Deutsche Kultur und deutscher Alltag
Ernsthafter, als der Titel erwarten ließe, befasst sich dieses Buch mit dem Alltagsleben der Deutschen in Vergangenheit und Gegenwart. Dabei werden die Themen Zeit, Wohnen, Kinder, Familie und andere Formen des Zusammen- oder Alleinlebens, Geschlechterrollen, Benehmen, Kleidung, Körperpflege, Essen, Besitz und Statussymbole behandelt. Zwar dominiert die Perspektive des deutschen Westens, doch werden in vielen Kapiteln, wie dem über Kleider von Martina Lüdicke oder dem über Dinge von Susanne Ude-Koeller, auch die Verhältnisse in der DDR beleuchtet.
Seltsamerweise fehlt das Thema Arbeit und Beruf, wobei dieses natürlich andere Bereiche wie die Zeit oder die Familie beeinflusst und dort auch kurz mitbehandelt wird. So erfährt man hier, dass Deutschland und die Niederlande zusammen mit Mittelmeerländern wie Italien oder Spanien eine besonders traditionelle Rollenverteilung zwischen Mann und Frau aufweisen: Mit der beruflichen Position des Mannes steigt "der Druck auf dessen Partnerin, ihre Erwerbstätigkeit einzuschränken oder gar ganz aufzugeben." (S. 66) In Großbritannien und den USA dagegen wirkt sich der berufliche Erfolg des Mannes kaum auf den der Frau aus. In Skandinavien und ehemaligen sozialistischen Ländern aber wirkt sich eine Karriere des Mannes sogar förderlich auf das berufliche Fortkommen der Frau aus.
Einige Urteile über die Deutschen werden bestätigt, andere als Vorurteile widerlegt. Ein typisch deutsches Essen gibt es dem Beitrag von Maria Baalmann zufolge nicht, sondern nur regional typische Gerichte. Zu diesen zählt auch das im Ausland als "deutsch" angesehene Sauerkraut, das nur in Süddeutschland verbreitet war und ist, im Norden weniger. Und der Pro-Kopf-Konsum ist in Frankreich höher als bei den "Krauts". Dagegen sind die Deutschen Europameister im Verzehr von Brot: fast 85 Kilo Brot und Brötchen pro Jahr verleiben sie sich ein. Dabei war der Brotverbrauch in den 1980er Jahren rückläufig, bis die Bäcker mit einer bis dahin ungekannten neuen Vielfalt und Variationsbreite das Geschäft wieder ankurbelten. Die 1960er Jahre, in denen ein kleiner Bäcker mit drei Sorten Brot - Weißbrot, Mischbrot, Roggenvollkornbrot - und zwei Brötchenvarianten - Milch- oder Wasserwecken - sein Geschäft sogar im diesbezüglich vielfältigeren Süden führen konnte, sind endgültig vorbei. Das Leibgetränk der Deutschen ist übrigens nicht Bier, sondern Mineralwasser.
Manchen aktuellen Trend wie die Häufung von Piercing oder Tatoos bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen bemerkt wohl jeder Zeitgenosse. Dass sich Tätowierungen bei Angehörigen bestimmter Gruppen, wie Seeleuten, schon länger großer Beliebtheit erfreuen, weiß ebenfalls jeder. Aber dass dies eine Folge der Forschungsreisen von James Cook im 18. Jahrhundert ist und dass Ende des 19. Jahrhunderts adelige Damen diese Begeisterung mit den Unterschichten teilten, während sich das Bürgertum dieser Art von Körperverzierung enthielt, ist weniger bekannt. Solche historischen Entwicklungslinien sind nicht nur interessant, sie lassen neue Phänomene auch deutlicher hervortreten und relativieren ihren Stellenwert.
Der Band ist unterhaltsam zu lesen und wendet sich an ein breiteres Publikum; doch stehen die Beiträge auch wissenschaftlich auf soliden Füßen. Um so bedauerlicher ist, dass nicht wenigstens die wichtigsten Textstellen durch Anmerkungen belegt wurden. Denn manchmal wüsste man schon gerne, woher eine Information stammt. Statt dessen findet sich am Ende ein knappes Verzeichnis mit weiterführender Literatur.
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