Geerbte Schuld
Heimanns dominante linke Hand macht sich selbstständig und lässt sich nicht mehr kontrollieren. Sie führt ein regelrechtes Eigenleben: würgt seine Freundin und bringt ihn ins Gefängnis. In der Zelle hat er endlich Zeit zur Besinnung auf sich selbst, erinnert sich an seine Kindheit und die Tagebücher seiner verstorbenen Mutter. Und seine linke Hand schreibt …
So entsteht eine Geschichte in zwei Erzählsträngen. Die Ich-Erzählerin des ersten ist Heimanns autonom agierende Hand. Der zweite Strang erzählt das Leben von Heimanns Mutter, ihre traurige Geschichte als heimliche Geliebte eines katholischen Pfarrers. Mit 19 schwanger geworden, macht der Pastor den noch ungeborenen Sohn für die Entgleisung seines Lebens verantwortlich. Eine Lüge „rettet“ zunächst die Situation: Der Pfarrer nimmt das gefallene Mädchen als Haushälterin zu sich, doch umgekehrt bestimmt die Lüge fortan ihr Leben. Niemand darf von dem Liebesverhältnis wissen, das Kind erfährt nicht, wer sein Vater ist – bis er die beiden eines Nachts zusammen nackt im Bett ertappt. Nun lüftet sich zwar der Schleier, doch der Junge empfindet keinen Gewinn, keine Befreiung wie von der Mutter erwartet, sondern einen Verlust: Er hat den Pastor als Freund verloren, ebenso ist er um den Traum von einem märchenhaften Vater ärmer. Der Pastor will dem Jungen kein Vater sein, sondern ihn nur loswerden und verbannt ihn in ein Internat.
Das Thema Schuld verfolgt Heimann sein weiteres Leben lang, bis seine Hand tatsächlich Schuld auf sich lädt. Aber eben nur die Hand, nicht der Mensch Heimann, der kann nichts dafür. Nun erst beginnt sich der Knoten zu lösen, das Schweigen wird von der linken Hand schreibend gebrochen, bis Heimann endlich begreift, dass die Hand einen schrecklichen Verdacht ausagierte, den er vergeblich zu unterdrücken suchte: dass die Mutter nicht Suizid begangen haben, sondern vom Vater erwürgt worden sein könnte. „Erst seit ich davon schreibe, klärt sich der Morast. Eine Schuldfabrik ist Familie. Eine Hölle mit Himmelstheater. Eine Hölle baut sich nicht neu, wer ihr entronnen ist. Einen Himmel darf nicht erklimmen, wer in die Hölle gehört, weil er auf Erden nicht sein darf.“ (S. 112)
Zunächst hält man die Idee mit der anarchistischen Hand für skurrilen Klamauk, doch bald schon entpuppt sich der Roman als tiefgründige Geschichte über Selbstfindung und Traumabewältigung.
Der Debütroman des Germanisten und Politikwissenschaftlers Nils Dorenbeck überzeugt durch eine ausgefeilte, elegante Sprache und ein sorgfältig recherchiertes, interessant konstruiertes Thema. Man darf gespannt sein auf seine weitere literarische Entwicklung.

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