Eine Reise gegen den Strom. Nick Thorpes lesenswertes Buch über die Donau.
Bücher über die Donau gibt’s einige. Bereits im Jahr 1934 wanderte Patrick Leigh Fermor den Strom entlang bis zur Mündung. Gestartet war der Brite in Rotterdam, dem Lauf des Rhein aufwärts folgend und irgendwann nach Osten abbiegend. Daraus resultierten drei Bände, von denen der erste mit einem halben Jahrhundert Verzögerung und der letzte vor ein paar Jahren erschien. Fermor starb 2011, fast hundertjährig. Auch Claudio Magris und Péter Esterházy hatten Werke über Europas zwar nur zweitlängsten, aber mehr Staaten als jeder andere durchquerenden Fluss vorgelegt. Schlicht Donau nannte der Triestiner Professor sein Buch, Untertitel: Biographie eines Flusses. Der Ungar Esterházy fasste sich ähnlich knapp, ordnete sein Donau abwärts aber als Roman ein.
Bei so viel Konkurrenz - geschätzt existieren neben den genannten mindestens ein Dutzend weitere Reiseliteraturwerke mit der Donau im Titel - musste sich Fermors Landsmann Nick Thorpe schon ein besonderes Alleinstellungsmerkmal überlegen. Er fand es, indem er sich einfach flussaufwärts fortbewegte, vom Leuchtturm im rumänischen Sulina ganz nahe an der Mündung ins Schwarze Meer bis zur Quelle nach Donaueschingen. Eine originelle Begründung für seine, so der Untertitel, Reise gegen den Strom lieferte er auch: "Bei allem nötigen Respekt für die Verdienste vorhergegangener Autoren: Ich glaube, etwas anderes anbieten zu können."
Etwas anderes, das ist beispielsweise der Blick auf Europa von Osten. Seit dreieinhalb Jahrzehnten lebt Thorpe in Budapest; er ist BBC-Korrespondent für Osteuropa. Mit der Politik ist er vertraut, auch mit den Sorgen und Nöten der Menschen im zur zweiten Heimat gewordenen Ungarn sowie in den krisengeplagten Nachbarstaaten Slowakei, Serbien und Rumänien. Auch die Kultur hat Thorpe im Blick: "Europa", schreibt er, "wurde vom Osten her bevölkert und so gewissermaßen zivilisiert." Die Geschichte, vor allem die des Altertums und die der Türkenherrschaft (dem Autor erscheint sie übrigens weit weniger barbarisch als in den gängigen historischen Abhandlungen geschildert) bis zum Ende der frühen Neuzeit, nimmt breiten Raum ein in seinem Buch, keineswegs zum Nachteil des Unterhaltungswerts. Thorpe schildert lebendig, kommt sofort zum Punkt und schafft es immer wieder, den Leser in die auch historische Atmosphäre der Ort- oder Landschaft eintauchen zu lassen, in der er sich gerade aufhält.
Immer wieder flicht der Autor Geschichten ein von Begegnungen mit Menschen, die an der Donau leben, sich vom Fluss ernähren, mit Umweltproblemen kämpfen, sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen und die Erinnerung an das Vergangene bewahren möchten. Thorpe lernt selber mehr im Verlauf der Reise, als er auf 360 Seiten wiedergeben kann und will: "Bevor ich aufbrach, dachte ich, ich hätte den Fluss mehr oder minder gekannt, doch ich war oft erstaunt, entzückt und nur gelegentlich enttäuscht." Jede Menge Gespräche mit Anrainern des Flusses lassen ein lebendiges, aktuelles Bild entstehen.
Stets hat Thorpe sein Alleinstellungsmerkmal im Blick. Was hat sich seit Fermor, seit Magris, seit Esterházy Wichtiges ereignet, fragt er sich; einerseits um sein Buch zu rechtfertigen, aber auch um die Menschen am Fluss besser zu verstehen. Eine grundlegende Veränderung hat der Jugoslawienkrieg mitgebracht. Seine Folgen sind allgegenwärtig. Jahrelang war die Schifffahrt auf dem Fluss nach den Bombenangriffen der NATO auf Serbien stark eingeschränkt. So stark, dass nicht nur die Serben darunter litten, sondern beispielsweise auch Bulgarien: Großtransporte zu Wasser nach Westeuropa waren über Jahre unmöglich geworden, mit der Jahrhundertwende verlor das Land am Mündungsdelta seinen Rang als führende Exportnation von Rotweinen an Südafrika, Australien und Chile. Auch das Elend der unmittelbar betroffenen Bevölkerung beschreibt Thorpe in beiläufigem Ton, aber umso eindrucksvoller, etwa wenn er sich in der Hauptstadt der serbischen Vojvodina umschaut, dessen weggesprengte Brücken, die größten im gesamten Flussverlauf, erst 2005 komplett wiederhergestellt werden konnten: "Ein unmittelbar nach den Bombardements in der Stadt zirkulierender Witz lautete, Novi Sad sei die einzige Stadt in Europa, wo der Fluss über drei Brücken fließe."
Am Ende trudelt Thorpe in Donaueschingen ein. Seine Sympathie gehört dem Osten und seiner mit harten ökonomischen Bedingungen und einem im übrigen Europa negativen Ruf kämpfenden Bevölkerung. Doch auch der Westen hält Positives bereit. Entsprechend klingt Thorpes Fazit: "So wie ich im Osten keine Barbaren gefunden habe, habe ich auch im Westen keine gefunden. Die Osteuropäer kommen nicht zum Stehlen in den Westen, sondern um zu arbeiten, oft in den miesesten Berufen. Die Sorgfalt wiederum, mit der die Flusslandschaft in ihren zahmeren oder wilderen Abschnitten in Österreich und Deutschland geschützt wird, bietet ein Modell zivilisierten Verhaltens, von dem viele im Osten etwas lernen könnten."
Das Fazit nach der Lektüre lautet: Fermor, Magris und Esterházy zum Trotz liefert Thorpe einen lohnenden Beweggrund, wieder einmal ein Buch über die Donau zu kaufen.
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