Der Voyeur in uns allen
Die Geschichte ist zu gut, um wahr zu sein, denn was dem renommierten Gay Talese in den Achtzigern passierte, davon kann ein Romanautor der Fiction nur träumen und dennoch ist alles, was Talese erzählt, Non-Fiction und tatsächlich genauso so geschehen, wie er es erzählt. Genauso?
Sexuelles Verhalten der Motelbesucher
Ein gewisser Gerald Foos tritt an den bekannten Journalisten Anfang der Achtziger heran und erzählt ihm eine unglaubliche Geschichte. Gerald besitze ein Hotel und habe sich dort mehrere Jahrzehnte als Voyeur betätigt, indem er in die Decke der vermieteten Zimmer Lamellen einbaute, die ihm einen Seh- und Hörgenuss der Tätigkeiten seiner Gäste unter ihm ermöglichten. Darüber hinaus habe er über die verschiedensten sexuellen Gewohnheiten seiner Gäste Buch geführt und sogar Statistiken angefertigt, die die Veränderung des sexuellen Verhaltens seiner amerikanischen Mitbürger über ca. drei Jahrzehnte hinweg dokumentierte. Am besten kommen bei seinen Beschreibungen noch die Lesbierinnen weg, die die einzigen seien, die sich in die andere Person hineinfühlen könnten. Aber auch neue sexuelle Praktiken wie ménage a trois oder Gruppensex werden von Gerald beobachtet und analysiert. Gerald - der sich selbst durchaus auch als Spanner betrachtete, da er davon auch selbst reichlich sexuellen Genuss bekam - sah sich darüber hinaus aber auch als Chronist und Soziologe, Gesellschaftskritiker und zuletzt sogar als Whistleblower à la Snowden, der sich gegen die zunehmende Überwachung durch die Bundesregierung und staatlichen Behörden zur Wehr setzen wollte, obwohl er ja selbst ein Voyeur war. Eine unglaubliche Geschichte wird von einem guten Schriftsteller trocken und ohne Moralbrille spannend erzählt - ein perfekter Roman für den bevorstehenden Sommer? Aber natürlich ist "Der Voyeur" vielmehr noch als nur ein Roman, nämlich ein Sittenbild unserer Zeit.
Gegen prüde Bigotterie
Wenn die Geschichte nicht so gut konzipiert wäre, könnte man wirklich vermuten, dass sie konstruiert ist, denn die in Kursivschrift gehaltenen Originalpassagen aus Geralds "Tagebuch eines Voyeurs" schließen immer mit einem tiefgründigen, geradezu wissenschaftlichen Fazit. So schreibt er etwa über die Erfindung der Pille: "Frauen hatten das Recht gewonnen, folgenlos Sex zu haben, aber zugleich das Recht verloren, den richtigen Zeitpunkt dafür zu bestimmen", denn durch die Pille wurden sie jederzeit verfügbar gemacht, so Geralds kritische, durchaus feministische Analyse. Aber auch der Humor kommt nicht zu kurz, etwa wenn Gerald erzählt, dass ein Mann bei der Beobachtung eines Fellatio fast eineinhalb Meter in die Höhe spritzte und die dazugehörige Dame, das Sperma, das von der Decke tropfte unweigerlich als das ihres Liebhabers identifizierte: dabei war es das von Gerald, der alles von oben beobachtet hatte. Gerald griff manchmal aber auch in das Geschehen ein, wenn etwa allzu prüde Paare das Licht ausschalteten, begab er sich vom Dachboden vor die Haustüre und schaltete die Scheinwerfer seines eigenen Autos auf das Apartment gerichtet kurzerhand an. Nur einmal wurde ihm seine Beobachtungssucht zum Verhängnis: als er einen Mord beobachtete, an dem er nicht ganz unschuldig war. Aber wie wird sich Gay Talese diesbezüglich verhalten?
Literarischer Journalismus
Der 1932 geborene Autor gehört neben Tom Wolfe, Hunter S. Thompson und Truman Capote zu den Mitbegründern des literarischen Journalismus. Er hat als Sachbuchautor u. a. die Bücher "Ehre deinen Vater" und "Du sollst begehren" verfasst, die stets von realen Personen ausgingen und diese porträtierten. Als New York Times Mitarbeiter steht seine Arbeit für soliden Journalismus, der nicht wertet, sondern nur spiegelt.
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