Demokratie: Eine Diagnose
Das Gespräch mit Antonio Polito, Korrespondent der La Republica in London, macht Ralf Dahrendorfs Engagement für politische Fragen deutlich. Sehr differenziert legt er die Krisen der Demokratie als Regierungsform in der heutigen Zeit dar. Das Büchlein, aufgeteilt in zehn Kapitel von Globalisierung über Europa und Amerika bis Ethik, liefert eine umfassende Bestandesaufnahme der Demokratie und ist durch die Form als Gespräch sehr angenehm zu lesen.
Dahrendorf setzt sich mit den Fragen auseinander, über die insbesondere die Parlamente dringend debattieren sollten, es aber zu wenig tun:
- Wie soll mit der zunehmenden "Abwanderung" der Entscheidungsmacht von den nationalen Demokratien im Zuge der Globalisierung umgegangen werden?
- Weshalb ist die Bewegung der Globalisierungsgegner eine legitime und ernstzunehmende Folge der Entwicklung?
- Wie wird die Europäische Union demokratischer?
- Wo bleibt der europäische "demos"?
- Ist die US-Demokratie auch heute noch ein Vorbild?
- Ist eine Kontrolle der Medien, die eine wichtige Funktion als Vermittler zwischen Politik und Volk haben, nötig?
- Populismus als Rückkehr zu Autoritarismus?
- Kann in Mehrheitsentscheiden über ethische Fragen bestimmt werden?
Solchen und anderen Fragen geht Dahrendorf ausführlich und überzeugend nach. Er sieht einen der grössten Verluste in der zunehmenden Schwächung der Parlamente und in der damit in Zusammenhang stehenden Tendenz, dass Entscheidungen jenseits aller Kontrollen getroffen werden, während die Bevölkerung desinteressiert und apathisch bleibt. Visionen für die Zukunft kommen leider nur ansatzweise zur Sprache, obwohl Dahrendorf diese zweifelsohne hat. Wünscht man sich von dem Buch einen Überblick über die anstehenden Probleme demokratischer Regierungen, ist man nach der Lektüre sicher befriedigt. Der Titel lautet ja auch "Die Krisen der Demokratie" und lässt daher nicht zuviel erwarten.
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