Das Prinzip der Nachhaltigkeit in der Finanzbranche verankern
"In den vergangenen Jahren hat keine Thematik die Kapitalmärkte so sehr beschäftigt, wie die Nachhaltigkeitsproblematik, wobei insb. die umfangreichen innewohnenden Bedrohungspotenziale zur wachsenden Prominenz des Nachhaltigkeitsdiskurses führen. Vor allem Umweltfragen stehen hierbei im Mittelpunkt des Interesses, hierunter der Klimawandel, die Ressourcenknappheit sowie die Verschmutzung der Biosphäre mit nicht abbaubaren Abfällen wie Plastik oder anderen Schadstoffen. Aber auch soziale und unternehmensführungsbezogene Problemstellungen, wie soziale Ungleichheit oder unethisches unternehmerisches Verhalten, bspw. durch Menschenrechtsverletzungen oder Korruption, werden zunehmend von der Gesellschaft fokussiert."
Zusätzlich zu dieser Feststellung weist Sabrina Kiszka, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insb. Bankbetriebslehre an der Uni des Saarlandes, im Rahmen der einleitenden Problemstellung daraufhin, dass zwar das Bewusstsein bezüglich der Nachhaltigkeitsrisiken in den Banken wächst, jedoch noch nicht ausreichend in deren Risikomanagement eingebunden ist. Zudem konstatiert sie auch einen Mangel an allgemeinen Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf Nachhaltigkeitsrisiken in den Banken.
Vor diesem Hintergrund geht es der Autorin in ihrer Arbeit, die von Professor Gerd Waschbusch wissenschaftlich betreut und als Dissertation im WS 2022/2023 von der Fakultät für Empirische Humanwissenschaften und Wirtschaftswissenschaft der Uni des Saarlandes mit hervorragendem Ergebnis angenommen wurde, vor allem darum, "den Instituten das notwendige Grundwissen über den facettenreichen Nachhaltigkeitskomplex und hieraus resultierende Risiken zu vermitteln. Die vielfältigen Wirkungskanäle der Nachhaltigkeitsrisiken, insb. der klimatisch bedingten Risiken, sollen hierbei aufgezeigt werden, um die Auswirkungen auf das bankbetriebliche Risikouniversum, aber auch auf makroökonomische Größen darzulegen." Dabei werden auch die grundlegenden Nachhaltigkeitsregularien und die aufsichtliche Erwartungshaltung hinsichtlich der Integration der Nachhaltigkeitsrisiken in das Risikomanagement thematisiert sowie die sich aus dem veränderten Nachhaltigkeitsbewusstsein der Bankkunden ergebenden Chancen einbezogen.
Das Werk gliedert sich in sechs Kapitel. Im Anschluss an Kapitel 1, das in die Problemstellung, Zielsetzung und Aufbau der Arbeit einführt und vor dem Kapitel 6, das die wesentlichen Ergebnisse zusammenfasst und perspektivisch beurteilt, werden die folgenden vier Themenbereiche bearbeitet:
Kapitel 2 legt die definitorischen und konzeptionellen Grundlagen zum Begriff der Nachhaltigkeit dar. Dabei werden die Ursprünge des Nachhaltigkeitsgedankens als primär ökologische und ressourcenorientierte Problemstellung erläutert, aber auch die Ausweitung des Nachhaltigkeitsverständnisses zu einem Konzept der Generationengerechtigkeit thematisiert. Anschließend werden das Konzept der Nachhaltigkeit, bestehend aus den drei Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales, sowie internationale Zielsysteme, welche versuchen, die Nachhaltigkeitsdimensionen zu operationalisieren, vorgestellt. Darauf aufbauend wird die Konzeptualisierung der Nachhaltigkeit im unternehmerischen Kontext betrachtet und es wird anhand der Bereiche Green Finance, Social Finance und Sustainable Finance aufgezeigt, wie die Nachhaltigkeit im Bankenwesen berücksichtigt wird.
Kapitel 3 widmet sich vor allem den Nachhaltigkeitsrisiken. Nach den Begriffsdefinitionen, Unterkategorien und Charakteristika von Nachhaltigkeitsrisiken werden die Umweltrisiken – insb. die Klimarisiken sowie Wechselwirkungen zwischen den physischen Risiken und den Transitionsrisiken – behandelt und deren Auswirkungen auf das bankbetriebliche Risikouniversum analysiert. Dabei stehen sowohl diverse Erfolgsrisiken als auch unterschiedliche Liquiditätsrisiken im Fokus der Untersuchung. Abschließend wird auch noch auf die Kehrseite der Medaille, nämlich auf mögliche Chancen, welche durch die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien entstehen können, eingegangen.
Kapitel 4 setzt sich umfassend mit dem regulatorischen Rahmenwerk zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken im bankbetrieblichen Risikomanagement auseinander. Zuerst wird deutlich unterstrichen, dass der EU-Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums aus dem Jahr 2018, der zur Erreichung der Sustainable Development Goals (SDGs) und der Pariser Klimaziele einen nachhaltigkeitsbezogenen Transitionsprozess der Wirtschaft anstrebt, die Basis der regulatorischen Neuerungen bildet. Danach werden die Ziele und Maßnahmen dieses EU-Aktionsplans dargestellt. Aufgrund der Relevanz eines einheitlichen Begriffsverständnisses von Nachhaltigkeit im Finanzwesen wird anschließend das EU-Klassifizierungssystem für nachhaltige Tätigkeiten erläutert: Zielsetzungen der Taxonomie, ökologische Taxonomie, Normen und Kennzeichnungen für ökologisch nachhaltige Finanzprodukte, soziale Taxonomie und Erweiterung der Taxonomie um governancebezogene Ziele. Neben harmonisierten Definitionen stellen Nachhaltigkeitsdaten die Grundlage für das Nachhaltigkeitsmanagement dar, weshalb in einem weiteren Abschnitt auf die Stärkung der Vorschriften zur Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen, etwa auf die CSR-Richtlinie (Non-Financial Reporting Directive, NFRD), die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) und die Offenlegungs VO (Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR), eingegangen wird. Einen weiteren Schwerpunkt der Betrachtungen bildet die Berücksichtigung der Nachhaltigkeit in den (potenziellen) Änderungen der Aufsichtsvorschriften, etwa im Hinblick auf die Eigenkapitalunterlegung und das Risikomanagement.
Kapitel 5 befasst sich vor allem mit den Ergebnissen einer empirischen Studie, welche die Verfasserin zum Nachhaltigkeitsbewusstsein und der damit einhergehenden Erwartungshaltung der Bankkunden sowie zu den hieraus resultierenden Risiken und Chancen für Banken durchgeführt hat. Besonders hervorzuheben ist, dass sich die Arbeit nicht nur auf die Darstellung, kritische Reflexion und Interpretation der Untersuchungsergebnisse beschränkt, sondern auf deren Basis auch zielführende praxisbezogene Handlungsempfehlungen für den zukünftigen Umgang der Banken mit den sich aus der Nachhaltigkeitsproblematik ergebenden Risiken und Chancen ableitet.
"Wollen Banken also langfristig erfolgreich agieren, wird das Thema "Nachhaltigkeit" schlussendlich unumgänglich sein. So ist insgesamt festzuhalten, dass die Berücksichtigung des Nachhaltigkeitskomplexes in der Gesamtbanksteuerung nicht eine Frage der bankindividuellen Überzeugung, sondern schlicht eine ökonomische Notwendigkeit ist." Mit diesem Resümee wird das Werk, welches als Band 58 der Reihe "Wettbewerb und Regulierung von Märkten und Unternehmen" erschienen ist, abgeschlossen. Alles in allem kann das Buch vor allem Wissenschaftlern, fortgeschrittenen Studierenden und Praktikern, die sich mit den Integrationsmöglichkeiten des Nachhaltigkeitsgedankens in die bankbetriebliche Praxis befassen, insbesondere jedoch mit der Steuerung von Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen in Kreditinstituten, nachdrücklich zur Lektüre empfohlen werden.
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