Abigail Favale: Die geleugnete Natur

Kritik der Gender-Theorie

Die Gender-Theorie verfügt über zahlreiche Fürsprecher und Vordenker – und über eine große Schar an Bewunderern und Gefolgsleuten, in nahezu allen Geistes- und Sozialwissenschaften, in der Politik und in den Medien. Die US-amerikanische Literaturwissenschaftlerin Abigail Favale, zugleich bekennende Katholikin, setzt sich autobiografisch, substanziell kritisch und energisch mit den Prämissen, Meinungen und Dogmen der Befürworter dieser Denkungsart auseinander und entzaubert zugleich Geistesheroen der Postmoderne wie Michel Foucault.

Favale versteht sich als eine kritisch-reflektierte Wissenschaftlerin und weist somit bloße säkulare Autoritätsargumente ab, ganz gleich, welches System an Wissen oder welche bestimmende Theorie diese stützen sollen. Zugleich analysiert die gläubige Christin die wissenschaftlichen Grundlagen jener Weltanschauung namens Gender, die in den letzten Jahrzehnten zunehmend bestimmend geworden ist. Sie scheut sich nicht davor, schlichte Fakten der Biologie in Erinnerung zu rufen. Wenn Exponenten der Gender-Theorie wie die Philosophin Judith Butler, im Rückgriff auf Simone de Beauvoir, existenzialistische Zugangsweisen vertreten und das Geschlecht als eine bloße intellektuelle Konstruktion ansehen, so bleibt ernsthaft zu fragen, ob solche Ansichten die unantastbare Würde des Menschen – damit auch seine körperliche Unversehrtheit – schützen oder infrage stellen. Viele Denker der Postmoderne berufen sich auf Autonomie und Verfügungsgewalt über den Körper. Darf ein Mensch von heute nicht etwas aus sich machen, anders gesagt: sich zu etwas oder zu jemand anderem machen? Dürfen wir uns heute nicht ungeniert für ein neues Geschlecht entscheiden und den Körper entsprechend modellieren? Wer will uns dies verwehren? Favale führt neben religiösen Motiven auch naturwissenschaftliche Aspekte ins Feld, etwa über den Einfluss von Hormonbehandlungen. Zugleich kritisiert sie den „kryptischen Idiolekt“ der führenden Theoretiker. Judith Butler formuliert abstrakt und verschachtelt, in einer Weise, die oft nicht klärend und aufklärend wirke, sondern zur Verwirrung beitrage. Favale schreibt, dass in der Gender-Theorie oft ein „undurchsichtiger Jargon“ vorherrsche, der einerseits viele fasziniere, andererseits aber auch als bloße „Verworrenheit“ wahrgenommen werde. In der Postmoderne bestehe die Weltanschauung, dass die „Realität“ ein „von Menschen geschaffenes Narrativ“ sei, nicht eine „Ordnung objektiver Wahrheiten“, die erkundet und verstanden werden könne. Damit lässt sich der Konstruktivismus auch als Apologie bestehender ökonomischer Verhältnisse verstehen, die nicht mehr kritisch reflektiert und untersucht werden, sondern als Phänomene auftreten, die so hingenommen werden müssten, als ob Armut eine intellektuelle Konstruktion wäre.

Der menschliche Körper wird als „Objekt ohne intrinsische Bedeutung“ verstanden, als ein Objekt, dem eine Bedeutung erst zugewiesen werden müsse. Die Geschlechter seien dabei „sprachbasierte Identitäten“, und die Sprache müsse folglich eingesetzt werden, um die „gewünschte Realität“ zu beschwören: „Frei zu sein bedeutet, ständig Grenzen zu überschreiten, den eigenen Willen aus allen Fesseln zu entlassen.“ Die naturgegebene „geschlechtliche Verschiedenheit“ wird damit als Illusion bestimmt. In der existenzialistisch kolorierten Sichtweise von Mensch und Welt wird mit absolutem Anspruch behauptet: „Ich bin kein menschliches Wesen durch die bloße Tatsache meiner Existenz, sondern muss durch eigenständiges Handeln in der Welt erst zu einem menschlichen Wesen werden. Das Menschsein ist nicht etwas, das mir in den Schoß gelegt wird, sondern etwas, das ich erreiche.“ Darf damit der biologische Mann, der sich als Frau fühlt, zu einer Frau werden? Soll die biologische Frau, die empfindet, sie sei ein Mann, sich damit als Mann identifizieren? Realisieren jene Personen dann ihr wahres Selbst? Fragen wie diese werden heute ernsthaft philosophisch, soziologisch und rechtlich diskutiert.

Grundlegend – und mit diesen Ausführungen greift Abigail Favale energisch die dominanten Theorien der Geistes- und Sozialwissenschaften an – für die Gender-Theorie sind die Arbeiten des französischen Soziologen und Philosophen Michel Foucault, der die heutige „Identitätspolitik“ inspiriert hat. Foucault, so führt Favale aus, habe sich für die „Legalisierung der Pädophilie“ engagiert, für die „Abschaffung des gesetzlichen Mindestalters für sexuelle Kontakte“: „Im Jahr 1977 reichte Foucault bei der französischen Regierung einen förmlichen Antrag ein, einvernehmlichen Sex mit Minderjährigen zu entkriminalisieren. Er schlug nicht nur vor, das Alter des Jugendschutzes herabzusetzen, sondern plädierte für seine völlige Abschaffung. Im selben Jahr forderte ein offener Brief in der französischen Zeitung Le Monde die Freilassung von drei verurteilten Pädophilen, denn »drei Jahre [Gefängnis] für Küsse und Zärtlichkeiten sind genug«. Im Brief wurde argumentiert, wenn 13-jährige Mädchen alt genug seien, um als Verhütungsmittel die Pille verschrieben zu bekommen, dann seien sie auch alt genug, um in Sex mit Erwachsenen einzuwilligen. Dieser Brief wurde unterzeichnet von Simone de Beauvoir, Jean-Paul Sartre, Jean-François Lyotard, Gilles Deleuze, Félix Guattari und Roland Barthes. Alle diese Intellektuellen sind Berühmtheiten in der akademischen Welt, verehrte Theoretiker und Philosophen.“ Wer sich auf solche Denker und ihre Theorien heute beruft, gilt als aufgeklärt, zukunftsorientiert, tolerant und weltoffen. Es ist absurd, dass etwa auf dem deutschen „Synodalen Weg“ der katholischen Kirche – eine aufs Ganze gesehen eher unerhebliche Diskursveranstaltung für Kirchenreformen von 2020 bis 2024 –, der der Aufarbeitung des Skandals des sexuellen Missbrauchs dienen sollte, apologetisch mit Lehrmeinungen aus den sogenannten „Humanwissenschaften“, die sich auf Michel Foucaults Theorien berufen, gearbeitet wurde.

Abigail Favale zeigt: Wer heute aufgeklärt denken möchte, folgt nicht dem gesellschaftlichen oder auch medial verbreiteten Mainstream, sondern arbeitet sachorientiert und ohne ideologische Vorbehalte. Aus der Sicht des gesunden Menschenverstandes darf zudem gesagt werden: Wer Ansichten zur Pädophilie von Philosophen wie den vorgenannten Denkern vernimmt, hat auch allen Grund, deren Theorien nicht mehr ernst zu nehmen. Dieses Buch zeigt, dass eine kritische Auseinandersetzung mit der Postmoderne und mit der Gender-Theorie sowie mit ihren Vordenkern und Fürsprechern in Wissenschaft, Gesellschaft und Politik eminent wichtig ist. Abigail Favales neues Buch hat eine große Leserschaft und breites Interesse verdient.

Die geleugnete Natur
Frank Lachmann (Übersetzung)
Thomas Stauder (Übersetzung)
Die geleugnete Natur
Warum die Gender-Theorie in die Irre führt
272 Seiten, gebunden
Originalsprache: Englisch
Herder 2024
EAN 978-3451396281

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