Wenn die Neugierde zur Bedrohung wird
Daniel ist gerade elf Jahre alt, als ihm sein Vater den "Friedhof der Vergessenen Bücher" zeigt, aus dem er sich ein Buch mitnehmen darf. Der Roman "Der Schatten des Windes" von Julián Carax lässt ihn fortan nicht mehr aus seinem Bann. Daniel will mehr erfahren über diesen unbeachteten Autor, dessen Buch ihn so tief beeindruckt.
Aber nicht nur er hat Interesse an diesem Buch, man bietet ihm einen hohen Preis, doch er gibt es nicht her. Nach vielen Jahren, als junger Mann, intensiviert Daniel seine Suche nach Carax, will das Leben dieses Mannes kennenlernen, bis hin zu seinem unerklärlichen Tod. Allzubald muss er dabei feststellen, dass seine Nachforschungen einigen Leuten nicht gefallen. Was hat Julián Carax getan, um nach so vielen Jahren die Menschen, die einst mit ihm zu tun hatten, so zu beeinflussen? Die Suche und die Liebe machen das Leben für Daniel nicht einfach und sogar gefährlich.
Die ersten Seiten dieses Buches beinhalten so viele schöne Sätze über Bücher, dass man viel von diesem Roman erwartet, nämlich, dass er all diese Schätze des Lesens birgt. Vielleicht kann nur ein echter Büchernarr es so empfinden, aber diese ersten Seiten ziehen den Leser in die geheimnisvolle und überreiche Welt der Literatur, Bücher und Bibliotheken. Auch wenn Daniels Vater Antiquar ist und ein Autor und sein Buch die Hauptrolle des Romans spielen, so bestimmt doch Daniels Leben und nicht diese Welt der Bücher forthin die Handlung. So geht der Zauber des Anfangs zwar ein wenig verloren, doch er wird ersetzt durch die Spannung der Nachforschungen Daniels. Denn auch dem Leser erschließt sich das Leben von Julián Carax nur stückweise und immer wieder muss er weiterlesen um die Antworten auf die neu aufgekommenen Fragen zu erfahren. Zudem verläuft auch Daniels Leben abseits seiner Recherchen nicht in einfachen Bahnen, zum Teil durch Fermin, den er auf der Straße aufgelesen hat und der nun für seinen Vater arbeitet und beiden ein guter Freund geworden ist. Mit seinen Weisheiten und der etwas schnodderigen Ausdrucksweise bringt dieser Charakter sowohl ein wenig Philosophie als auch einigen Humor in die Geschichte.
Der Autor nimmt den Leser mit nach Barcelona in den Jahren 1945 bis 1956. Man lernt die Stadt kennen, die Situation die sich im und durch den Bürgerkrieg entwickelt hat. Das Leben vieler Menschen ist bewegt von den unterschiedlichsten Gefühlen: Liebe, Hass, Freundschaft, Rache, Vertrauen, Angst, Einsamkeit, Sehnsucht.
Zafón entwickelt und verbindet das Leben von Daniel und Carax sehr gelungen. Die Passagen über Carax sind so sehr Teil von Daniels Leben, dass sie nicht wie eine zweite Handlung erscheinen, sondern wirklich integriert sind. Viel erzählen kann man hier nicht darüber, nähme man dem Buch doch sonst einen großen Teil seiner Spannung, aber es geschieht viel und es ist stimmig, wenn es auch zeitweise recht viele Informationen sind. Eine lange Lesepause sollte man also nicht einlegen, zu viel könnte vergessen werden.
Ein rundum gelungener Roman, der für Leser vieler Genres geeignet ist, ist er doch zugleich Entwicklungsroman, Krimi, Liebesgeschichte und ein wenig historischer Roman.

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