Ein elektrifizierter Künstler
"Das elektrische Leben des Louis Wain" lautet der Titel dieses Films in der korrekten deutschen Übersetzung, der allerdings unter "Die wundersame Welt des Louis Wain" erscheint. Dabei wurde wohl an "Die wunderbare Welt der Amelie" gedacht, denn beide Charaktere haben ihre Spleenigkeit und Skurrilität gemein. Die Betonung von "elektrisch" im Originaltitel ist allerdings deswegen so wichtig, weil Louis Wain (Benedict Cumberbatch) im Film tatsächlich immer von "Elektrizität" spricht. Und wer seine Katzenbilder kennt, wird wissen, dass es "elektrisch" sehr gut trifft. Denn auf manchen seiner Bilder sehen die Kätzchen wirklich so aus, als seien sie in den Stromkreis geraten oder einfach "unter Strom".
Katzen unter Strom
"Vor deiner Familie kannst du weglaufen, aber nicht vor deiner Trauer. Sie folgt dir wie ein gewaltiger Schatten." Die Umstände, denen die Welt die unglaublich elektrischen Katzenbilder von Louis Wain verdankt, sind wenig erfreulich. Am Ende des 19. Jahrhunderts geboren, lebt der Künstler mit seiner Mutter und seinen fünf Schwestern in einem turbulenten Haushalt zusammen.
"Bilder voll heller Freud in so dunkler Zeit."
Da der "breadwinner" früh verstorben ist, muss sich Wain als Ernährer für die Familie betätigen. Dabei ist er vielmehr Künstler und Bohemien denn Familienvater. Aber als er seinem Verleger Sir William Ingram (Toby Jones) bei der Illustrated London News seine Zeichnungen von Katzen zeigt, wendet sich kurzfristig das Blatt. "Bilder voll heller Freud in so dunkler Zeit", nennt sie sein Verleger. Immer mehr aberwitzige Illustrationen erscheinen von Louis Wain, bis er feststellt, dass er die Bilder nicht urheberrechtlich hat schützen lassen und somit weiterhin am Hungertuch nagen wird. Erschwerend hinzu kommt, dass seine große Liebe, Emily, von seiner Familie nicht anerkannt wird, weil er unter Stand heiraten würde. Die Gouvernante Emily Richardson (Claire Foy) wird dennoch seine Frau, bis dann ein weiterer Schicksalsschlag die hart geprüfte Familie heimsucht. Nicht nur Schwester Marie verfällt bald der Schizophrenie. "He has made the cat his own. He invented a cat style, a cat society, a whole cat world.", so H.G Wells über Louis Wain.Katzen endlich salonfähige Salontiger
"Es wird dir gut gehen, du hast Peter", sagt Emily zu ihm, wenn er an den Tag denkt, an dem sie nicht mehr hier sein wird. "Ich habe die Welt nicht schön gemacht. Sie ist schön. Glaub mir, die Welt ist voller Schönheit. Teile sie mit so vielen Menschen wie du kannst. Du bist das Prisma, durch den der Strahl des Lebens geboren wird." Besonders zärtlich sind die Abschiedsszenen zwischen Emily und Louis. Sie spricht von seinem Vermächtnis, dass nur er es entdeckt habe, dass Katzen "albern" wären.
Die kleinen Wesen, die einst als Verbündete von Hexen und dem Teufel gesehen wurden, werden plötzlich als liebevoll und verschmust oder sogar putzig betrachtet.
Damals, Ende des 19. Jahrhunderts, war es nämlich noch nicht üblich, sich Katzen als Haustiere zu halten. Louis Wain wird denn auch Direktor des National Cat Club und macht damit die Katzen in der höheren englischen Gesellschaft erst salonfähig. Die kleinen Wesen, die einst als Verbündete von Hexen und dem Teufel gesehen wurden, werden plötzlich als liebevoll und verschmust oder sogar putzig betrachtet. Ein Bedeutungswandel der den Hund von seinem angestammten Thron als treuester Begleiter des Menschen stößt und Platz macht für die wilden, eigenwilligen Plüschtierchen, die ihren ganz eigenen Kopf haben. Regisseur Will Sharpe zeigt seinen Protagonisten als unter "psychedelischer" Schizophrenie Leidenden ebenso wie als elektrifizierten Künstler. Seine Trauer beflügelt seine Schaffensperioden, die selbst einen H.G. Wells (im Film dargestellt von Louis-Wain-Fan Nick Cave) in Begeisterung ausbrechen lässt.Regisseur Will Sharpe ("The Flowers", "Landscapers"), der im Format 4:3 gedreht hat, lässt mit viel Liebe zum Detail eine viktorianische Zeit auferstehen, die visuell nicht bestechender sein könnte und setzt dem exzentrischen und liebenswerten Maler ein einzigartiges cineastisches Denkmal, das an einer Stelle sogar an "2001" erinnert. Der Nachspann wird mit den lustigsten und buntesten Katzenbildern angereichert und verkündet Louis Wains Botschaft dann im bunt-kolorierten Großformat: "Das Leben/die Welt ist schön." Trotz der Schatten.
Familien-Groteske
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