Der doppelte Cleveland und der doppelte Trump
Wie kommt es, fragt man sich beim Blick auf die illustre Liste aller jemals im Weißen Haus Residierenden, dass 47 US-Präsidenten gewählt wurden, es aber nur 45 Amtsinhaber gibt? Ganz einfach: Zwei werden doppelt gezählt! Zwischen ihren jeweiligen Amtszeiten lag eine verlorene Wahl, als deren Folge ein anderer Präsident in Washington übernahm. Donald J. Trump unterlag Joseph R. Biden, zwischen den beiden Wahlperioden des Republikaners Grover Cleveland (1885 bis 1889 und 1893 bis 1897) regierte der Demokrat Benjamin Harrison. In den Geschichtsbüchern ist daher vom doppelten Trump und vom doppelten Cleveland die Rede.
Ein einziger US-Präsident schaffte vier Amtszeiten, wenn auch die letzte nicht ganz: Als Franklin D. Roosevelt regierte (1933 bis 1945), befanden sich die Vereinigten Staaten im Krieg mit Deutschland und Japan – für die Wählerschaft ein guter Grund, während des Rennens nicht das Pferd zu wechseln. Bis Roosevelts Vierfachlegislatur hatten sich sämtliche US-Präsidenten mit maximal zwei Amtszeiten begnügt. Doch gab es Ausnahmen: Neben Ulysses S. Grant (1869 bis 1877) strebte auch Theodore Roosevelt (1901 bis 1909) eine zweite Wiederwahl an. Beide wurden von ihrer republikanischen Partei zurückgepfiffen und in der internen Kür durch andere Kandidaten ersetzt, Rutherford B. Hayes und William H. Taft, die beim anschließenden Urnengang reüssierten.
Franklin D. Roosevelt starb ein halbes Jahr nach seiner letzten Wiederwahl. Den Weltkrieg musste Harry S. Truman zu Ende führen, Roosevelts Vizepräsident: Bei einem Todesfall während der Regierungszeit folgt der Stellvertreter dem verstorbenen Inhaber gemäß Verfassung automatisch ins Amt. Einer möglichen Wiederholung multipler Legislaturen schoben die Amerikaner 1951 einen Riegel vor, indem sie per Gesetz – dem 22. Verfassungszusatz – die Amtszeiten offiziell auf zwei beschränkten.
Franklin Roosevelt war nicht der einzige im Amt verstorbene Präsident. Seit der Inhaber mit der kürzesten Amtszeit, William H. Harrison, im Mai 1841 nur zwei Monate nach seiner Inauguration einer Lungenentzündung erlag (schuld war vermutlich seine Einführungsrede, mit 9000 Wörtern die längste der US-Geschichte, wie damals üblich an einem 4. März bei klirrender Kälte und eisigem Ostwind gehalten), ereilte der Tod regierende US-Präsidenten mit unschöner Regelmäßigkeit.
Nicht immer steckten natürliche Ursachen hinter dem vorzeitigen Ableben. Abraham Lincoln fiel 1865 den Kugeln des fanatischen Südstaatlers John W. Booth zum Opfer; die Schüsse des geistesverwirrten Charles J. Guiteau sorgten 1881 für das Hinscheiden von James A. Garfield nach nur einem halben Jahr im Weißen Haus; der Revolvertod William McKinleys 1901 war einem Anarchisten polnischer Abstammung, Leon Czolgosz, geschuldet. Ein medizinischer Auslöser in Form eines Schlaganfalls raffte 1923, in der Mitte seiner Wahlperiode, Warren G. Harding dahin. Franklin D. Roosevelt wiederum starb an einem Gehirnschlag.
Der bislang letzte im Amt dahingeraffte Inhaber war John F. Kennedy, den Lee H. Oswald 1963 mit einem Sturmgewehr niederstreckte. Der Wahl der Mordwaffe verdankte 1980 Ronald Reagan sein Überleben, als John Hinckley mit einer kleinkalibrigen Pistole auf den Präsidenten feuerte, eine Kugel in dessen Lunge steckenblieb, aber keinen kapitalen Schaden anrichtete. Seit diesem misslungenen Attentat scheint auch der auf dem höchsten US-Amt lastende Fluch überwunden.
Nicht gewählte US-Präsidenten gab es nur einen. Tatsächlich gelang es sämtlichen oben erwähnten auf einem Umweg ins Amt Gelangten, sich beim turnusgemäß folgenden plebiszitären Wahlgang die Bestätigung an den Urnen zu holen. Nur Gerald R. Ford scheiterte. Er hatte 1974 von Richard M. Nixon übernommen, als jener nach Publikmachung des Watergateskandals – Nixon hatte vor seiner erhofften Wiederwahl einen Einbruch ins Wahlkampfbüro seines demokratischen Widersachers George McGovern organisiert – einem Amtsentlassungsverfahren durch seinen Rücktritt zuvorkam; ein in der US-Geschichte ebenso einmaliger Vorfall wie Fords Nichtwahl. Der Republikaner Ford unterlag übrigens 1976 dem Demokraten James E. (Jimmy) Carter.
Nixon war gewiss einer der unbeliebtesten Amtsinhaber, glaubt man den zahlreichen zur Verleihung dieses Prädikats veranstalteten Umfragen. Übertroffen wurde er jedoch von James Buchanan (1857 bis 1861). Dem Demokraten gaben viele Amerikaner eine Mitschuld an der Sezession der Südstaaten, die 1861 zu einem vierjährigen Bürgerkrieg führte. Dessen Gewinner wiederum war der bis heute beliebteste aller US-Präsidenten: Abraham Lincoln hatte für die Wende im Waffengang gesorgt, bei dem anfangs die Konföderation der aus der Union Ausgetretenen das Momentum auf ihrer Seite hatte. Indem Lincoln ein Gesetz ankündigte, das alle bisherigen Sklaven auf dem kompletten Gebiet der kurzfristig nicht mehr Vereinigten Staaten zu freien Menschen erklärte, sicherte er sich die Rückendeckung der europäischen Mächte, die es zuvor mit den Konföderierten gehalten hatten. Eine diplomatische Anerkennung der Südstaaten war damit vom Tisch, und Lincoln hatte die Zeit gewonnen, die er brauchte: Je länger der Krieg dauerte, desto stärker wirkte sich die industrielle Überlegenheit des Nordens über den agrarisch strukturierten Süden aus – bis zu dessen Kapitulation.
Der Bürgerkrieg war die einzige Periode in der US-Historie, in der es mehr als einen Präsidenten gab. Am 22. Februar 1861 hielt Jefferson F. Davis seine Inaugurationsrede in Montgomery, Alabama, anfangs Hauptstadt der Konföderation – ein wohlterminierter Propagandaakt, denn die Einführung des vom gesamten US-Volk gewählten Präsidenten Lincoln fand traditionsgemäß am 4. März in Washington statt. Nach der Niederlage der Südstaaten landete Davis in Haft, auch dies ein bislang einmaliger Fall. Sogar die Staatsbürgerschaft wurde Davis aberkannt, bis Jimmy Carter sie ihm in einem präsidentialen Gnadenakt posthum zurückgab.
Jefferson Davis ist nicht unter den 47 Präsidenten gelistet. Er ist auch nicht im Sammelband Die Präsidenten der USA aufgeführt, den der Münchner Historiker und Amerikaexperte Christof Mauch herausgegeben und mit einer sehr kundigen Einleitung versehen hat. Sein Werk ist absolut lesenswert und sollte in keinem Regal eines oder einer historisch Interessierten fehlen. Im Gegensatz zu dem eher auf einen Smalltalk zugeschnittenen Gehalt dieser Zeilen finden sich dort die wirklich wichtigen Fakten – inklusive einer überaus nützlichen kommentierten Bibliographie zu jedem der Amtsinhaber.
Mauchs Fazit am Schluss seiner Einleitung lautet sinngemäß, das ungemein stabile politische System der USA habe bislang jeden Präsidenten überlebt. Für die Zukunft will Mauch keine Garantie abgeben: „Die vielleicht größte Gefahr für die amerikanische Demokratie geht heute aber womöglich nicht von der gestärkten Rolle des Präsidenten, sondern von der enormen Macht von wenigen Superreichen aus, zumal wenn sie, wie der reichste Mann der Welt, der Medienmogul Elon Musk, den Schulterschluss mit der Politik suchen.“ Daran schließt Mauch seine Warnung an: „Die enge Verbindung von Trump und Musk – beide huldigen einem Männlichkeitskult, liebäugeln mit autoritären Machtstrukturen, zeigen offen Interesse an der Destabilisierung liberaler Demokratien und haben eine fragwürdige Vorstellung von Meinungsfreiheit – ist Ausdruck einer Entwicklung, die die demokratischen Grundlagen der USA zunehmend erodieren lässt.“
Steckt darin der Hinweis, in nicht allzu ferner Zukunft könne in Washington wieder ein Vizepräsident übernehmen und dieser James D. Vance anschließend das Schicksal von Gerald R. Ford teilen? Oder sogar die Sorge, dass das System aufgrund der Vielfalt an Unterhöhlungen (KI, Manipulation durch Algorithmen, Einflussnahme von Social Media, Desinformation mittels Fake News) doch einmal kollabieren könnte?

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