fremde in der Fremde“ wirkt und dort Gott verkündigt. Petrus ist das „Sinnbild für die Situation der Kirche“: „Diese Fremdlingssituation der Kirche in der Welt weist auf ihr eigenes Fundament hin: das gnadenhafte Handeln Gottes, das der erste und letzte Grund jeder kirchlichen Existenz ist. Was nach menschlichem Ermessen undenkbar erscheint, wird aus Gnade möglich. Dies gilt auch für das Felssein Petri, das gerade in der wesenhaften Unvereinbarkeit des verfehlenden Jüngers und seiner dennoch erfahrenen Berufung Ausdruck findet.“ Wenn dem Nachfolger im Petrusdienst die Kraft fehlt, das Amt weiterhin dauerhaft auszuüben, zu dem er durch die Kardinäle und, dem Glauben der Kirche entsprechend, durch den Heiligen Geist erwählt ist, dann kann er nicht nur, sondern muss auch – wie Benedikt XVI. ausgeführt hat – auf sein Amt verzichten. Amt und Person sind also nicht vollkommen identisch, so kann es also zwar nicht zwei Päpste geben, wohl aber einen Bischof von Rom im Ruhestand, der neben seinem Nachfolger lebt und wirkt, als einfacher Arbeiter im Weinberg des Herrn, dem neuen Papst in bedingungslosem Gehorsam ergeben. Franziskus kann auch Entscheidungen seines Vorgängers rückgängig machen. Benedikt XVI. etwa hatte den Titel „Patriarch des Abendlandes“ abgelegt: „Auf der Grundlage der geschichtlichen und theologischen Gegebenheiten geschah dies auch und explizit mit Blick auf mögliche ökumenische Bemühungen. Damit einhergehend verzichtete er auf jede administrative Implementierung für den Bereich der Ostkirchen.“ Franziskus hat diesen Titel jedoch später wieder aufgenommen. Was der Vorgänger aus historischer Einsicht und in ökumenischer Absicht tat, korrigierte der Nachfolger, ohne diese Handlung eigens begründen zu müssen. Gläubige und Interessierte mögen darüber staunen, aber auf diese Weise handelt der Organismus Kirche mit ihren wechselnden Oberhäuptern. Wer auf das Amt verzichtet hat, der besitzt „keinerlei Teilhabe am Papstamt“ und nimmt, auch als ehemaliger Papst, die Entscheidungen des Nachfolgers als Weisungen des Papstes an: „Der emeritierte Bischof der Kirche von Rom hat aufgrund seines Amtsverzichts keine bleibende Teilhabe am päpstlichen Lehramt. Die ihm in der Weihe vermittelte bischöfliche Lehraufgabe besteht unvermindert fort, kann aber aufgrund ihres Wesens nur in der Einheit mit dem Lehramt der Kirche vollzogen werden (c. 756 § 2). Auch er steht unter der Leitungs- und Aufsichtspflicht des Diözesanbischofs seiner ehemaligen Diözese. Ihm selbst kommt diese Aufgabe nicht zu, da sie untrennbar mit der diözesanen Leitungsgewalt verbunden ist, die der Emeritus mit dem Amtsverzicht abgelegt hat.“

Kritisch sieht Marx die „weiße Kleidung“ von Benedikt XVI., diese Praxis sei „nicht nachvollziehbar“ gewesen, weil diese „aufgrund der traditionellen Nutzung durch die jeweiligen Amtsinhaber zum Zeichen für das Papstamt der Kirche geworden ist und innerhalb der kirchlichen Hierarchie ein Alleinstellungsmerkmal darstellt“. Nun tragen aber mitunter auch andere Bischöfe weiße Gewänder (catholicnewsagency.com: Warum waren die Bischöfe weiss gekleidet, als sie den Papst empfingen?), insoweit erscheint diese Betonung der Kleidung doch ein wenig unangemessen. Es bestand ja in der Öffentlichkeit kein Zweifel, dass der amtierende Papst Franziskus war und nicht länger Benedikt XVI. Auch solle, so Sebastian Marx, ein emeritierter Bischof von Rom wieder „einzig seinen bürgerlichen Namen“ tragen, denn der „Papstname“ sei „untrennbar mit dem Papstamt“ verbunden. Es scheint, als sollten hier mehr Rechtsvorschriften verlassen werden, als unbedingt nötig sind. Der Autor sieht mit Sorge, dass die Wahrnehmung entstehen könnte, es gebe faktisch nun doch zwei Päpste – aber sind solche niemals auszuschließenden Sehweisen ein Anlass zur Sorge? Die Kirche ändert ja auch nicht ihre Lehre, nur weil säkulare Zeitgenossen dies vehement fordern. Römisch-katholische Gelassenheit in solchen Fragen scheint hier angezeigt zu sein.

Sebastian Marx legt eine detail- und facettenreiche Studie vor, die vornehmlich Theologen interessieren wird, aber auch für Leser aus anderen Wissenschaftsbereichen wertvolle Einsichten bietet. Über das Papsttum und manche damit verbundene ziselierte Frage kann eine interessierte Leserschaft, die diesen umfangreichen Band zur Hand nimmt, viel lernen.

Episcopus emeritus Ecclesiae Romanae
Episcopus emeritus Ecclesiae Romanae
Eine kanonistische und rechtshistorische Untersuchung des päpstlichen Amtsverzichts unter besonderer Berücksichtigung der Verzichtsleistung Papst Benedikts XVI.
514 Seiten, broschiert
EAN 978-3428186747

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