Im Vorwort zur neuesten Auflage erinnert der Verfasser dieses Standardwerks zum E-Commerce, dass der Online-Handel 2020 einen geschichtsträchtigen Geburtstag feierte: vor genau 25 Jahren ging amazon.com online und Jeff Bezos hat erstmals aus seiner Garage ein Buch verschickt. Bezos plante jedoch von Anfang an den ultimativen Web-Shop und hat unaufhaltsam sein Angebot ausgeweitet. "Mit rund 600 Mio. verschiedenen Artikeln ist die Auswahl gigantisch. Längst ist Amazon Synonym für den E-Commerce und zugleich der größte Online-Händler der Welt. Als "Datenkrake" wird der Internetgigant – ebenso geliebt wie verhasst – schon lange kritisiert. Zugleich gehört Amazon zu einem der wertvollsten Unternehmen weltweit. Sogar die Corona-Krise, die für den gesamten Handel eine nie dagewesene Zäsur darstellt, macht den US-Konzern noch wertvoller." Und etwas weiter: "Nach wie vor setzt Amazon die Standards im Online-Handel. Und auch wenn es vielen nicht gefällt und es Handelsexperten schon fast nicht auszusprechen wagen: Amazon ist aus Kundensicht systemrelevant. Die Firma hat es Verbrauchern ermöglicht, während des Shutdowns Waren jenseits des Lebensmittelsortiments einzukaufen, die sonst nirgendwo bezogen werden konnten. Das ist fast schon ein Alleinstellungsmerkmal, und zwar ein nachhaltiges, denn es ist davon auszugehen, dass die Welle der Abwanderung von Kaufkraft ins Internet und damit das Wachstum von Amazon auch die nächste Dekade prägen werden."
Das vorliegende Werk präsentiert Entwicklungen und Trends im Digital Commerce, der durch die neuen digitalen Kommunikations- und Konsummuster der Kunden geprägt ist. Dem Autor Gerrit Heinemann, Professor für BWL, Management und Handel sowie Leiter des eWeb Research Center an der Hochschule Niederrhein, geht es vor allem darum, eine Brücke zwischen der Theorie und Praxis des Online-Handels zu bauen. Das Buch behandelt in fünf Kapiteln die folgenden Schwerpunkte:
Meta-Targeting und Geschäftsideen im Online-Handel: Mit der weiter zunehmenden Internetnutzung im Hinblick auf die Nutzerzahlen und die Nutzungsintensitäten steigen die Umsätze der großen Online Pure Player, einiger Online-Spezialisten und von einigen großen Multi-Channel-Händlern nach wie vor überproportional an, während "der Rest" von den Wachstumsraten im Online-Markt kaum mehr profitieren kann. Dabei wird das digitale Universum immer mehr durch die mobile Internetnutzung geprägt, die auch die Kundenorientierung erheblich verändert. Diese ändert sich fortwährend durch neue Trends, die wiederum durch neue Kundenerwartungen genährt werden. Zugleich beschleunigt sich der Konzentrationsprozess und der Abstand zwischen dem Marktführer Amazon und seinem Verfolgerfeld wird immer größer. Heinemann charakterisiert die relevanten Trends im Online-Handel und beantwortet zugleich die Kernfrage, weshalb sich so viele Hersteller und Händler in Deutschland mit der Umsetzung der Schlüsseltrends und der neuen Kundenorientierung so schwer tun: "Die Antwort kann nur – neben dem Festklammern an teilweise überlebten Strukturen und der Servicewüste in diesem unseren Lande – in einem mangelnden Verständnis für den modernen Kunden, das Internet, die Internetnutzung und das sich ändernde Nutzungsverhalten liegen. Deswegen kommt der Beschleunigung digitaler Reifegrade sowie dem Ausbau digitaler Barrieren eine Schlüsselrolle zu."
Geschäftsmodell des Online-Handels: Die Kundenzentriertheit muss Basis für das Geschäftsmodell eines jeden Online-Händler sein. Losgelöst von der funktional orientierten Marketinglehre rücken Leidenschaft und Glaubwürdigkeit der gesamten Unternehmensführung sowie ein bedingungslos am Kundenwunsch ausgerichtetes Unternehmen in das Zentrum der geschäftlichen Aktivitäten. Von dieser Art der "neuen Kundenorientierung" geht das komplette Geschäftssystem des Unternehmens aus und dementsprechend werden in diesem Kapitel die Basiselemente der Kundeninteraktion, der Geschäftsbasis, der Marketingpolitik und CRM sowie der Verkaufspolitik, Lieferpolitik und Zustellung im Online-Handel im Einzelnen näher behandelt.
Formen des Online-Handels: Die wenigsten Online-Händler kommen noch in "reiner Form" vor. Lediglich Start-ups oder neue Formen des interaktiven Handels wie zum Beispiel Farfetch verfolgen zu 100% ein einziges Geschäftsmodell. Schon die großen Pure Player wie Amazon oder eBay sind Mischformen. Zunehmend sind neue Formen des Online-Handels zu beobachten, zu denen auch der weiterhin stark wachsende Mobile Commerce bzw. App- und Chat-Commerce gehören. Daneben entwickelt sich der B2B-Online-Handel zum "next big thing".
Geschäftssysteme und Benchmarks im E-Commerce: Der Ausgestaltung des Geschäftssystems kommt eine Schlüsselrolle im Online-Handel zu und sie ist auch Basis für Kanalexzellenz, welche erfolgreiche Online-Händler auszeichnet. Diese sind in der Lage, mit ihren Leistungen im E-Commerce den Benchmark zu setzen und nutzen alle Möglichkeiten der modernen Interaktion. Es werden insgesamt acht zentrale Erfolgsfaktoren für das Vorliegen von Web-Exzellenz im B2C identifiziert und ausführlich vorgestellt: "Shop Attraction and Selling Proposition", "Social Targeting and Societing", "Service and Search Solutions", "Scale-oriented Customization and Personalization", "System and Supply Chain Excellence", "Security Standards and Reputation", "Supplement and Support Channel Strategy" sowie "Sourcing Concept and Strategic Alliances".
Best Practices und Risiken im Online Handel: Diese ergeben sich aus der bestmöglichen Umsetzung der Erfolgsfaktoren, die sie andererseits aber auch maßgeblich mitbestimmt haben. Die Erfolgsbeispiele für den Online-Handel sind höchst unterschiedlich, je nachdem ob ein Pure-Online Handel, ein kooperierender Online-Handel, ein Multi-Channel-Handel, ein hybrider Online-Handel oder ein vertikalisierter Online-Handel betrieben wird. Häufig versteht sich die E-Commerce-Branche noch eher als Tech- denn als Handelsbranche. Darin liegt wohl eines der Hauptrisiken für Online-Händler, weshalb auch viele der kleinen Online-Shops nicht überleben werden. Andererseits liegt ein großes Risiko für die Multi-Channel-Händler darin, das Online-Thema zu unterschätzen und systemtechnisch zu kleckern statt zu klotzen. Des Weiteren gilt es, die sich vor allem im Zuge der EU-Harmonisierung ergebenden rechtlichen Risiken im Auge zu behalten.
In der jüngsten Auflage wurden alle Kapitel überarbeitet und neue Ansätze bzw. Entwicklungen einbezogen. Neben der Konzentration und Konsolidierung der Plattformen wird auch das Marktplatzthema erneut vertiefend aufgegriffen, zumal jetzt auch die branchenfremden Internetgiganten das Marktplatzthema verstärkt verfolgen. Zwischenzeitlich ist auch das steigende Bedürfnis der Menschen nach mehr Nachhaltigkeit für die Umwelt im E-Commerce angekommen. Deshalb werden im Rahmen der Online-Logistik auch das Stichwort "Sustainable E-Commerce" und die Themen Klimaneutralität und Retouren-Management verfolgt. Daneben wurden zahlreiche neue rechtliche Anforderungen berücksichtigt, die insbesondere Marktplatzbetreiber verstärkt in die Pflicht nehmen.
Heinemann befasst sich schon viele Jahre mit E-Commerce, Online- und Multi-Channel-Handel und weist eine rund zwanzigjährige Handelspraxis, u. a. in verschiedenen Leitungsfunktionen bei der Douglas-Gruppe, als Warenhausgeschäftsführer bei Kaufhof und als Senior Principal und Leiter des Competence-Centers Handel der international tätigen Unternehmensberatung Droege & Comp., nach. Der ausgewiesene Retail-Experte hat sich – wie kaum ein anderer Wissenschaftler der deutschen Hochschullandschaft – intensiv mit den grundlegenden und aktuellen Fragestellungen des Online-Handels befasst. Sein Werk besticht durch eine stringente Struktur und durch die klare sowie gut verständliche Analyse komplexer Sachverhalte. Hinzu kommt, dass die Ausführungen durch eine Vielzahl von eigenen Beratungsprojekten, Studien, aktuellen Beispielen und Zahlen belegt werden. Hervorzuheben ist nicht zuletzt das ausführliche Literaturverzeichnis, welches eine Fülle von Hinweisen auf weiterführende Quellen enthält.
E-Commerce ist längst im Alltag der Menschen angekommen. Wer wissen und begreifen möchte, wie erfolgreicher Digital Commerce funktioniert und sich z. B. über Geschäftsmodelle, Geschäftssysteme und Benchmarks im E-Commerce sowie über Best Practises im Online-Handel informieren will, wer die "Lessons Learned" der Entwicklung der letzten Jahre studieren sowie sich mit den zukünftigen Herausforderungen des Online-Handels systematisch auseinandersetzen möchte, kommt um das Studium dieses Klassikers schlichtweg nicht herum.