Gefangen in der Intellektuellenhaut
"Roman 1987", "16.07.41", "Elfter Roman, achtzehntes Buch"- Dag Solstad scheint ein Faible für ungewöhnliche Titel zu haben. Fast möchte man von Anti-Titeln sprechen, haben sie doch nichts mit den jeweiligen Inhalten zu tun. Der 16. Juli 1941 ist Solstads Geburtstag, 1987 erschien der gleichnamige Roman und "Elfter Roman, achtzehntes Buch" ist schlicht und einfach sein elfter Roman, sein achtzehntes Buch zum damaligen Zeitpunkt.
Dass Solstad einer der bekanntesten Autoren Norwegens ist, hat aber andere Gründe. Den renommierten norwegischen Literaturkritikerpreis hat er als einziger schon dreimal erhalten, ausserdem gilt er als norwegischer Anwärter auf den Literatur-Nobelpreis. Da war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis sein erstes Buch ins Deutsche übersetzt wird. Mit "Elfter Roman, achtzehntes Buch", 1992 im Original erschienen, ist es nun soweit.
Im Zentrum des Romans steht das Intellektuellendasein von Bjørn Hansen, der als Kämmerer (ein Steuereintreiber) hinter der Maske der Bürgerlichkeit lebt, sich aber innerlich zunehmend von ihr entfremdet. Vor gut 18 Jahren jagte er das letzte Mal einer Illusion nach, verliess seine Frau und den zweijährigen Sohn, um seiner Geliebten Turid Lammers von Oslo in die Provinzstadt Kongsberg zu folgen. Doch die Leidenschaft zu Turid flaut ab. Lange spielt er noch den Eifersüchtigen, weil die beiden sonst nichts mehr zusammenhält. Und die heiteren Operetten der Theatergruppe, bei der Turid als treibende Kraft und er als Anhängsel mitwirken, sind ihm zu banal. Tragisch liest es sich, wenn er, gefangen in seiner Intellektuellenhaut, sich selbst in der Schauspielkunst versucht - und dabei selbst realisiert, wie sehr ihm das misslingt.
Hansens Schicksal ist die Ernüchterung. Vier Jahre nach der Trennung zieht sein grossgewordener Sohn Peter bei ihm ein, um sein Optikerstudium in Kongsberg in Angriff zu nehmen. Hansen freut sich auf das Zusammenleben - vergeblich. Vater und Sohn finden keine Gemeinsamkeiten und bleiben sich nicht nur fremd, der Sohn ist dem Vater gar zunehmend unsympathisch. Ironischerweise ist auch er ein einzelgängerischer Aussenseiter.
Hier nun, als Hansen dem Leben immer gleichgültiger gegenübersteht und feststellen muss, dass es ihm seine Fragen nie hat beantwortet können, fasst er einen Plan, welcher der Spannung zuliebe nicht verraten werden soll. Nur so viel: Hansen will und wird sich dank der Mithilfe eines drogensüchtigen Arztes ein für allemal von der bürgerlichen Welt verabschieden, ohne aus dem Leben zu scheiden.
Hansen ist nicht zuletzt wegen seiner häufigen Reflexionen ein Aussenseiter. Dies stellt Solstad mit einem psychologisch-realistischem Stil eindrücklich dar. Immer wieder folgt man Hansens analysierenden und langfädigen Gedankengängen, in denen seine Konflikte auf sehr anschauliche Weise erörtert werden. Das liest sich aber alles andere als langatmig. Solstad lässt einen mit viel Sinn für Spannungsbogen und in einem sanft schaukelnden Rhythmus über die Seiten fliegen, so dass das Buch allzu schnell ausgelesen ist und einem eigentlich nur eines übrig bleibt: sich auf die nächste Übersetzung zu freuen.
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