Graue Riesen mit zarter Seele – Rüdiger Schapers Liebeserklärung an Elefanten
Rüdiger Schaper, geboren 1959 in Worms, arbeitet für den Berliner "Tagesspiegel" und leitet dort das Feuilleton. Literarische Exkursionen hat er in die Welt des Theaters unternommen. Zudem verfasste er einige Biografien, über Persönlichkeiten wie Harald Juhnke, Karl May und Alexander von Humboldt. Nun publizierte der Journalist ein außerordentlich graues, aber mitnichten farbloses Portrait in der renommierten Reihe "Naturkunden", die von Judith Schalansky seit einigen Jahren mit großem Erfolg herausgegeben wurde. Schaper widmet sich der Kulturgeschichte der Elefanten, spürt sie in der Natur auf, erläutert ihre schwierige Beziehung zu Menschen und bekennt sich ungeniert zur Seelenverwandtschaft mit den sympathischen Giganten dieser Welt.
Zu Beginn beschreibt Schaper bekannte Verbindungen der Säugetiere Elefant und Mensch: "Elefanten leben wie wir in Familienverbänden. Sie begrüßen einander, zeigen Rührung und Trauer und führen bei einem Wiedersehen Freudentänze auf. Das Erstaunlichste aber ist ihr Verhältnis zum Tod. Elefanten halten Wache neben ihren Verstorbenen … Kein anderes Landtier verhält sich so." Elefanten besitzen ein Bewusstsein ihrer selbst, aber sie verfügen über eine ganz andere Zeitwahrnehmung als Menschen. Sie kommunizieren vor allem im Infraschallbereich zwischen 16 und 20 Hertz. Schaper weist zwar daraufhin, dass die grauen Riesen im Matriarchat leben. Die Elefantenbullen, die als Einzelgänger unterwegs sind oder in kleineren Bullenverbünden leben, werden neben den Kühen von ihm leider nur wenig beachtet.
Vor allem interessiert sich Rüdiger Schaper für die Beziehungsgeschichte der mehrere Tonnen schweren Tiere mit den Menschen, die – nicht überraschend – für die klugen, sensiblen Dickhäuter lange Zeit hindurch sehr unerfreulich verlief. Ein Bewusstseinswandel hat erst im 21. Jahrhundert eingesetzt. Bis vor wenigen Jahren noch wurden Elefanten in der Zirkusmanege vorgeführt, zur Belustigung des Publikums, oder mit ähnlichen Dressurnummern in vielen Zoos weltweit vor den Augen der Schaulustigen verhöhnt. Die Würde des Elefanten ist offensichtlich nicht unantastbar. Schaper berichtet kenntnisreich über Kriegselefanten sowie über Formen der Verehrung der Tiere in einigen Religionsgemeinschaften, insbesondere im Buddhismus und Hinduismus. Er erzählt von grausamen Elefantenjagden und Massakern in Afrika. Ein Irrtum ist es übrigens, dass Elefanten in der "christlichen Glaubenswelt" keine Rolle spielen: In Krippenszenen etwa werden die drei Weisen aus dem Morgenland oft von einem Elefanten begleitet.
Der "natürliche Feind" des Elefanten, so Schaper, sei der Mensch. Der Autor versieht sein Portrait auch mit gelegentlichen Anmerkungen zur zeitgenössischen Politik, jenseits der Elefantenkunde. So identifiziert der politisch interessierte Autor "Armut" mit "politischer Verfolgung": "Hunger gleicht der Folter." Zielgenau kennzeichnet er Bertolt Brecht und dessen "zynische Einstellung" gegenüber Tieren. Der Dichter bestimmt den Elefanten als Lieferanten für Elfenbein und behauptet, dass Elefanten gerne tanzen würden. Was zunächst episodisch anmutet – ein Exkurs über Elefanten in den "Geschichten vom Herrn Keuner", ein Buch, mit dem viele Schüler noch heute Erinnerungen an traumatische oder endlos langweilige Deutschstunden verbinden –, wird bei Schaper zu einer markanten und pointierten Kritik an Bertolt Brecht und seinen Werken: "Darum schätze ich diese Art von Literatur nicht, eine autoritär-aggressive Haltung steckt darin, ein Vorschriftenmacher."
Zurück zu den Elefanten, die auf Beobachter eine "beruhigende Wirkung" haben. Rüdiger Schaper empfiehlt zum Beispiel das "Zählen von Elefanten" als Alternative für jene, die beim Schäfchenzählen erfolglos wach geblieben sind: "Das Beruhigende liegt in der Art, wie sie mit ihrer Größe umgehen. Etwas Komisches, ja Komödiantisches steckt darin, vielleicht eine leise Verzweiflung, denn wer will schon von der eigenen Masse erdrückt werden? Das passiert, wenn Elefanten zu lange auf der Seite liegen, vier oder fünf Stunden, dann können sie an ihrem Körpergewicht ersticken. Also schlafen sie im Stehen oder nur wenige Stunden im Liegen, und da hat der Zeiger meiner Uhr schon wieder eine volle Umdrehung geschafft. Ich bin wach." Manche "Elefantasie", so Schaper, könne ruhige Nächte ermöglichen, indessen hält er fest: "Träume sind die Elefanten der Psyche, man kann sie ein Leben lang erforschen, ohne sie wirklich zu verstehen." Gelegentlich schweift der Autor ein wenig ab und gliedert in die hier vorgelegte Elefantenkunde viele Beobachtungen über das menschliche Leben mit ein. Er schreibt, wie wichtig es sei, einem Elefanten "in jedem Moment mit Respekt" zu begegnen, etwa beim Elefantenritt in Indien: "Wir schweben, schaukeln, werden getragen vormittags und nachmittags, durch Felder und Dörfer und den Wald."
Elefanten – in Tierparks wie in der Natur – baden gerne, aus gutem Grund: "Elefantenhaut muss sauber gehalten werden. Sie entzündet sich leicht, wenn sich Schädlinge in den Falten einnisten, das große Tier ist hochempfindlich. Der Elefant liebt den Dreck, in dem er sich wälzt, ebenso wie das Bad." Die häufigste Todesursache sei das Alter. Elefanten erkranken auch an Krebs oder sterben an Herzversagen, aber das eigentliche Problem des alten Elefanten stellt das Gebiss dar: "Wenn die Zähne zermahlen sind und nur noch riesige, kiloschwere Stummel, die nicht mehr nachwachsen, kann der Elefant keine Nahrung mehr kauen und verhungert." Den Elefanten, denen von Menschen so viel Leid zugefügt wurde, sind viele von uns heute sehr zugetan. Gerhard Schaper spekuliert über die Gründe: "Zaubern Elefanten nicht die Kindheit wieder herbei, ein ideelles Kindsein? Man fühlt sich klein vor dem Tier, das wie das Leben selbst dasteht, aber freundlich einladend und voller Geheimnis. Und auch ein wenig unheimlich und fremd. Mit einem Elefanten lässt sich ein Reim machen auf etwas, was nie so schön erlebt oder auch so schön vergessen wurde." Das klingt märchenhaft, aber auch ein wenig anthropozentrisch und weitläufig. Ist es wirklich unvorstellbar, dass wir Tiere um ihrer selbst willen mögen, aufrichtig bewundern und einfach nur liebhaben?
Erhellend ist, wie Rüdiger Schaper über den Umgang mit den grauen Stars in der Manege schreibt: "Wie lustig verspielt und lebendig erschienen mir die Elefanten im Zirkus. Sie zeigten ihre Kunststücke und schienen dabei zu lächeln und wurden mit Applaus belohnt. Offensichtlich habe ich ahnungslos das Vergnügen, das sie mir bereiteten, mit ihrem Wohlsein gleichgesetzt." Er bekennt sodann: "Ich habe Tiere immer geliebt und ihre Nähe gesucht." Von seiner Beziehung zu Elefanten berichtet Rüdiger Schaper und schenkt den Spuren der grauen Riesen in Geschichte, Kultur und Politik große Aufmerksamkeit. Zugleich zeigt er – wenn er den Umgang mit Elefanten anschaulich beschreibt –, wie roh, gewaltsam und schlicht abstoßend der Mensch sich in seiner Welt und gegenüber Tieren verhält. Schapers Portrait der Elefanten wird somit zugleich zu einer Charakterstudie der Spezies Mensch. Kulturgeschichtlich interessierten Lesern, die den grauen Riesen literarisch etwas nähertreten möchten, sei dieses liebevoll illustrierte Buch empfohlen.
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